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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Sonnabend, io. September 1960, 19.30 Uhr Sonntag, 11. September 1960, 19.30 Uhr 1. ZYKLUS I KONZERT GASTDIRIGENT Dr. Vaclav Smetäcek, Prag ANTONIN DVORAK 1841—1904 1. Sinfonie c-Moll Die Glocken von Zlonice (Erstaufführung) Maestoso - allegro Adagio di molto Allegretto Allegro animato PAUSE Die Mittagshexe, Sinfonische Dichtung, op. 108 nach der Ballade von Karel Jaromir Erben (Erstaufführung) Sinfonische Variationen über ein Originalthema, op. 78 Antonin Dvorak (1841-1904) Antonin Dvofäk ist ein jüngerer Altersgenosse des Begründers der modernen tschechischen nationalen Musik B. Smetanas. Diese Generationszugehörigkeit be stimmt seinen Platz in der Entwicklung der tschechischen Musik und auch seine unmittelbare Beziehung zum Werk Smetanas selbst, dessen Fortsetzer und Vollender er teilweise ist, aber auch dessen Gegenpol, bedingt durch die unterschiedlichen Charaktere beider Komponisten wie auch durch die verschiedenen Lebenseinflüsse. Während Smetana die Grundlagen der tschechischen Programm- und dramatischen Musik legt, entwickelt Dvofäk die neuzeitliche tschechische Sinfonie, die Kammer musik, das Oratorium und den Typ der lyrischen Märchenoper. Gemessen an den Problemen der Weltentwicklung gehört Dvorak zu den Meistern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die sogenannten Formen der sinfonischen Musik und der Kammermusik wiedererweckten, denen er neue Inhaltsimpulse gab. Zusammen mit Tschaikowski entwickelte er die slawische Sinfonie. Daraus resultiert die weltweite Beliebtheit seiner Musik, die sich vor allem durch tief menschlichen Inhalt und emotionalen Reichtum auszeichnet. Der Komponist wurde 1841 in Nelahozeves, einem kleinen Dorf nördlich von Prag, geboren, wo er auch als erstes von zahlreichen Kindern eines Dorffleischers und Pächters des herrschaftlichen Gasthauses seine Kindheit verlebte. Von einem Dorfschullehrer erhielt er die ersten Anregungen zur Entfaltung seines hervorragen den Musiktalentes. Das politische Geschehen jener Zeit — der umwälzende Prozeß des Vordringens der kapitalistischen Ordnung in das ländliche Leben, der vom ent fernten Donner der Revolution von 1848 begleitet wurde — griff auch tief in das Leben des jungen Musikers und seiner Familie ein. Besonders das am Rande des wirtschaftlich und gesellschaftlich hochentwickelten Gebietes um den Berg Rip gelegene Zlonice mit seiner reichen Musikkultur, an deren Spitze der Organist A. Liehmann stand, beschleunigte nicht nur die musikalische Reife Dvoraks, sondern auch den Verfall des Gewerbes seines Vaters, denn auch Frant. Dvorak und seine Familie wurden aus der Schicht der ländlichen Gewerbetreibenden ins Prole tariat hinabgedrückt. Diese Tatsache ändert im großen und ganzen nicht die Fest stellung einiger Forscher, daß sich Frant. Dvofäk nicht viel um sein Geschäft ge kümmert und sich lieber mit seinen Gästen und Kunden beim Zitherspiel unterhalten habe. Sein „künstlerischer“ Charakter hatte wahrscheinlich nicht mehr soviel Kraft, um dem stürmischen Einfall neuer Bedingungen in das Landleben zu widerstehen. Das Ende dieses Existenzkampfes erlebte der junge Dvofäk selbst nicht mehr; denn — gut musikalisch von A. Liehmann vorbereitet — ging er auf die Prager Organisten schule und betrat die Laufbahn eines professionalen Musikers. Allerdings war sein Weg auch hier nicht leicht. Da er nicht die Möglichkeit hatte, „Verdienste um die Prager Patronatskirchen“ zu erwerben und eine ordentlich bezahlte Organistenstelle zu erhalten, trat er als Violaspieler in Komzäks Unterhaltungsorchester ein. Dieses Orchester, das auch bei ernsten Konzerten musizierte, war damals das beste in Prag. Und was für Dvofäk die Hauptsache war: Mit dessen Hilfe lernte er die verschieden sten Schichten der Moldaustadt kennen und konnte so am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Der Kontakt mit der Tanzmusik wurde Dvofäks Ausgangspunkt zu den wirksamsten und lebhaftesten Bildern seines späteren Schaffens. Im Orchesterraum der selbständigen tschechischen Oper erlebte Dvofäk die ersten zehn schöpfe rischen Jahre. Unter der Leitung Mayrs und dann Smetanas lernte er die Werke des Stammopernrepertoires kennen, besonders die wertvollsten von Gluck und Mozart. Auch erlebte er die Premieren der ersten drei Opern Smetanas und die Aufführungen beider russischer Nationalopern Glinkas. Während er so vielfältige künstlerische und auch menschliche Erfahrungen sammelte, wurde er von dem mächtigen Strom des