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schaftlich analysiert und erläutert. Der Einfluß auf sein kompositorisches Schaffen blieb nicht aus. In allen seinen Werken spüren wir die innige Verbindung zum ungarischen Bauernliod, im „Psalmus hungaricus“ genauso wie in dem unlängst von Herbert Collum aufgeführten „Tedeum“. Außer zwei Balletten hat Kodäly nur zwei Werke für die Bühne geschrieben: „Die Abenteuer des Hary Janos“ (1927) und den Einakter „Szekler Spinnstuben“. Zu den Budapostor Aufführungen des Singspiels „Hary Janos“ komponierte Kodäly nachträglich eine Ouvertüre, die 1931 als Theator-Ouvertüre veröffentlicht wurde. Kodäly verwendete darin Motive und Themen des Singspiels. Die prachtvolle farbenfrohe Instrumentierung ist bezeichnend für die koloristisch reiche, sinnenhafte Musik Kodälys, aus der nicht nur der große Komponist und bedeutende Könner, sondern vor allem der Mensch Kodäly spricht, der mit dem Singspiel des ungarischen „Münchhausen“ ein überzeugendes Bekenntnis zu seiner •ungarischen Heimat ablegte. Es gibt wohl kaum einen Komponisten der Gegenwart, bei dem die Volksmusik so unmittelbar Schaffensgrundlage aller kompositorischen Arbeit, so sehr Mittel- und Angelpunkt ist wie im Schaffen Bela Bartöks. Das Große dabei bleibt, daß Bartök diese Weisen des Volkes nicht einfach hernimmt und bearbeitet. Auf der Grundlage der VolKsmusik entstehen bei Bartök Werke, in denen die Erkenntnisse und Errungen schaften der neuen und neuesten Musik (einschließlich Sohönbe-g!) zusammen mit den Kräften der Volksmusik eine neue Einhoit bilden; und darum ist Bart iks Musik so neu, spannungsgeladen, ursprünglich, vital, gesund und im wahrsten Sinne des Wortes realistisch. 1939 weilte Bartök längoro Zeit in Saanen, wohin ihn sein Freund, dor Leiter des Basler Kammororchostors, Paul Sacher, eingeladen hatte. Dor Abstand zu den beunruhigenden politischen W elteroignissen, Buhe und Abgeschiedenheit der Schwei zer Landschaft, die Schönhoit der Natur und die machtvolle Welt der Borge ließen Bartök alles Schwere der vergangenen Monate vergessen: „Ja, das war auch für uns eine fürchterliche Zeit — jene Tage, an wolchon Österreich überrumpelt wurde!“ losen wir in einem Brief, und so konnte er als Auftrag für das Basler Kammer orchestor vom 2. bis 17. August 1939 sein „Divertimento“ für Streichorchester komponieren. Die Uraufführung fand am 11. Juni 1940 statt. Wenige Monate vorher schrieb Bartök über das Werk: „Leider habe ich überhaupt nichts Unbekanntes darüber zu berichten. Man weiß es ja, daß ich es im Aufträge geschrieben habe. Ich kann gar nichts über das Werk sagen, außer eventuell über die Form: 1. Satz Sonatenform, 2. annähernd ABA, 3. rondoartig.“ Das lebensbejahende Werk vereint Anklängo der alten Concerto-grosso-Form mit Divertimento-Elementen, obwohl die Dreizahl der Sätze dem Typ des Divertimentos nicht entspricht. Doch rechtfertigt die Mannigfaltigkeit der Einfälle innerhalb der einzelnen Sätze sowie die kammermusikalische Struktur diese Bezeichnung. Rumänische und ungarischo Tanzweisen bestimmen den Charakter der Musik. Schärfste Gegensätze prallen aufeinander: Primitives und Kompliziertes, Urtüm liches und Artistisches, Musikantisches und Geistiges. Bartöks Formkraft schweißt diese Gegensätze zusammen. Das Gegeneinander wird ein Miteinander, großartig in seiner plastischen Melodik, in der gesunden, leuchtkräftigen Harmonik und in der ungestümen Kraft des Rhythmus. Die Möglichkeiten des Streichersatzes werden mit virtuoser Eleganz bis zum letzten ausgenützt. Bezwingend ist die musikalische Aussage dieses Moisterwerkes, das im besonderen dazu geeignet ist, der zeitgenös sischen Musik bislang fernstehenden Menschen den Weg zur Musik der Gegenwart zu weisen. Sändor Veress wurde 1907 in Kolozs geboren, studierte Klavier bei Bartök, Komposition bei Kodäly und lebt heute in der Schweiz. Erich Doflein (Melos, März 1954) bezeichnete ihn, der in Dresden zum erstenmal aufgeführt wird, als