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Beilage zu Nr. 174 des Dresdner Aüurnnls Mittwoch, 30. Juli 1913. 19 ihr ganzes Leben im Walde zugebracht und hatte der- Die Weitze Krau. Nach alten Chroniken frei bearbeitet. Roman von M. Kneschke-Schönau. (Fortsetzung zu Nr. 171.) Wissenschaft und Kunst. Peter Rosegger. (Zu seinem siebzigsten Geburtstage). Im schönen Steierlande, inmitten eines Gebirgswaldes, unweit von Krieglach, stand das kleine Haus, in dem Peter Rosegger am 31. Juli 1843 geboren wurde. Unter rauschenden Baumwipfeln, auf sonnigen Matten und blumenbesäeten Wiesen wuchs der Knabe auf, und seine Seele füllte sich frühzeitig mit süß-geheimnisvollen Phan- tasiegestaltcn, mit wundersamen poetischen Eindrücken. Seine Mutter, die Tochter eines Köhlers, von der er singt: Und d Muater Hot ma d Sprach glernt, Ihr Busserl woar da Som; Und s Holmerl, das mar auf is gong, Woar da Muater ihr Nom. Und da Som is hiatzt gwochse Zan Bleamerl, das blüaht; Und an iads Bleamerl, das dronsteht, ' Is von Busserl a Liad. Und an Jada kriagt a Liadl Und a Blüedl und a Bloam Oba d Frucht — s Busserl selb« Ghört mein Muaterl dahoam! stand gar herrliche Märchen und Sagen zu erzählen. So kam es, daß er die Welt schon in jungen Jahren mit anderen Augen ansehen lernte als seine Gespielen, daß er schon bin Dichter war, ehe er zu schreiben und dessen auf der Burg zu Nürnberg die Mutter Johanns und Albrechts, die Burggräsin Margarethe, die schon bei Leb zeiten ihres Gatten, Friedrichs IV., zeitweise das Regiment geführt hatte und zwar mit Umsicht und männlicher Energie. Ihr muhte wohl ein Vöglein von der Leidenschaft ihres blonden Jüngsten gesungen haben, denn eines Tages kam ein reitender Bote von ihr zu Albrecht und beschied ihn für Karintha stand noch immer vor dem Spiegel, starr wie ein Steinbild, keinen Tropfen Bluts im Antlitz. Hinter ihr, in die Knie gesunken, kauerte Maria und murmelte, sich unaufhörlich bekreuzigend, ein Paternoster nach dem anderen. „Torheit! Träume sind Schäume!" rang es sich endlich von Karinthas bleichen Lippen los. „O Herrin", klagte die Alte. „Träume sind Wahrheit! Laßt euch warnen!" „Nein!" rief Karintha, in der jetzt der Trotz wieder die Oberhand gewann. „Eine Bosheit Mechthilds ist's, mir das Fest zu verderben, nichts weiter! Geh', Maria! Hole mir euren Becher Wein! Bon dem starken süßen Südwein! Hörst du! Geschwind!" Die Alte eilte davon, sie aber erfaßte plötzlich, wie von einer Schwäche übermannt, die Lehne eines Armstuhles und ließ sich in die Polster fallen, unbekünmert um das Fest- Hewand, das dadurch zerdrückt wurde. Was nagte nur plötzlich so an ihrem Herzen? Was erfüllte sie mit so abergläubischer Furcht? War es vielleicht doch keine Bosheit Mechthilds, sondern ein Fingerzeig Gottes? O, warum stand plötzlich klar und deutlich jener Traum vor ihrem Auge, den sie in Heinrich Mendels Haus gehabt hatte, nach jenemAbend, wosie zumersten Male davon gesprochen, daß sie sich Mutter sühle und Heinrich Mendel ihr von Albrecht so viel Rühmenswertes erzählt hatte. Sie hatte damals nicht gewußt, wen der blondlockige Ritter, mit dem sie im Traume gekost, darstellen sollte, jetzt wußte sie's: Albrecht war es gewesen! Und er hatte sie gehindert, ihre stürzenden Kinder zu halten. Die zurückkehrende Amme fand eine Halbohnmächtige vor. Zu Tode erschrocken, bemühte sie sich um die geliebte Herrin und flößte ihr von dem starken Wein ein, der auch bald seine belebende Wirkung auf Karintha ausübte. Gierig trank diese den Becher aus, die abwehrende Hand der Amme beiseite schiebend. „Herrin, erfüllt mir eine Bitte!" flehte die Alte und die Sorge sprach so deutlich aus ihrem gefurchten Antlitz, daß Karintha milder fragte: „Was begehrest du?" „Laßt mich die Perlen aus eurem Haar nehmen!" Einen Augenblick lang schwankte Karintha, dann rief sie, die Hände krampfhaft ballend und sich jäh aus dem Sessel aufrichtend. „Nein, nein, nein! Ich lasse mich nicht durch abergläubische Gedanken beirren!" Heller Fanfarenton mischte sich mit diesen Worten. Es war das Zeichen, daß die Ritter, die am Turniere teilnahmen, durchs Tor ritten. Karintha eilte ans Fenster, und als sie von dort den Grafen Albrecht auf mächtigem, prächtig auf gezäumtem Streitroß in funkelnder Rüstung, mit wallender Helmzier einreiten rind sein strahlendes Allgenpaar sie suchen sah, da schüttelte sie den letzten Rest des Grauens und der bailgen Ahnungen ab und rief der noch immer kummer vollen Amme zu: „Ich will und mag an keine unholden Mächte glauben, heute nicht und morgen nicht! Nur an Frau Minnes Wundermacht will ich glauben, ihr nur ver trauen !" XII. Uber der alten Plassenburg lag silberner Vollmond- glanz und ließ sie wie ein Gebilde aus Märchenland ans dell Wipfeln der leise rauschenden Linden aufsteigen. Ein einzig Fenster war noch erleuchtet und sandte rotgelben Schein in die stille weiße Mondnacht hinaus. Wie ein glü hendes Koboldauge nahm es sich aus und magische Kräfte mußte es haben, denn unverwandt, wie gefesselt mit Banden und Ketten, starrte drunten von einem der spitzbogigcn Rathausfenster ein einsamer Mann zu ihm herauf. Albrecht der Zoller war es und der Lichtschein quoll aus Karinthas Kemenate. Ja, gefesselt mit Banden und Ketten war der stille Träumer hier drunten. Frau Minne hatte den stolzen Ritter, den verwöhnten Frauenliebling, der bisher nur Wunden geschlagen, keine erhalten hatte, besiegt. Wie hatte er immer überlegen über die Liebesschmerzen der Waffenfreunde gelächelt, wie sehr innerlich über die girrenden Weiblein ge spottet, die ein Blick aus seinen Siegeraugen zu seinen Skla vinnen gemacht, und nun mußte er am eigenen Herzen spüren, wie peinvoll Liebesweh nnd wie groß die Gewalt zweier Augensterne sein kann. Karinthas nachtdunkle, unergründliche Augen hatten es ihm beim ersten Sehen angetan, und daß sie seine Huldi gungen und unverblümten Zeichen seiner Leidenschaft so stolz, so kühl und als so selbstverständlich aufnahm, reizte ihn bis zur Raserei, denn solchen Widerstand kannte der Held bisher noch nicht. Wie hatte er gefrohlockt, als sie heute früh seiner Bitt gewalt erlegen und doch noch zu dem Turnier erschienen war. Wie herrlich hatte sie ausgesehen und alle anderen Frauen an Schönheit und Liebreiz überstrahlt, eine echte Festkönigin Noch nie hatte ihn ein Turmerdank so gereizt, wie der goldene Kranz, mit dem Karinthas Hand den Sieger krönen sollte. Wie ein Löwe hatte er darum gekämpft und die fränkischen Ritter, unter denen sich mancher im Tjosten gefürchtete Held befand, dutzendweis aus dem Sattel ge hoben und in den Sand gestreckt. Er mußte, mußte diesen Preis erringen. Sollte er ihm ja ein Zeichen sein, daß er sich auch die Huld der schönen Plassenburgerin erringen würde. Es hatte den starken, in vielen Schlachten erprobten Recken ordentlich durchschauert, als er das Knie vor Karintha beugte, nm den Kampfpreis sich auf die goldenen Locken drücken zu lassen Stolz wie eine Krone trug er ihn, und mehr hätte eine solche ihn nicht zu beglücken vermocht. AnKarinthas Seite schritt er zum Bankettsaal und neben ihr, die Blicke unverwandt auf sie gerichtet, blieb er während des festlichen Mahles. Daß sein Benehmen ein sehr auffallendes, seine Liebesglut eine allen sichtbare war, hinderte ihn nicht im geringsten. Mochten doch alle, alle sehen, daß seine Turnier königin auch seines Herzens Königin geworden war. Tadellos in Haltung, Blicken und Gebärden war Ka rintha gewesen. Auch der schlimmste Lästermund hätte an ihr nichts auszusetzen gefunden — sie war so ganz die edle Herrin, die züchtige Frau geblieben und zn früher Stunde hatte sie den Festsaal verlassen. Kein Flehen der blauen lesen vermochte. Die AnsangSgründe der letzteren Kunst brachte ihm der Schulmeister seine- Dörfchen-, Michel Pattner, bei, und kaum hatte er die Geheimnisse de- AlphabetS ergründet, al- er auch schon nach allerlei Gedrucktem griff und eS eifrig durchstudierte. Zuerst waren e» christliche Bücher, die er laut, im Prediger tone vorlaS, auch weun ihm niemand zuhörte. Später la- er mit besonderer Vorliebe Almanache und Kalender, und nicht lange dauerte eS, so verfaßte er selbst einen solchen: er dichtete Lieder in steirischer Mundart, schrieb Novellen, verfaßte gemeinnützige Aufsätze, fertigte Reise beschreibungen über Länder und Städte an, die er nie gesehen hatte und versah schließlich sein Werk auch selbst mit Illustrationen. Für einen Kreuzer Lesegebühr verlieh der kleine Mann sein Werk an die Bewohner Krieglach- AlplS, hierdurch die Mittel zur Anfertigung neuer Kalender gewinnend. Er fühlte sich unendlich glücklich so und lebte und webte in seinen Kalendern. Aber immer konnte diese schöne Zeit, die ihm so manche Stunde köstlichen Genusses gespendet hatte, nicht fortdauern, er mußte in- Leben hinaus, denn sein Vater war ein armer, keineswegs mit Glücksgütern gesegneter Waldbauer. In der Jugend hatte Peter daS Vieh der Älpler gehütet und Feldarbeiten ver richtet; nun brachte ihn nach der Firmung die Mutter zu einem Schneider in die Lehre. Zwar lag dem Knaben hieran nicht eben viel; vielmehr hätte er gewünscht, in den Priesterstand einzutreten. Aber da „die Studien halt so teur woarn, daß man sie nimmer kunnt bezahln", so gab er sich zufrieden und wurde Schneider. Sein Lehr herr ward Ignatz Orthofer. Fünf Jahre zog Rosegger mit diesem Manne von Dors zu Dorf, von Hof zu Hof, half verbesserungsbedürftigen Hosen, Westen und Röcken mit Nadel und Zwirn wieder auf und lernte dabei die Zustände und Sitten des Bauernlebens von Grund ans kennen. Seine literarische Tätigkeit hatte während dieser Zeit nicht brach gelegen: zahlreiche Gedichte waren ent standen, und außerdem hatte er ein religiöses Werk: „Weg in die Ewigkeit" verfaßt, sowie eine Erzählung ans dem Leben: „Freue dich des Lebens". Zudem gab er eine Zeitschrift „heraus", d. h. er überließ seinen „Abon nenten" gegen eine Gebühr von 2 Kr. für die Woche eine von Zeit zu Zeit erscheinende, von ihm selbst ge schriebene Sammlung seiner neuesten Novellen und Ge dichte. Diese Zeitschrift führte den Titel: „Meine Ge danken". So lebte der junge Poet seiner Muße und seinem Handwerk zugetan hoch oben in den weltabgeschiedenen Bergen, bis ihm eines Tages eine Nummer der von vr. Albert Svoboda herausgegebenen „Grazer Tagespost" in die Hände fiel, in der ein in steirischer Mundart ver faßtes Gedicht abgedruckt war. Da erwachte in ihm der Wunsch, sich auch einmal in einem solch großen Blatte gedruckt zu sehen, und kurz entschlossen packte er ein Bündel seiner geschriebenen Kalender und Zeitschriften zusammen und sandte sie vr. Svoboda. Dieser erkannte trotz der unkorrekten Schreibweise das große Talent, das in dem Verfasser dieser Lieder und Erzählungen schlummerte, und trat in den Spalten seines Blattes warm für ihn ein, indem er zugleich ein paar von den erhaltenen Gedichten abdruckte. Die Folge war, daß sich Gönner und Freunde, so vor allem der Grazer Groß industrielle Peter Reininghaus, fanden, die dem jungen Dichter Bücher zum Lesen und kleine Geldbeträge zur Anschaffung von Schreibmaterialien zusandten. Peter schwamm in einem Meer von Wonne, als er den heißen Wunsch, seinen Namen gedruckt zu sehen, erfüllt sah, als er sich im Besitze von herrlichen Büchern und Geld wußte, von dem er für Jahre hinaus Schreibpapier und Federn kaufen konnte; und sein Glück kannte keine Grenzen niehr, als der Laibacher Buchhändler Gontini ihm gar unent geltliche Ausbildung in seinem Geschäfte anbot. Aber er hatte eines vergessen: daß er die Heimat, den grünen Waldesdom, die lauschigen Plätzchen seiner Mußestunden nicht mit nach Laibach nehmen konnte, daß er Vater und Mutter verlassen und fortan unter fremden Leuten leben mußte. Eine unnennbare Sehnsucht nach den Lieben daheim, nach dem stillen Dörfchen auf der Krieglach-Alm erfaßte ihn, nachdem er kurze Zeit in Laibach war. Er singt in dieser Zeit: Schauts doch, wias dunkel wird, d Sun hat ihrn Schein valorn, Is ma dan s Aug uit recht oder is s fiusta woru? S waht gar a kolti Luft, is jo doch Sumerszeit, Wan ma s nar oau Mensch kunt sogn, wos dös Ting bedeut? Findad in Weg uit nieh, legad mi schloff» stad. — Long ch s da Nachtvogl schreit. Legad mi nieder und wos heuut ins Herz is grobu, Kunt ih, wann ih munta wurd, morgen leicht vaschlosn hsbn? Oft wars erst Olls vabei, s Glück und s Gedenk» dron, Olls valorn, olls vawaht So kams, daß ihn endlich die Sehnsucht nach der Heimat von Laibach forttrieb; er wollte wieder zur Krieglach-Alm zurück. Aber er kam nur bis Graz. Seine Freunde, vor allem vr. Svoboda, hatten erfahren, daß er weltslüchtig werden wolle, und nach langem Zu reden gelangs ihnen, ihn zum Bleiben zn bewegen. Man ermöglichte ihm den Besuch der Handelsakademie zu Graz nnd sorgte durch Veröffentlichung von Gedichten und Novellen aus seiner Feder, daß sein Name immer mehr nnd mehr Wurzel im Publikum faßte. Noch hatte er nicht die Schule verlassen, als schon ein Band seiner Dialektgedichte unter dem Titel „Zither und Hackbrett" erschien. Kein Geringerer als Robert Hamerling schrieb daS Vorwort dazu. Das war im Jahre 1869. Schon 1870 ließ er dem ersten Werke ein zweites folgen: „Tannenharz und Fichtennadeln" und bald darauf ein drittes: „Sittenbilder aus dem steirischen Oberlande". Er lebte jetzt wieder auf Krieglach-Alm. Um feinen dichterischen Blick zu weiten, unternahm Rosegger mit Unterstützung der Regierung eine große Reise durch ganz Deutschland bis hinauf zur Insel Rügen und von dort über die Niederlande und die Schweiz nach Steiermark zurück. In der Heimat erwartete ihn bei seiner Rückkehr eine große Freudenbotschaft; der Pester Verlagsbuch händler Heckenast, ein hochgebildeter, feinsinniger Mann, der später zu dem Volksdichter in innige Freundschaft-- beziehungen trat, hatte ihn in schmeichelhafter Weise ge beten, für seinen Verlag ein Buch zu schreiben. Rosegger gab ihm die „Geschichten au- Steiermark", und da Heckenast den jungen Schriftsteller gut honorierte und Zollernaugen, keine Bitten Gottfrieds hatten sie zu halten vermocht. Und nun stand Held Albrecht und starrte hinaus zum Fenster seiner Angebeteten, deren Augen auch der Schlaf fern blieb, wie das brennende Licht bewies. In Gedanken ließ er die Ereignisse des Tages noch einmal an sich vorüber- ziehen, und wieder rann ein Schauer durch seine Glieder, wenn er der süßen Nähe der Bielholden gedachte. Unwillkürlich faltete er die Hände und sah zum Hellen Nachthimmel auf. „Herr, ich danke dir, daß di» mich zum Schirmvoat der Plassenburg berufen, zu diesem Juwel von einem Weibe, geführt hast! Hilf mir, sie zu erringen! Ich will sie halten und hegen als meines Lebens schönstes, teuerstes Gut!" Und aus der stillen Frauenkemenate, in der Karintha im weißen Nachtgewande vor ihrem Lager auf den Knien lag, drang ein ähnliches Gebet, nicht minder brünstig, zum hohen Hrmmelsherrn. Rötlicher, flackernder Lichtschein erfüllte während dieser ganzen Nacht das Gemach. Er rührte von der dicken Wachskerze her, die Karintha vor dem Mutter gottesbilde in der Ecke entzündet und der Himmelskönigin geweiht hatte, damit sie huldvoll auf das neuerblühte Liebes glück chauen und die Herzen, die sich so wunderbar schnell gefunden, vereinigen möchte. Und nun kamen Zeiten des reinsten Herzensglücks. Der Wonnemond mit seinem Blütenzauber ging zu Ende, der Juni mit seiner Rosenblüte zog ins Land. Das selige, ganz in seinem Glücke ausgehende Paar merkte es kaum. Nur manchmal hauchte Karintha, den Kopf an die Schulter ihres Helden gelehnt: „Solch' ein Mai! Erinnerst du dich, je einen solchen Wonnemond erlebt zu haben, Trauter?" Und Albrecht drückte dann die schlanke Gestalt fester an sein wild klopfendes Herz: „Nein, du Seele meiner Seele! Aber unser Leben soll ein Wonnemond bleiben, auch wenn das Blühen zu Ende geht. Noch ehe die letzte Rose verblüht, bist du mein Weib. Daun mags Winter werden und der Schucesturm um die Mauern heulen. Wir werdens nicht fühlen. Hand in Hand, dein Köpfchen an meiner Brust, werden wir am Kamin sitzen und zurückdenken an den Mai, unsern Mai, Karintha. Und ohne Wehmut werden wirs tun, denn unsere Liebe wird dieselbe sein wie im Mai und nur das Leben noch schöner, noch seliger im trauten Verein." Heiß erregt, küßte er in ausbrecheuder Leidenschaft das schöne Weib, und sie erwiderte seine Küsse mit derselben Glut Längst hatte sie allen Stolz fahren lassen und war nur das liebende, hingebende Weib, das zum ersten Male die Wonnen wahrer Liebe genießt nnd sic dankbar und demütig hinnimmt, als ein Gnadengeschenk des Himmels. Kein Abend verging, an dem sie nicht vor dem Betpulte unter dem Muttergottes bilde in der Nische ihrer Kemenate auf den Knien in inbrün stigem Gebete Gott und der Gnadenmutter für ihr Glück gedankt hätte. Wie beflügelt schritt sie in jener Zeit dahin und blühte noch einmal auf wie eine Maienrose Maria, die alte Amme, staunte sie ost wie ein Wunder an, denn jeden Tag wollte ihr die Herrin jünger erscheinen. Nie hatten die großen Augen einen so strahlenden Glanz ge habt, nie der kleine, korallenrote Mund so holdselig ge lächelt und nie zuvor war die Herrin von solcher Liebens Würdigkeit und Güte gewesen. Es war, als müsse sic aus dem Überschwang ihrer glücklichen Gefühle heraus alle Welt mit Güte überschütten. Tas Gesinde wurde beschenkt wie nie zuvor, und an keinen: Gaule, keinem Hunde auf der Burg konnte Korintha vorübergehen, ohne ihnen einen Leckerbissen zu reichen oder sie liebkosend zu streicheln. Natürlich fiel dieses veränderte Wesen der Burgfrau allen Insassen der Burg auf, ebenso wie das häufige Kommen und lange Bleiben des Schirmvoigtes. Im Burgfrieden und im Städtlein pfiffen das süße Geheimnis des jnngen Paares bald die Spatzen von den Dächern. Die beiden einzigen, die dieses Liebesidyll hätten stören können, Burggraf Johann und Gräfin Mechthild, weilten fern von der Burg. Tie letztere war bereits nach jenem Turniertage ins Kloster der Eiste:zienseriuncn in Nürnberg eingetreten, und Johann hatte im Auftrage des Kaisers, Ludwigs des Bayern, nach Böhmen reisen müssen, um in dem Kronstreit zivischeu dem Kaiser und Karl von Böhmen den Vermittler zu spielen. An Johanns Stelle waltete in- den nächsten Sonntag nach Nürnberg. (Fortsetzung folgt.)