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schlüsse wurden nicht gefaßt. Die Sitzung wurde ver tagt, ohne daß man einen Termin für die nächste Zusammenkunft festsetzte. Ruhland als Schiedsrichter im Konsiitie der valkanftaaten. Pari-, 23. Juni. Der St. Petersburger Korre spondent deS „TempS" meldet: Da die russische Regierung festgestellt hat, daß keiner der Balkanstaaten das Schieds gericht ablehnt, hat sie ihnen bekannt gegeben, daß sie sich freuen würde, von ihnen in einer Frist von vier Tagen einleitende Denkschriften zu erhalten, die eine erste Grundlage für die Vorbereitung deS Schiedsspruchs bilden könnten. Kleine Nachrichten. Saloniki, 23. Juni. König Konstantin ist mit dein Kronprinzen und dem Prinzen Andreas heute hier wieder eingetrosfen. Ausland. Nachklänge zum Regierungsjubiläum Sr. Majestät des StaiserS. Wien, 23. Juni. Im Herrenhaus richtete der Vize präsident Fürst Fürstenberg heute folgende Ansprache an das Haus: „Der Herrscher des verbündeten und benach barten Deutschen Reiches, Ce. Majestät Kaiser Wilhelm, hat vor wenigen Tagen, umjubelt von seinem Volke, die 25jührige Wiederkehr des Antritts seiner segensreichen Regierung gefeiert. Nicht nur in seinem engeren Baterlandc wurde dieser Tag als ein Festtag freudig be gangen, sondern auS allen Teilen der Welt wurden ihm begeisterte Wünsche entgegengebracht. Eine Kundgebung leuchtet besonders hervor, Se. Majestät, unser aller- gnädigster Kaiser und König, hat es als einen Herzens wunsch bezeichnet, an diesen« Gedenktage dem verbündeten und besreundeten Herrscher den Grus; seines Heeres und feiner Flotte zu entbieten, und hat geruht, daran feier liche Segenswünsche jür das Wohl des Deutschen Kaisers und seines Reiches zu knüpfen. Diese Worte, gerichtet an unsere tapfere Armee, haben auch uns mit einem Hochgefühl erfüllt. Neben der Waffenbrüderschaft ist eS aber auch die politische Freundschaft, die zwischen der« beiden Herrschern ebenso lauge besteht, als die Re gierungszeit des Deutschen Kaisers währt, und die bank dem treuen Zusammenhalten der hohen Verbündete«« uns den Frieden in allen, auch schweren Zeitläuften, bewahrt hat, den zu geniesten allen österreichische«« Völkern vergönnt ist. Leuchtend und musterhaft ist das Beispiel, das die beiden Monarchen als Vorbilder edler, treuer Pflichterfüllung allen Bürgern ihrer Staaten geben. Unermüdlich ist ihre Sorge um das Wohl ihrer Völker, dem sie ihr Leben gewidmet haben. Möge der Segen des Allmächtigen anch weiterhin auf den« Schaffen des deutschen Kaisers ruhen und möge die innige Freundschaft der beiden hohen Verbündeten auch weiterhin ein mächtiger und sicherer Hort des Friedens sein und eine unversiegbare Quelle des Glücks und des Friedens für alle Völker, die unter ihre«« Zeptern vereinigt sind. In» Sinne dieser meiner Worte sei es mir vergönnt, die ehrerbietigsten Glückwünsche dieses hohen Hauses Sr. Majestät dem Deutscher« Kaiser dar- zubringen." Tas Haus hörte die Ansprache stehend an und brach am Schluffe in lebhaften Beifall und Händeklatschen aus. Das Haus ging sodann zur Beratung der Tagesordnung über. Der Londoner Besuch des Präsidenten Poincar^. Paris, 23. Juni. Präsident Poincarü ist heute vormittag mit dem Minister des Auswärtigen Pichon nach England abgereist, Minister des Inner«« Klotz und Marineminister Vandi» begleiten ih,« bis Cherbourg. * London, 24. Juni. Die Zeitungen veröffentlichen herzliche Bearüßungsartikel zum Besuche des Präsidenten Poincarv. H» der ministeriellen Presse wird dabei der Gedanke betont, dass die Entente cordiale Deutschland gegenüber einen explosiven Charakter habe. „Daily Chronicle" betont, dast die Tripelentente Frankreich in Marokko und Rußland in Persien genützt habe, dast es aber schwerer zu erkenne» sei, was sie England genützt und waS sie dein Frieden genützt habe. Das Blatt fährt fort: „Die erfolgreiche Wiederherstellung des europäischen Konzerts angesichts der Gefahren des Balkankricgcs ist ei» Beweis, dast die Gruppierung der Tripelentente und des Dreibundes die Erhaltung einer Harmonie nicht hindern, sonder» sörder» kann. Der beste Dienst, den wir Frankreich erweisen könne««, ist der, die Kluft zwischen ihm und Deutschland zu überbrücken." — „Dail«) NewS" betont, daß .das herzliche Einvernehmen mit Frankreich von keiner Seite so aufgefastt werde» dürfe, als ob cS eine Tür der Feindseligkeitei« gegen Deutsch land öffne. Der Kampf nm die dreijährige Dienstzeit in Frankreich. Paris, 23. Juni. Die Kammer setzte heute die Beratung der Vorlage über die Verlängerung dec mili tärischen Dienstzeit fort. Ter Sozialist Briquet ver teidigte einen Gesetzentwurf, der eine aktive militärische Dienstzeit von 20 Monaten festsetzen will. Briquet hielt dann unter dem Beifall der äußerste» Linke» eine lange Lobrede aus die zweijährige Dienstzeit und sagte, um das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit triumphieren zu lassen, diskreditiere man zu sehr die französischen Kavalleristen und Artilleristen. Briquet endete mit einem Lobe des Wertes der Reserven. Henry Pato als Berichterstatter erwiderte: Wir haben volles Vertrauen in den Wert und die Ergebenheit der Re serven, aber gerade die Reserven haben ein besonderes Encadrement nötig, und eine Dienstzeit von 20 Monaten würde zur Ausbildung der Mannschaften, der Unteroffi ziere und der Offiziere nicht genügen. (Beifall.) Mistral (soz.) meinte, eS seien finanzielle Gründe, die den Militärsorderungen zugrunde lägen, und warf der Presse und den Heereslieserante» vor, daß sie zu Rüstungen drängten. Er erinnerte an die Affäre Krupp und wollte Anschuldigungen gleicher Art gegen ein französisches Hau» vorbringen. Kriegsminister Etienne unterbrach ihn und rief: Das ist eine Infamie! Mistral erwiderte: Ich werde Beweise erbringen. Er ivarf sodann de» großen HeereSlieferanten vor, daß sie keine Patrioten seien, da sie gegebenenfalls auch den Gegnern französische Waffen ver kauften, nan«entlich Deport-Kanonen. KriegSminister Etienne erwiderte: DaS Kriegsministerium hat die Deport-Kanone nicht verwenden und die Industrie nicht verhindern können, sie zu verkaufen. Eine befreundete Nation hat sie gekauft und ihr den Vorzug vor den, Krupp-Geschütz gegeben. Es war von Interesse für die französische Industrie, daß daS sranzösische Ge schütz ai« Stelle eines deutschen Geschützes trat. Ich sehe nichts, waS Sie dabei am Kriegsministerium tadeln können. Mistral wollte dann die Angriffe gegen die Lieferauten wieder aufnehmen, aber das Zentrum protestierte dagegen, da dieses nicht zur Beratung stände. Die Sozialisten unterstützten ihre«« Redner, und während einiger Minuten herrschte lebhafte Unruhe. Präsident Deschanel stellte die Ordnung wieder her. Als Mistral dann von den Panzerplattenlieferanten sprach, bemerkte der Präsident, daß dies nicht zur Debatte stände. Mistral antwortete, er spreche von den Panzerplatten, um aus die Armee lieferanten zu kommen, die sich in Belgien, Frankreich und Deutschland verständigten. Der Redner Ivars in heftiger Weise de» Regierungen Frankreichs und Deutsch lands vor, die Treibereien der Presse zu begünstigen; er warf besonders den französische,« Chauvinisten vor, Elsaß-Lothringe» in de» Vordergrund zu stellen. Er be schuldigte sodann die Negierung, durch Einbringung ihres Gesetzes die deutsche«« Beschlüsse beschleunigt zu haben. (Widerspruch im Zentrum und auf der Linken, Beifall auf der äußersten Linken. KriegSminister Etienne und Ministerpräsident Barthou protestierten gegen diese Äußerung Mistrals.) Mistral fortsahrend: Seine Partei- genossen, die nach Bern gegangen seien, wüßte««, daß die Einbehaltung der Jahresklasfe Frankreichs in Deutschland als Herausforderung anfgesaßt worden sei. (Lebhafter Widerspruch.) Barthou erhob sich und ries inmitten des Lärmes zwischen den Sozialisten und anderen Ab geordneten: Es ist abscheulich, eine Vorsichtsmaßregel eine Herausforderung zu nennen. (Beifall im Zentrum ««nd auf der Linken.) Barthou führte dann in Erwiderung auf die Zwischenrufe der Sozialisten hinzu: Wir habe«« unter uns, unter Franzosen gesprochen, kommen Sie mir nicht damit, einem französischen Gesetz ein Zeugnis von Ausländern entgegenzusctzcn. (Lebhafter Beifall auf der Rechten, imZentrum und aus verschiedenen Bänden de rLinken.) Jaurös rief voll seinem Platz aus: Zur gleichen Zeit unternehmen die Chauvinisten und Militaristen diesseits und jenseits der Grenze dasselbe abscheuliche Werk, zwei Völker zu beunruhigen, die den Frieden wollen. Wie Mistral, wie Liebknecht, erkläre ich, daß, wenn an diesen Stimmungen nur eine Spur von Wirklichkeit vorhanden ist, so ist cS die Existenz einer ganze«« Organisation zur Ver ursachung einer gewinnbringenden Panik. (Beifall auf der äußersten Linken, lebhafter Widerspruch auf zahl reichen Bänken). Entgegen dem Widerspruch des Präsi denten Deschanel wiederholte JauröS, daß ein Teil der Presse in beide»» Länder»» eine gewinnbringende Panik herbeigcführt habe. (Widerspruch,) Ministerpräsident Barthou sagte zu James: Es gibt in Frankreich keine solche» gewinnsüchtigen Organisationen, wohl aber Organisationen, die den Aufruhr in« Augenblicke der Kriegserklärung predigen. Ich fordere Sie heraus, mit mir gegen diese verbrecherischen Dinge zu protestieren. (Lebhafter Beifall auf der Rechten, im Zentrum und auf verschiedenen Bänken der Linken. Lachen bei der äußersten Linke««.) Mistral nahm darauf seine Anklagerede wieder auf, die er beendete, indem er für den Gesetzentwurf Briquet ein trat. Der Gegenentwurf Briquet wurde darauf mit 503 gegen 70 Stimmen abgelehnt. Auga- aneux verteidigte ein Gegenprojekt, das die zweijährige Dienstzeit mit zwei EinsteUunge» Mitte April und Mitte Oktober aufrecht erhält. Man suche, so erklärte der Redner, die nationale Verteidigung im ganzen um 42 280 Mann zu verstärken, und dazu genüge eS, daS Gesetz über die zweijährige Dienstzeit zu verbessern. Die Sitzung wurde sodann auf morgen vertagt. Paris, 23. Juni. Tie beiden Vizepräsidenten des HcercsauSschttsses de Montebcllo und Reinach werden heute einen Zusatzantrag zum Militärgesetz einbringen, wonach die junge«« Leute mit 20 Jahren zur Einstellung gelangen sollen. Die Jahresklasse von 1912 und 1913 solle diesmal demgemäß gleichzeitig spätestens am 10. November d. I. einverleibt werden. Bei den 20jährigen Gestellungspflichtigen solle besonders strenge Auswahl getroffen werden. Es heißt, daß die Regierung diesen« Zusatzalitrag zustimme» wird. Zur Frage des internationalen Arbeiterschutzes. Bern, 23. Juni. Die von den« BundcSrat im Januar d. I. an die europäischen Staaten gerichtete Anfrage wegen Veranstaltung einer neuen Konferenz über den internationalen Arbeiterschutz «st von de» »leisten Regierungen zustimmend beantwortet worden. Demnach hat der Bundesrat die Eröffnung der Konferenz in Bern auf den 15. September lausenden Jahre- fest gesetzt und an folgende Staaten Einladungen zur Teil nahme gerichtet: Deutschland, Osterreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Portugal, Rußland und Schweden. Gegenstand der Verhandlungen werden bilden die industrielle Nachtarbeit jugendlicher Arbeiter und der Zehnstundentag für die in der Industrie be schäftigten Frauen und jugendliche» Arbeiter. Ferner hat die Internationale Bereinigung für gesetzlichen Arbeiterschlitz die Einsetzung einer internationalen Kom mission zur Beratung von Grundsätzen für eine periodische Berichterstattung über die Ausführung der Arbeiterschutz- aesetze angeregt; dieser Vorschlag hat bei de» damit be faßten Behörden eine günstige Ausnahme gefunden, und die Kommission wird vom Bundesrat auf den 11. Sep tember nach Bern einberufen werden. Zur Lage in der Lürkei. Konstantinopel, 24. Jun«. Eine halbamtliche Mit teilung erklärt, das Kabinett, da- entschlossen sei, die innere und äußere Politik Mahmud Schewket Pascha- fortzusetzen, werde sich bemühen, die zwischen der Türkei und verschiedenen Mächten schwebenden Fragen so schnell wie möglich und endgültig zum besten aller Beteiligten zu regeln. ES zähle dabei auf die -u-esa-te moralische und materielle Hilfe der Mächte. Ein türkischer Gesandter für Sofia und ein bulgarischer für Konstantinopel sollen alsbald ernannt werden und sich unverzüglich auf ihre Postei« begeben. Da» Urteil gegen die Mörder Schewket Paschas. Konstantinopel, 23.Juni. Der Sultan hat zwölf über die Mörder Mahmud Schewket Paschas gefällte Todesurteile bestätigt. Auch Damad Salih Pascha wird hingerichtet. I» einem an den Militärgouverneur gerichtete» Schreiben stellt Prinz Sabah Eodin in Abrede, daß er Beziehungen zu den Mördern Mahmud Schewket Paschas gehabt habe. Er gibt jedoch zu, daß diese von ihn« Geld verlangt haben. Die Reformen in Armenien. Konstantinopel, 23. Juni. Es verlautet, Frank reich habe den Großmächten vorgeschlagen, daS Reform werk in Armenien mit der Ernennung eines Kaiser!. Obcrkommisfars für die sechs Wilajets Ost-Anatoliens zu beginnen. ES- sollen hierüber gegenwärtig Verhand lungen zwischen den Kabinette» stattfinden. Zur Lage in Marokko. Madrid, 23. Juni. Eine amtliche Depesche des Oberkommissars von Tetua» teilt mit, daß gestern eine Kolonne in das Gebiet von Burbui« e» Niach marschiert ist, wo zahlreiche Kabylen sich zusammcngerottet hatten; dort cntbrailnte ein heftiger Kampf, in dem die Spanier siegreich blieben. Sie verloren 2 Tote und 35 Ver wundete, darunter einige Offiziere; die Eingeborenen wurden vernichtet. Darauf kehrten die Spanier in ihr Lager zurück. Paris, 24. Juni. Aus Madrid wird gemeldet: Der Ministerrat wird heute in Granja unter dein Vor sitze des Königs über die angesichts der Lage in Marokko zu ergreifende«, Maßnahmen, insbesondere über die Ent sendung weiterer Verstärkungen, beschließen. Präsident Wilson über die Regelung des amerikanischen Geldumlaufs. Washington, 23. Juni. Präsident Wilson verlas heute persönlich im Kongreß eine kurze, eindringliche Bot schaft, in der er ei»e"unverzügliche gesetzliche Regelung des Geldumlaufs empfiehlt, um das neue Zolltarifsystem zu ergänzen und das geschäftliche Leben der Nation auf eine sichere, wirtschaftliche Grundlage zu stellet«. Die Ge schäftsleute, so führte er aus, würden jetzt eine neue Freiheit erlangen und dürften nicht ohne Werkzeuge ge lassen werden für ihre Betätigung, sobald sie frei wären. „Wir werden sie frei mache» durch Beseitigung der Fesseln eines schutzzöllnerischen Systems. Es wird eine Periode der Ausdehnung neuer, großzügig gedachter Unternehmungen folgen; es ist unsre Aufgabe, jetzt z» bestimmen, ob sic eine schnelle, leichte und bequeme Erfüllung finden wird. Niemand, wie seicht und oberflächlich er auch sei, kann umhin, einzusehen, daß eins von den wichtigsten Dingen, die das Geschäft nötig hat, jetzt ein Mittel ist, das schnell den Kredit belebt, mag es sich um eine Aktie«,- gefellschoft oder um eine einzelne Person handeln. Die Herrschaft über die Geschäfte, große wie kleine, liegt auf dem Felde des Kredits. Wenn ein Mann sein Ver mögen an Fähigkeiten, Charaktereigenschaften „nd Hilfs mitteln nicht „ach seinem Belieben verfügbar mache«, kann, was hat er davon, eine für ihn günstige Gelegen heit zu sehen, solange andre die Schlüssel des Kredits in ihrer Tasche habe«, und sie überhaupt nur wie ihre«, eigenen privaten Besitz behandeln? Es ist vollkommen klar, daß es unsere Pflicht ist, ein neues Bank- und GeldttmlansSsystem zu schaffen. Unsere Gesetze über das Bankwesen müssen unsere Reserven beweglich mache» und dürfe» nicht zulassen, daß sich die Geldquellen des Landes irgendwo i«, einigen Händen konzentrieren, oder daß sie sür Zwecke der Spekulation in einem Umfange gebraucht werden, der ihrer sonstigen berechtigten, frucht baren Verwendung lähmend und hindernd in» Wege steht. Die Kontrolle über das Bank- und Emissious- wesen muß dec Regierung selbst zustehcn, sodaß die Banke» die Werkzeuge, aber nicht die Herren deS Ge schäftes, der Unternehmungen und der Initiative des eiuzelnen sind." 24. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure. , ii. Leipzig, 24. Juni. Zu dem gestrigen Berichte sei noch ergänzend er wähnt, daß der Sitzung als Ehrengast auch Se. Exzellenz der Hr. Minister der Finanzen Staatsminister v. Seydewitz beiwohnte. Die Ansprache Sr. Magnifizenz deS Rektors Magnifikus der LandeSuniversilät Leipzig Hru. Geh. Hofrat Prof. vr. Bruns lautete folgendermaßen: Ew. Majestät! Meine Damen und Herren! Wenn ich vyn dieser Stelle aus ein kurzes Wort der Begrüßung an die Versammlung richte, so gesckneht das nicht nur im Ramen der Universität, sondern anch — was ich als eine Ehre ansehe — im Ramen der altberühmten Bergakademie zu Freiberg und der noch jungen Handelshochschule zu Leipzig. Ich will hier nicht von den» Verhältnis des Gelehrten znm Techniker oder der Theorie zur Praxis sprechen, sondern auf eine Be ziehung Hinweisen, welche die Technik allein angcht, nämlich denGegen- satz zwischen der Routine und der rationellen, d. h. wissenschaftlichen Bchandlnng technischer Probleme. Was die Routine, »venn sie sichans lange Erfahrung stützt, zu leisten vermag, das lehren die Tempel- banten »ind die Wasseckeitungen des Altertums, lehren die Straßen - bauten, mit denen der römische Ingenieur den Eroberungen der Legionen erst das rechte Rückgrat verlieh, lehren endlich die Dome »ind Münster des Mittelalters. Gleichwohl gilt — sinngemäß abgeändcrt — auch hier das Mock KantS: Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Kein antiker Ingenieur hätte sich mit Aussicht aus Erfolg an die Aufgabe »vagen dürfen, den Sim plon von zwei Seiten her so anzubohrcn, daß die Richtstollen in der Mitte innerhalb eines Meter» zusammenstoßen mußten. DaS konnte erst der moderne Vermessungsingenieur mit Hilfe der mathematischen fundierten höhere»» Geodäsie leisten. Rehmen Sie ferner dem Kon ftrukteur der Dampfmaschine die Gesetze der Ther,nodynamik, so sind die Folge Kohlenvergeudung und fruchtlose Versuche, den Wir kungsgrad der Maschine über die physikalisch in» voraus feststehende Grenze zu steigern. Rehmen Sie endlich dem Elektriker die Sätze vou Ohm und Kirchhof, so tappt er bei den einfachsten der Stromverzwei- gunaen hilflos im Dunkeln. Ich glaube, das Ansehen und der ^.«sdes deutschen Ingenieur» fußt auf der Qualität seiner geistigen Leistung,