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Dresdner Journal : 30.06.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-191306304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19130630
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19130630
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-06
- Tag 1913-06-30
-
Monat
1913-06
-
Jahr
1913
- Titel
- Dresdner Journal : 30.06.1913
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elbstäudigen Betriebe eines Gewerbes das Recht in sich, in beliebiger Zahl Gehilfen und Arbeiter jeder Art anzunehmen, und unterliege die Wahl des Arbeits- und Hilfspersonal» leinen anderen Beschrän kungen als denen der Gewerbeordnung. Hiermit stehe weder die Vorschrift im j 33 dieses Gesetzes noch das Ortsgesetz der Stadt Dres den vom 10. November 1887, die Einführung eines BedürfniSnack)- weises betreffend, in Widerspruch, die beide nur die Erteilung neuer Schankgenehmigung beträfen. Wie es sonach einem Schankwirt freistehe, ohne besondere Erlaubnis die in seinem Betriebe beschäf tigten Kellner durch Kellnerinnen zu ersetzen, so könne es ihin, nach dem einmal die Technik soweit vorgeschritten sei, auch nicht verwehrt werden, sich an Stelle der Menschenhand einer technischen Hand, des Automaten, zur Befriedigung seiner Gäste zu bedienen. Es handle sich hier lediglich um den auf anderen Gebieten wirtschaftlicher Tätigkeit bereits zur Selbstverständlichkeit gewordenen Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch entsprechende technische Hilfsmittel. Auch der jetzige Reichskanzler habe, als er noch preußischer Minister des Innern gewesen sei, auf eine Eingabe des Deutschen Gastwirts- Verbandes wegen Verbots oder Beschränkung der Automatenwirt schaften erwidert, daß diese den Betrieben mit Sellnerbcdienung völlig gleichständen und deshalb auch bezüglich der Erlaubnis gleiche Behandlung zu beanspruchen hätten. Hieraus ergebe sich, daß der Automat rechtlich wie der Kellner oder die Kellnerin behandelt werden müsse. Eine derartige Rechtsprechung sei um so bedenklicher, als die Gewerbeordnung keinerlei dem entgegenstehende besondere Bestim mungen getroffen habe. Aber auch volkswirtschaftliche oder verwal tungstechnische Gründe sprächen nicht dagegen, daß eine Wirtschaft mit menschlicher Arbeitskraft in eine solche mit automatischer Bedie nung ohne besondere Erlaubnis umgewandelt werden könne. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage, über die vor kurzen, öffent lich verhandelt wurde, avgewiesen und sein Urteil in, wesentlichen wie folgt begründet. Der Kläger irre, wenn er § 41 der.Gewerbe- ordnung für einschlagend erachte. Wenn auch Maschinen und andere technische Hilfsniittel, wie ein Automat, sehr häufig menschliche Arbeitskraft ersetzten, so könne man sie deshalb doch noch nicht ohne weiteres den Arbeitern in rechtlicher Beziehung gleichstellen. Hätte der Gesetzgeber im 8 41 auch technische Betriebsmittel in, Auge ge habt, würde er zweifellos einen allgemeineren Ausdruck gewählt haben, der auch diese mit umfasse, nicht aber die Bezeichnung „Ge sellen, Gehifen, Arbeiter, Lehrlinge, Arbeits- und Hilfspersonal", worunter man „ach allgemeinen, Sprachgebrauch doch nur mensch liche Arbeitskräfte verstehen könne. Wenn das preußische Ministerium des Innern erklärt habe, Automatenbetriebe ständen Schankwirt schaften mit Kellnerbedicirung gleich und hätten daher auch bezüg lich der Schankerlaubnis gleiche Behandlung zu beanspruchen, so sei gegen die Auffassung nichts einzuwenden; daß man aber darauf folgern könne, die Automaten seien rechtlich wie menschliche Arbeits kräfte zu behandeln, sei nicht zuzugebe». Es sei vielmehr eine be sondere Erlaubnis für die vom Kläger beabsichtigte Umwandlung seiner bisher in gewöhnlicher Weise betriebenen Schankwirtschaft in einen Automateubetricb erforderlich und zwar deshalb, weil eine wesentliche Änderung der Beschaffenheit des Lokals in, Sinne von 8 33 Absatz 2 Ziffer 2 der Gewerbeordnung in Frage komme, wie aus folgenden Erwägungen hervorgche. Da sich die Schankerlaubnis immer nur auf bestimmte, ihrer Beschaffenheit und Lage nach ge mäß § 33 Absatz 2 Ziffer 2 zu prüfende Räume beziehe, so bedürfe jede wesentliche Veränderung dieser Räume einer neuen Erlaubnis. Eine solche wesentliche Veränderung der „Beschaffenheit des Lokals" liege aber schon in der bloßen Einführung automatischen Betriebs. Denn unter „Beschaffenheit" im Sinne der angezogenen Gesetzes vorschrift sei nicht nur die bauliche Anlage, sondern auch die innere Einrichtnng und Ausstattung der Schankräume zu verstehen. Bei Erörterung der Frage, ob eine „wesentliche Veränderung", d. h. eine Abweichung von den. Zustande anzunehmen sei, welcher der Er- lanbniserteilung zugrunde gelegen habe, werde man zwar regel mäßig auf den Erlaubnisschein und die in diesen, etwa in bezug ge nommen Pläne zurückgreifen müssen, es seien aber auch Umstände zu berücksichtigen, die in dem Erlaubnisschein nicht ausdrücklich er wähnt, sondern von der Behörde und den, Rachsuchenden als selbst verständlich vorausgesetzt worden seien. Im vorliegenden Falle sei davon ausgegangen worden, daß die erteilte Erlaubnis in der allgemein üblichen Wirtschaftsform, nicht in der besonderen des Automatenbetriebes ausgcübt werden solle, und der Kläger sei sich dessen bei der Anbringung seiner Gesuche auch bewußt gewesen. Die innere Einrichtung und Ausstattung der vom Kläger geplanten Automatenwirtschaft sei eine wesentlich andere. Bei einem solchen Betriebe habe, insbesondere mit Rücksicht auf die in, allgemeinen viel größere Zahl der Gäste, die sich gleichzeitig in den Schankrüumen aufhielten, und ihren außerordentlich häufigen Wechsel, die Ent schließung über die an die Beschaffenheit der Räume zu stellenden polizeilichen Anforderungen von ganz anderen Gesichtspunkte» aus zugehen, als bei einer gewöhnlichen Wirtschaft. Es komme hinzu, daß nicht bloß die Ausstattung und Verteilung der Wirtschastsräume eine andere werden solle, sondern daß auch bauliche Beränderlnigen geplant seien. Daraus folge, daß die vom Kläger beabsichtigte Ein führung automatischen Betriebs für die Beschaffenheit seiner Schank räume eine wesentliche Abweichung von den. Zustande bedinge, wie er bei der Erlaubniserteilung vorhanden gewesen wäre. Stadt rat und Kreishauptmannschast seien daher mit Recht davon ausgc- gangen, daß der Kläger zu seinem Vorhaben einer neuen besonderen Erlaubnis nach § 33 der Gewerbeordnung bedürfe, zumal er ja auch selbst um eine solche nachgesucht hätte. Wenn die Vorinstanzen dabei ihre Prüfung auf die Bedürfnissrage erstreckt hätten, so befänden sie sich damit in Übereinstimmung mit der in Wissenschaft und Rccht- sprechung vorherrschenden Anschauung, und eS sei ihnen hierin um so weniger entgegenzutreten gewesen, als der Kläger diesen Umstand überhaupt nicht rüge. Hiernach wäre die Klage als unbegründet abzuweisen gewesen, ohne daß es eines näheren Eingehens aus die volkswirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Ausführungen des Klägers bedurft hätte, die für die Entschließung des Oberverwal tungsgerichts schon un, deswillen nicht von Einfluß sein könnten, weil letzteres sich nur mit der Rechtslage des Streitfalls zu befassen habe. Deutsches Reich. Ler Kaiser in Kiel. Kiel, 29. Juni. Se. Majestät der Kaiser hielt anr heutigen Vormittag Gottesdienst an Bord der „Hohen- zollern" ab. Zur Frühstückstasel waren geladen der Fürst von Monaco mit Umgebung, nämlich Mons. Jules Noche, Mademoiselle Roche, Fregattenkapitän d'Arodes de Pey- riague, der Chef des ZivilkabinettS vr. Ialoustre, Leut nant zur See Bouröe, Privatsekrctär Fuhrmeister, Leib arzt vr. Louet und Rittmeister Franck. An« Vormittag um 11 Uhr 35 Min. begann die Seewettfahrt und das Handicap des Norddeutschen Negattavereins auf der Kieler Förde bei strömendem Regen und sehr schwachen westlichen Winden. ES wurde Flauteubahn gesegelt. An Bord des „Meteor" segelten aus Einladung des Kaisers, der selber an Bord der „Hohenzollern" blieb, Prinz Heinrich von Preußen, Fürst Münster v. Derne burg, Staatssekretär Frhr. Zorn v. Bulach, Gesandter v. Eisendecher, Oberpräjidident v Jagow, Lord Pirrie, Bankdirektor v. Gwinner, eiiglischer Marineattachö in Berlin Captain Watson und Korvettenkapitän v. Müller, Marineattachü in London. Kiel, 30. Juni. Ihre Majestät die Kaiserin ist heute morgen im Sonderzug hier eingetroffen. Se. Majestät der Kaiser war am Bahnhose anwesend und geleitete seine Gemahlin aus dem Wasserwege zur „Hohenzollern". Im Gefolae der Kaiserin befinden sich Hofstaatsdame Gräfin Keller, Hofdame Gräfin v. Rantzau und Kammer herr Frhr. v. Spitzenberg. Am Bahnhofe meldete sich bei der Kaiserin der Kommandant des Linienschiffe- „Kaiserin", Kapitän SieverS. -retwillige Beiträge sür die -eeresverftärkung. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: An freiwilligen Beiträgen zu den Kosten der HeereSverstärkung sind von der deutschen Kolonie in Antwerpen im ganzen 350 811,31 M. bei der Neichshauptkasse eingegangeu. * Die in Berlin am 28. Juni ausgegebene Nr. 37 des Reichs- Gesetzblatte» enthält: Verordnung vom 9. Juni 1913, be treffend dir Landwtrtschastsbank für Deutsch-Südwestafrika; Be kanntmachung vom 20. Juni 1913, betreffend die Besetzung der Seeschiffereisahrzeuge mit SchiffSführern und Maschinisten, sowie Bekanntmachung vom 20. Juni 1913, betreffend die Zulassung von nicht metrischen Meßgeräten im eichpflichtigen Verkehre. Reichstag. Sitzung vom 28. Juni 1913. An, Bundesratstische: Staatssekretär des Innern vr. Delbrück und Staatssekretär des Reichs-Justizamts vr. Liscv. Präsident vr. Kaempf eröffnete die Sitzung um 10 Nhr 15 Mi nuten. Ohne Debatte wurden erledigt: Petitionen; die Beratung des Antrags zur Vertagung des Reichstages bi» -um 20. November 1913 sowie die dritte Lesung des Abkommens zur Vereinheitlichung des Wechselrechts nebst der zugehörigen Einheitlichen Wechselordnung. Weiter wurden ohne Debatte in dritter Lesung endgültig ange nommen die Änderung de» Schutzgebietsgesetzes (Reichsver- einSgesetz und Gesellschaftsregister) und die Vorlage wegen Ände rung zweier Reichstagswahlkreise in Thüringen wegen Ge bietsaustausches. Es folgte die dritte Lesung der Wehrvorlaaen. Abg. Scheidemann (soz.): Wir werden dieses Gesetz weiter be kämpfen. Der Haß gegenüber dem Militarismus ist in der inter nationalen Sozialdemokratie unausrottbar. Unser Haß gründet sich von neuem auf das unerhörte Bluturteil, das gestern gegen sieben Reservisten und Landwehrmänner, Familienväter in Erfurt, gefällt worden ist, die am Tage der Kontrollversammlung in einem Wirts- Hause in Prügelei und in Konflikt mit dem Gendarmen und Dorf polizisten geraten sind und zusammen zu 16 Jahren Zuchthaus ver urteilt worden sind. (Motzer Lärm bei den Sozialdemokraten. Pfui-Rufe. Unerhört! Abg. Ledebour ruft: Da lacht noch einer!) Ich hoffe, daß sichGenosse Ledebour getäuscht hat. (Abg. Ledebour ruft: Einer der Herren Offiziere hat gelacht!) Wenn ich nicht wüßte, daß es Menschen sind, die dieses Urteil gefällt haben, müßten es Bestien in Menschengestalt sein. (Präsident vr. Kaempf rügte diesen Ausdruck.) Die Abgeordneten, die für die Vorlage stimmen, müssen gegen ihre bessere Überzeugung handeln. (Der Präsident rief den Redner zur Ordnung.) Auch das Zentrum war unangenehm überrascht durch diese Vorlage. Die Konservativen und die Ratio nalliberalen sind die geborenen Militärparteien. Uns droht von keiner Seite Gefahr. Au die Überlegenheit Rußlands glauben wir nicht, dessen Zar so große Liebe seines Volkes genießt, daß man ihn nicht durch die Straßen Berlins gehen lassen mochte. Die Folge der Vorlage wird sein, daß die ganze Welt rüstet. Frankreich wird trotz unserer Rüstungen stärker sein als wir. (Der Reichs kanzler ist inzwischen im Saal erschienen.) Eine schlimmere Unehr lichkeit, wie sie jetzt von, Parlament vorgenommen werden soll, ist noch nicht dagewesen. (Präsident Ur. Kaempf: Ich nehme an, daß Sie nicht den Reichstag meinen.) Nein, ich habe an das spanische Parlament gedacht. (Große Heiterkeit.) Wahr ist, daß durch die be- absichtigtc RüstungDcutschlands Frankreich erst gezwungen worden ist, unter Verzweislungsanstreugungen und am Rande der Erschöpfung seine Rüstungen vorz,»nehmen. Jaurös hat nicht gesagt, daß Deutsch land Frankreich angreifen werde; er will, wie wir, sein Vaterland nicht wehrlos ausliefern, wir werden diesseits und jenseits der Gren zen mit allen Mitteln den Krieg zu verhindern suchen. Ein 1870 ist heutzutage unmöglich. Die Soldatenrevolten in Frankreich sind ein Zeichen wahrer Vollskraft. Die wahren Urheber dieser Revolten sitzen hier! (Große Heiterkeit und Zurufe bei der Mehrheit.) Mancher begrcift's nicht so schnell, ich meine Sie (nach rechts)! Die Soldaten revoltieren, »veil die deutschen Abgeordneten vor den, preußischen Generalstab schlappsteheu. (Schallende erneute Heiterkeit.) Trotz der Liebknechtschen Enthüllungen ist noch nichts geschehen, statt dessen hat der Chef des Hauses Krupp einen hohen Orden bekommen. Tav sieht den, Eingreifen in ein schwebendes Verfahren verteufelt ähnlich. (Sehr richtig!) Uns ist es, wenn wir auch unterlegen sind in der Wehrvorlage, doch bei der Deckung gelungen, unseren Einfluß auSzuttben und neue indirekte Steuern zu verhindern. Darin liegt unser Sieg. Der Grundsatz der direkten Steuern zur Deckung des Reichsbcdarss mutz auch künftig gewahrt werden. Des halb umß e- aber noch besser bei den ReichStagswahlen werden, als 1912. In letzter Stunde nife ich Ihnen zu: Suchen Sie Bersöh- nung mit Frankreich, das den Frieden will! (Bravo!) Ich schließe: Rieder mit dein Militarismus, der Ausgeburt des Kapi talismus, es lebe der Sozialismus! (Beifall bei den Sozialdemo kraten.) Präsident vr. Kaempf ries den Abg. Scheidemann nachträg lich zur Ordnung, »veil der Redner den Parteien des Hauses, dem Reichstage, wenn auch unter der Erklärung, das spanische Parlament gemeint zu haben, Verlogenheit vorgeworfen habe. Abg. Schultz-Bromberg (Rpt.): Das harte Urteil in Erfurt be dauern wir alle, doch mögen die Verhältnisse, die dort vbgewaltet haben, »vohl anders liegen, als cs scheint, .hr. Scheidemann ist ein guter Debatter, in auswärtigen Angelegenheiten aber völlig ahnungs los. In Frankreich hat noch kein Minister die unbedingte Anerkennung des Frankfurter Friedens befürworten können, ohne fortgcjagt zu werden. Die geog,aphische Lage zwischen dem von jeher kriegeri sche», Frankreich und Rußland bedingt eine ganz besondere Auftvendung für militärische Zwecke. Ich will hoffen, daß unsere Armee ist und bleibt, was sie »var, das schönste Kriegsinstrument, das jernals einen, Fürsten in die Hand gegeben ist, und damit die beste Garantie für den Frieden der ganzen Welt. (Lebhaftes Bravo! recht».) Nunmehr ergriff das Wort Reichskanzler vr. v. Bethmann Hollweg: Ich mochte einige Ausführungen des Abg. Scheidemann nicht unerwidert ins Land gehen lassen. Der Abg. Scheidemann hat ebenso, wie vor einiger Zeit ein Parteifreund von ihn, es getan hat, uns dargelegt, er könne in keiner Weise eine Über zeugung dafür gewinnen, daß diese Wehrvorlage nötig sei. Es ist nur vorgeworfen worden, ich hätte meine Pflicht nicht erfüllt, indem ich nicht versuchte, Sic von dieser Notwendigkeit zu über zeugen. M. H. (zu den Sozialdemokraten), wollen Sie sich denn überzeugen lassen? (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Sie stelle», sich dauernd auf den Standpunkt, daß Sie sagen: Diesen, Staat und dieser Armee geben wir keine Verstärkung, und wenn Sie aus dem Standpunkt stehen, dann gehen Sie allerdings blind an Tatsachen vorüber, die vor aller Augen liegen, und welche die Verbündeten Regierungen gemeinschaftlich mit der großen Mehrheit Ihres Hauses davon überzeugt haben, daß wir Ihnen die Vorlage machen lediglich zum Schutz und zur Sicherheit des Vaterlandes. Für den Vorwurf — der Abg. Scheide mann sprach davon wir seien mit dieser Vorlage der agvnt provovLtour für Wettrüsten, finde ich keinen Ausdruck, der geeignet wäre, eine solche Äutzerung eines deutschen Reichs tagsabgeordneten -urückzu»veilen. (Lebhafte- Sehr wahr recht». Widerspruch und Lärmen bei den Sozialdemokraten )"—. M. H., der Vorwurf, daß wir mit unserer Wehrvorlage -um Kriege treiben, ist mir oft gemacht worden, diesen Vorwurf weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Wir suchen keine Feinde in der Welt, wir sind und wünschen mit allen unseren Nachbarn in Frieden und Freundschaft zu leben. Deutschland hat in einer langen Zeit den Beweis geführt daß e» nicht eine Politik des Angriff-treibt, und die Herren Sozial demokraten sollten ebensowenig an dieser geschichtlichen Tatsache vorübergehen wie an der noch nicht abgeschafften geschichtlichen Wahrheit, daß Stärke der beste Schutz vor Angriff ist. (Lebhafter Beifall.) Der Abg. Scheidemann hat sich mit großer Emphase heute wieder al» ein Feind des Militarismus hingestellt. Was ist Militarismus? Meinen Sie mit dem Militarismus unsere Armee ? In einen, großen Organisinus, wie unser Heer ihn dar stellt, ist dauernd zu arbeiten und ist auch dauernd zu bessern, Das sieht die Armee selber al» ihre Aufgabe an, und sie arbeitet daran, und »vir werden alle auch mit daran arbeiten. (Lebhafter Beifall.) Wenn Unvollkommenheiten zur Sprache gebracht wer- den — darauf bezieht sich ja ein großer Teil der Resolutionen, die der Reichstag angenommen hat —, die Armee hat da» nicht zu scheuen. Sie arbeitet dauernd an ihrer Vervollkommnung. Sie wird auch die in den Resolutionen enthaltenen Anregungen pflicht gemäß prüfen und versuchen, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Aber Sie, meine Herren Sozialdemokraten, stellen sich bei Ihrer Kritik gar nicht auf diesen Standpunkt. Ihnen ist eS gar nicht darum zu tun, zu bessern. (Stürmische Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten. Großer Lärm und Unruhe.) Sie haben ja tmpich im Verlaufe der letzten Wochen gezeigt, daß Ihnen unser stehende» Heer m,t seinen Einrichtungen ein Greuel ,st. Sie er kennen in unserem stehenden Heer und unserer Armee eine Macht, welche Ihren Zwecken gottlob nicht freundlich gesinnt ist. Sie wollen durch Ihre zersetzende Kritik nicht bessern, Sie wollen zerstören. (Lebhafte Zustimmung.) Aber trotz der hochtönenden Worte, mit denen der Abg. Scheidemann geschlossen hat, er wolle ins Volk gehen, und daS Volk werde ihm Dank dafür wissen, daß er al» em Gegner unserer Heereseinrichtungen ausgetreten wäre, daß er versucht habe, wenn auch ohne Erfolg, diese Vorlage zu hintertreiben, m. H., trotz dieser hochtönenden Worte werden Sie mit Ihren Bemühungen, da» Vertrauen des Volkes zum Heere zu erschüttern, keinen Erfolg haben. (Lebhafter Beifall. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) In dem Volke und in einer Unzahj von Leuten, die Ihnen bei den Wahlen die Stimmzettel gaben, lebt felsenfest das Bewußtsein, was Deutschland der Armee verdankt. Das Volk weiß, daß »vir kein einiges Deutschland hätten, »venn »vir nicht eine starke und gesunde und gute Armee gehabt hätten. Das Volk weiß, daß mit unserer Wehrmacht, »nit unserer Wehrstärke, Wohl stand und Macht Deutschlands steht und fällt. DaS Volk erkennt in der Ehre der Armee seine eigene Ehre. (Lebhafter Bei fall.) Aus diesem Gedanken heraus ist die Armeevorlage geboren und ist die Zustimmung geboren, welche die große Mehrheit dieses Reichstages der Wehrvorlage zollen will. Sie haben in Ihrer langen und aufopfernden Arbeit geprüft, ob es notwendig ist, »vas »vir Ihnen Vorschlägen. Große Forderungen, Forderungen so groß, wie sie noch nicht dagewesen sind. Sie stehen in dieser Stunde davor, das Ergebnis dieser Prüfung zu ziehen. M. H.! Ich bin fest davon überzeugt, daß dieses Ergebnis ein Beschluß sein wird, den Ihne»» das ganze Vaterland danke»» wird. (Lebhafter Beifall bei bei» bürgerliche»» Parteien. Zischen bei bei» Sozialdemokraten.) Präsident vr. Kaempf rief den sozialdemokratischen Abgeord neten, der während der Rede des Reichskanzlers den Zwischenruf: Flegelei! gemacht hat, nachträglich zur Ordnung. Abg. Scheidemann (soz.): Der Reichskanzler hat den Vergleich der Rüstungen Deutschlands mit einem »«ent provoeatour mit großer Entrüstung zurttckgewlesen. Derselbe Reichskanzler stellt sich hierher und sagt, alles, was »vir gemacht hätten, sei nicht ernst zu nehmen, »vir wollte»» gar keine Besserung. (Sehr richtig! rechts. Längeres Lärmen und Zurufe bei den Sozialdemokraten. Rufe: Unerhört!) Hr. Reichskanzler, ich gönne Ihnen den Beifall der ganze»» rechten Seite, aber Sie haben nickt das Recht, gegen uns eine»» solchen Borwurf zu erheoen. Wir haben Anträge ein- gcbracht (Lachen rechts), die sich auf Volksgesundheit, Schutz des »roalitionSrechts rc. beziehen; ist das alles nicht ernst zu nehmen? Zurufe rechts: Nein!) Ich bedaure, daß das Reichstagspräsidium nicht meine Partei in Schutz nimmt, der ein solcher Bor wurf gemacht wird. (Großer andauernder Lärm.) (Präsident Vr. Kaempf: Ich muß diese Worte als ungehörig bezeichnen und rufe Sie zur Ordnung.) (Lebhaftes Bravo rechts. Großer Lärm bei den Sozialdemokraten.) Der Reichskanzler hat ferner vom Volk ge- prochen. Wer gibt ihm das Recht, im Rainen des Volke.s zu sprechen? (Schallendes Gelächter rechts. Lebhafte Rufe rechts: Pfui! und Unerhört! Großer andauernder Lärm. Der Präsident läutet fortwährend »nit der Glocke.) Der Reichskanzler ist nicht her gesetzt durch den Willen des Volkes (Sehr richtig! bei den Sozial demokraten), er sitzt solange hier, solange es einem Einzigen gefällt. Wir Sozialdemokraten aber stehen hier als die Vertreter der Mehrheit des Volkes. (Schallendes Gelächter rechts.) Wir sehen in dein Militarismus, den wir bekämpfen, das Instrument in der Hand des Einen, der verlangt hat, daß die Soldaten auf Vater und Mutter schießen. Wir denken an unsere Brüder und Söhne und Väter, »venn wir die Anträge zur Verbesserung gestellt haben. Wir müssen deshalb mit aller Entschiedenheit d»e Behauptung zurückweisen, daß wir es mit unseren Anträgen nicht ernst meinen. Wir nehmen es sehr ernst, nicht nur iin Kampfe gegen den Militaris mus, sondern auch im Kampfe gegen daS ganze System, auch (zum Reichskanzler) gegen Sie! (Lebhafte Zustimmung bei den Sozial demokraten. Großer anhaltender Lärm. Lautes Zischen rechts.) Dainit schloß die Diskussion über § 1. Die Abstimmung über § 1 erfolgt am Montag. Es folgte die Spezialberatung. Abg. Vasserma«« (nl.): Es erscheint uns notwendig, über das Schicksal der 6 Kavallerieregin,enter nochmals die Entscheidung herbeizusührcn, wir beantragen ihre Betvilligung. Auch Graf Zeppe lin hat sich kürzlich für die Bewilligung ausgesprochen, indem er die Bedeutung der Kavallerie darlegte. Auch die Feuerkraft der Ka vallerie ist erheblicher geworden. (Beifall.) Abg. Stans Edler Herr zu Puttlitz (kons.): Der Grenzschutz für Ostpreußen und Schlesien bedarf der Verstärkung durch Kavallerie dringend, deshalb beantragen auch wir die Wiederherstellung der Kavallerieforderung. Preußischer Krieg-minister p. Heeriugeu: Zum Schutze Deutsch lands ist die starke Kavallerie dringend nötig. Verquicke,» Sie nicht politische Fragen mit dieser militärischen, die Kavallerieregimenter sind nötig, soll nicht eine große Lücke entstehen. Damit schloß die Debatte; die namentliche Abstimmung erfolgt Montag. Abg. Schulz Erfurt (soz.): Auf Grund telephonischer Erkundi gungen kann ich Mitteilen, daß der Exzeß in Erfurt sich so abgespielt hat wie ihn der Abg. Scheidemann dargestellt hat. (Zuruf recht-: Der Fall ist erledigt!) Für un- nicht, ich will Nachweisen, daß kein militärischer Aufruhr, sondern ein einfacher Wirt-hau-streit vorliegt, zu dem die schweren Zuchthausstrafen in keinem Verhältnis stehen. Roheiten billigen wir nicht, aber auch die ungeheuerlichen Strafen sind nicht zu rechtfertigen. (Entrüstungsrufe bei den Sozialdemo kraten.) Dabei ist von der Ortsbehörde den Angeklagte»» da» beste Zeugnis au-gestellt woredn. Ich bitte Sie dringend, unserem Antrag auf Zubilligung mildernder llmstände im Militärstrafverfahreu zu- zustimmcn. Die Sache ist im Rausch geschehen, und wer von uns wollte den ersten Stein aus die Leute werfen? Auch hier spielen politische Gegensätze leider »vieder eine Rolle. Mit unserem Antrag ist e« bitter ernst, -eigen auch Sie diesen Ernst. (Beifall.)
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