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Carl Maria von Weber (1786—1826) war dem Märchen und dem Elfenreich, dem Lande der Träume und Dämonen verfallen wie kein zweiter Romantiker. Seiner Phantasie stand die Kraft zu Gebote, die Visionen und inneren Gesichte, die Traumerlebnisse und Sehn süchte, das Fernweh und die Ahnungen einer sich verzehrenden Seele genau so in Töne zu bannen wie die Naturerlebnisse, die Mondnacht und Wald, Felsenschlucht und Berges höhe in ihm hervorriefen. Weber hat die Frische und Ursprünglichkeit der Frühromantik, die ihm unter allen Meistern dieser Epoche einen besonderen Rang einräumt. Worte können die holde Süße und Wehmut der Töne, ihre Zartheit und zugleich den unverwelk- lichen Glanz nicht schildern, die gerade in der Oberon-Ouvertüre von keinem Menschen, der ein fühlendes Herz besitzt, überhört werden können. In Weber hat die Romantik wohl jene Aussage gefunden, die am deutschesten war. Max Reger (1873—1916) hat mit seinem op. 132, den „Variationen über ein Thema von Mozart“, eins seiner vollendetsten Werke geschaffen. Er arbeitete 1913/14 an diesem großartigen Orchesterstück, das in seinem Gewicht und seiner Tiefgründigkeit einer Sinfonie gleichkommt. Im Februar 1915 wurde es in Frankfurt am Main uraufgeführt. Reger variiert auf geistvolle Weise in acht Variationen (Veränderungen) ein recht bekanntes Thema aus der A-Dur-Sonate von Mozart, das Mozart selbst schon zum Variieren geeignet fand und dazu auch verwendete. Reger nimmt die Verwandlungen dieses graziösen, lichten Themas mit den Mitteln der spätrommtischen und impressio nistischen Orchester- und Kompositionstechnik vor, so daß es manchmal schwierig ist, aus dem betörenden Klangrausch die Melodie des Themas herauszuhören. Manchmal stellt er die Melodie auf den Kopf, oft läßt er zwar die Töne richtig erklingen, aber in einer rhythmisch anderen Fassung, manchmal läßt er neue Bcgleitstimmen hinzutreten und setzt das Ganze in eine andere Tonart, so diß etwas völlig Neues entsteht, etwas, das ganz das Regersche Gesicht trägt. Dazu ist der Stimmungsgehalt der einzelnen Variationen immer wechselnd vom süßesten Schönklang bis zur trotzigen Kraftgebärde, so daß ein ungemein farbiges Bild entsteht. Die Krönung des Ganzen ist aber zweifellos die Schlußfuge. Mit ihrem Einsatz beginnt auch eine andere Welt. In den Variationen vorher die schillernde Vielfalt des Impressionismus — in der Fuge ganz klar und ein deutig der Wunsch und Wille nach einer Kunst, die nicht zerfließt, sondern kraftvoll gebändigt ist. Die Fuge ist eine Doppelfuge, wozu Reger das Material zu beiden Themen dem Mozart-Thema entnimmt. Großartig und überwältigend ist der Schluß, wo Reger, ein Kontrapunktiker größten Formats, das Mozart-Thema noch einmal ganz aufklingen läßt und dazu beide Fugenthemen in das Klanggewebe einflickt. Diese Stelle allein würde genügen, Reger unsterblich zu machen. Es war Anton Bruckner inj Traum gesagt worden, daß die 7. Sinfonie die Sinfonie des Erfolges werden würde. Vom ersten Thema des ersten Satzes nämlich, einem wahrhaft grandiosen Thema, wie es selbst Anton Bruckner dem Meister des sinfonischen Themas, selten gelungen ist, erzählte er: „Dieses Thema ist gar nicht von mir. Eines Nachts erschien mir Dorn (es war dies ein Freund aus der Linzer Zeit, der Nachfolger Kitzlers) und diktierte mir das Thema, das ich sogleich aufschrieb: „Paß auf, mit dem wirst du dein Glück machen!“ Bruckner, der dem Traum mehr traute als seinem eigenen Genie, mochte es geglaubt haben, daß hier überirdische Mächte im Spiel waren. Jenes Thema erscheint nach zwei Einleitungsakten (Tremolo der Violinen mit dem Grundton und der Terz des E-Dur-Dreiklangs) in den Celli und in den Hörnern, die von den Bratschen abgelöst werden. Später tritt dann die Klarinette hinzu. (Welch eine Kunst der Nuancierung durch die Instrumentation!) Dann wird es im Glanz des vollen Orchesters wiederholt. Nicht minder bedeutend ist der Einfall, der das zweite Thema melodisch und, über das erste hinausgehend, auch harmonisch sehr reizvoll gestaltet. Und gerade dieses „Gesangsthema“ wird in kontrapunktisch reicher Weise weitergeführt, bis es in den Violinen in Umkehrung erscheint. Eine große Steigerung führt zum Einsatz des dritten Themas, das nicht wie sonst bei Bruckner ein „Monumental-Thema“ ist, sondern in