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29, Fortsetzung. „Du Heuochse! Du Idiot! Du Dilettant von einem Dieb! Und ich, ich habe mir ausgerechnet diese Schlaf- miitze herausgesucht, habe mich mit so einem Stümper zusammengetan, der das mühsam znsammengeholte Gut auf solche Weise vergeudet. Wo ist das Geld — he? Wo ist die Tasche?" Wutentstellt war das sonst so reizende Gesicht. Haß flimmerte aus den schönen Augen. . Auch der Mann war wie zerschmettert von dem Verlust. Er war sinnlos vor Wut, die durch den Hohn der Frau bis zur Weißglut gesteigert wurde. „Was fauchst du mich an? Kann ich etwas dafür, daß man auf dem Schiff die Tasche vertauscht hatte? Kann ich was dafür, daß dieser Esel von einem Doktor dieselbe Tasche hatte wie ich?" „Natürlich kannst du etwas dafür. Wo hattest du denn deine Augen, als man das Gepäck des Doktors aus der Kabine holte? Warum hast du nicht aufgepaßt, du Dumm kopf?" „Wäge deine Worte, oder ich schlage dir dein loses Maui zusammen..." Der Mann brüllte es, in rasender Wut. Wie eine Katze 'fauchend, stand Joe plötzlich vor dem Tobenden. „Mich willst du schlagen, du ... du ..." Im nächsten Augenblick fiel ihre Hand klatschend auf die Wange des Mannes, der gereizt zurückschlug. Wütend sprang Joe ihn an, krallte sich in sein Haar. Er schüttelte sie für einen Augenblick ab, bis das liebliche Spiet von neuem begann. Die beiden schlugen sich, kratzten sich — bis endlich die Ernüchterung kam und sic einander los ließen. Joe lag schluchzend auf dem Bett. Titus stand am Waschtisch und kühlte sein zerkratztes Gesicht. „Niemand anders ist an dem Unglück schuld als du selbst!" sagte er jetzt und wandte sich hinüber zu Joe. „Hättest du nicht solche Eile gehabt uud verlangt, daß bis Barcelona alles geschasst sein sollte, wäre alles anders gekommen!" Joe antwortete nicht, sie schluchzte immer weitem. „Mein Geld, mein schönes Geld!" sagte sie dann leise vor sich hin. „Gottlob, daß ich wenigstens die pam: Schmuckjachen habe, die ich in meinem Koffer versteckt!. Nicht -inen Sou bekommst du davon, daß du es nnr weißt. Ich habe es überhaupt satt, immer mit dir zu teilen, wo ich allein arbeite und du nur den feinen Herrn spielst. Du kannst nichts anderes als das durchbringen, was ich mühsam erbeute. Aber — ich mache da einfach nicht mehr mit." „Gut, meine Teure! Ich habe nichts dagegen, wenn wir uns trennen. Ich werde schon für mich sorgen. Und brauche mir dann wenigstens keine Szenen mehr machen zu lassen. Aber ich fürchte, lange hältst du es ohne mich nicht aus. Wirst bald wieder zahm werden, mein Kätzchen!" Joe sah den Mann verächtlich an. Eine Weile lag sie still da, dann sagte sie: „Es hat wirklich keinen Sinn, daß wir uns weiter Herumzauke». Wir müsseil der Situation klar ins Auge sehen." Sie war aufgestanden und hatte ihren Koffer geöffnet. Sie besah sich die erbeuteten Schmucksachcu. Dazwischen lagen die fünftausend Mark, die Joe damals dem Hain» burgcr Stadtrat gestohlen hatte. „Du, Titus ..." Da keine Antwort kam, wandte sie sich um. „Ach, du bist wohl trotzig?" „Soll ich vielleicht lächeln, nachdem du mich so zu- gcrichtct hast?" Sie war vor ihn hingctreten, musterte sein zer- schundcnes Gesicht. „Du siehst wirklich scheußlich aus! Armer Kerl! Ach, du ..." Wild fiel sic ihm um den Hals, küßte trunken die zer kratzten Stellen seines Gesichts. „Laß das...!" „Still! Oder ich fange noch einmal an, du. Ist es dir nicht lieber, ich küsse dich heil? Ach, Titus, was könnten wir jetzt für ein Leben haben, wenn diese Dummheit nicht passiert wäre. Jetzt ist alles verloren. Der Teufel soll diesen Doktor holen. Gib mir jetzt einen Kuß, Titus — schnell!" Sie bot ihm die Lippen. Er wandte sich schmollend ab. „Küß! Ich will es!" Endlich neigte er sich zu ihr herab, küßte ihren Mund. Jin nächsten Augenblick saß sie auf seinem Schoß und um girrte ihn wie eine Katze den Kater. Der Mann hatte allen Groll vergessen in der Glut, mit der ihn diese Frau immer von neuem erfüllte. Nach einer Weile der Selbstvergessenheit kehrten sie zur Wirklichkeit zurück. „Wir müssen verschwinden, Titus!" sagte Joe. Sie entwand sich ihm und stand auf. „Ich glaube, wir flüchten am besten in die Schweiz. Hier kann man zu leicht auf unsere Fährte kommen. Mit dem Geld des Hamburgers können wir schon eine Weile auskommen. Morgen in aller Frühe fahren wir weiter — denkst du nicht auch?" „Mir ist alles recht, was du bestimmst, Katze! Nur lieb mußt du mich haben, alles andere ist mir gleichgültig!" „Als -ob ich mir diese Liebe aus dem Herzen reißen könnte. Es wäre viel besser für mich, wenn es anders wäre. Ich liebe dich bis zum Wahnsinn; ich komme nicht von dir los ..." Leidenschaftlich, hemmungslos überfiel sie ihn wieder mit ihren. Küssen. * * * rmagoalcnc zaMg die rangen aus und konnte sich lm ersten Moment gar nicht besinnen, wo sie eigentlich war. Ihr Kopf war schwer, ihre Augen lagen tief und schmerzhaft in den Höhlen. Was war das nur mit ihr? Sie fühlte sich körperlich wie zerschlagen und zog er schauernd das Deckbett bis an den Hals. Wo blieb nur Joe? Ja so, die war ja mit ihrem Bruder in^ie Stadt gegangen; sie selbst hatte ihr Urlaub gegeben. Magdalene sah auf die Uhr. Verstört fuhr sie dann in die Höhe. Mein Gott, es war schon Mittag vorüber. So lange hatte sie geschlafen? Sie taumelte, als sie auf den Füßen stand und zux. Waschtoilette hinüberging. Wie erschöpft, mußte sie sW fcsthalten. Was war nur mit ihr los? Das Zimmer tanzte vor chren Augen; cs sah aus, als ob der Spiegel auf sie niedex-! Mrze. Sie fühlte sich hundeelend. Langsam kleidete sie sich an. v Als sic hinauSkam an die frische Luft, wurde ihr ein wenig wohler. 5 c frühstückte eine Kleinigkeit, dann lag sie an Deck, lang „usgestreckt auf einem Liegcstuhl. Zuerst war sic allein, dann setzte sich eine alte Dame zu ihr, Frau Geheimrat Stiehler, die Magdalene ganz gut leiden mochte. „Nun, Madame Wintöre, haben Sie es auch vor gezogen, nicht in die Stadt zu gehen?" „Ja, gnädige Frau! Ich bin zu müde von dem Ball. Ich mußte »»ich erst ansruhcn." „Wir haben ein wenig viel gesehen in der letzten Zeit. Atan ist fast übersättigt. Die Ruhe aus dem Schiff tut einem wohl. Was sagen Sie übrigens zu Doktor Richter, Madame Wintere?" Magdalene horchte auf. Dann fragte sie: „Was ist mit ihm, gnädige Frau?" „Das wissen Sie nicht? Er Hal heute morgen das Schiff verlassen, um mit der Bahn nach Hause zu fahren." Magdalene war blaß geworden. Ihr war, als ob plötz lich die Sonne hinter Wolken verschwunden, als ob dic Welt ganz grau geworden war. Sic hätte am liebsten tarn geweint. Es war ihr weh ums Herz. Er war gegangen, war durw sie vertrieben worden. Den einzigen Mensche», der es gut mit ihr gemeint, der