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Dresdner Journal : 02.06.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-191306024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19130602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19130602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-06
- Tag 1913-06-02
-
Monat
1913-06
-
Jahr
1913
- Titel
- Dresdner Journal : 02.06.1913
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und Geschworene, Wahlprüfungen). Schluß nach Uhr. Verein der Fremdenlegionäre erwähnt. Dieser Verein ist seinerzeit gegründet worben mit der statutenmäßigen Aufgabe, die Leute vom Eintritt in die Fremden legion abzuhalten. Er hat aber später die Fremdenlegion trotzdem verherrlicht. (Große Unruhe und Widerspruch bei den Soz.). Die Leute sind, wenn nicht bewußt, so doch unbewußt angehalten wor den, in die Legion einzutreten. (Erneuter Widerspruch bei den Soz.). Der Abg. Emmel hat doch selbst im Landtag nicht in Abrede gestellt, daß die Leute mit ihrer früheren Zugehörigkeit zur Frem denlegion renommiert haben. (Zuruf bei den Sozialdemokra ten: Jägerlatein! Beweise!) Beweise haben Sie sowohl in Straß burg wie in Mülhausen. Solange ich an der Spitze der elsaß-loth ringischen Polizei stehe, habe ich niemals die Hand dazu geboten, agents provc»o»teun> zu beschäftigen. Darin haben wir ein vollständig gutes Gewissen. Der französische Luftschiff.Verein ist auch nicht so harmlos, wie er hingestellt wird. Er weist in seinem Programm auf die deutschen Rüstungen hin und deshalb ist es notwendig, das deutsche Bewußtsein in diesen Kreisen zu wecken. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Der deutsche Offizier!) Auch auf den trifft das zu. Was den Verein Souvenir franyais anlangt, so hatte er ursprünglich den einwandfreien Zweck, die Kriegergräber zu schmücken. Mit der Zeit aber wuchs er zu einem enormen politischen Verein aus, der nur Sympathien für Frankreich pflegt. Da war es notwendig, gegen ihn einzuschreiten. Auch der neue Verein geriert sich ebenso. Daran ändert nichts der jüngst erfolgte Freispruch seitens eines Schöffengerichts, in dem sein politischer Charakter abgelehnt wurde. Solange der jetzige Staats sekretär am Ruder ist, kann von einem Zickzackkurs kerne Rede sein. Wir wollen nicht gewaltsam germanisieren, sondern Ruhe und Frieden stiften. Hätten wir eine starke nationalistische Mehrheit im Landtage gehabt, so wäre das ganze VerfafsungSwerk gescheitert. Mber das Volk hat sich auf sich selbst besonnen. (Bravo! und Lachen.) Der Bauer, der Handwerker und der Arbeiter sind deutsch. Nur eine gewisse Schicht der Bourgeoisie versagt. Sie ist bestrebt, die Altdeutschen verächtlich zu machen als Träger der deut schen Kultur. Sie will die Jugend nach Frankreich ziehen, die aka demische Jugend und die Jugend in Handel und Industrie. Diesem Schwindel muß Einhalt getan werden. Wir haben in loyaler Weise uns an die gesetzgebenden Faktoren gewandt. Bei Ihnen mag es liegen, ob Sie unsere Vorschläge annchmen oder nicht. Ein Vorwurf ist uns nicht zu machen. Den Vorteil hat die Vorlage schon jetzt gehabt, daß sich weite Kreise in den Reichslanoen gegen den Nationalismus gewandt haben. MögenSiedie Vorlage seinerzeit annehmen oder nicht. Die Verantwortung trägt der Reichstag. (Beifall.) Abg. vr. Haas-Baden (fortschr. Vp.): Es scheint, als ob die elsaß-lothringische Regierung mit aller Gewalt den Eindruck Her vorrufen will, es bestehe in den Reichslanden eine Art Ausnahme zustand. Was wir gehört haben, sind aber lauter Kleinigkeiten und Bagatellen. Französische Blätter haben sich über uns Deutsche lustig gemacht. Aber das tun doch auch die deutschen Stämme untereinander. Wir spotten übereinander. Das ist für mich der beste Beweis, daß wir uns innerlich sehr gern haben. Was haben zudem Ausnahmegesetze stets bewirkt? Es hat sich immer heraus gestellt, daß die Bewegung, die man bekämpfen wollte, größer und stärker wurde. Hier will man ein bestimmtes deutsches Land treffen. Das darf niemand mitmachen, der die föderativen Grundsätze für das Reich für maßgebend hält. Elsaß-Lothringen steht jetzt auf einer Stufe mit den übrigen Bundesstaaten. Es ist nicht mehr Ob jekt, sondern Subjekt der Gesetzgebung. Was heute den Nationalis mus trifft, kann morgen eine der Regierung unliebsame andere Partei treffen. Eine besondere Klugheit war es nicht, so vorzugehen. Der Nationalismus ist ohne jede Bedeutung. Wäre dieser Na tionalismus im Volk und nicht bloß in einer kleinen Bourgeoisie schicht, die mit Pariser Kusinen liebäugelt (Heiterkeit), so wäre das gefährlich. Wir als Süddeutsche erkennen den Wert preußischer Eigenart an, wollen aber auch unsere Eigenart bewahren. Der schneidige preußische Ton liegt uns aber nicht, das trifft auf den preußischen Landrat zu wie auch auf die preußischen Sozial demokraten. (Sehr gut!) Wären die Elsaß-Lothringer mit einem Schlage gute Deutsche geworden, so wären sie innerlich schlechte Menschen gewesen, denn das Vaterland verlieren gleicht dem Verlust der Mutter. .Den wirtschaftlichen Vorteil Deutschlands erkennt man durchaus an. Wollen wir vorwärts kommen in Süddeutschland, so geht das nur auf dem Wege der Vervollkommnung des Fort schritts und der Freiheit. (Beifall links.) Abg. Pcirotes (soz.): Der Unterstaatssekretär Mandel hat die jämmerliche Begründung, die seiner Vorlage beigegeben war, durch feine heutige Rede noch übertroffen. Er berief sich auf den Landesausschuß, mit dem die Regierung nicht mehr aus kommen könnte; der sollte ihm aus der Verlegenheit helfen. Für die Gefährlichkeit des Vereins der Fremdenlegionäre ist uns der Unter staatssekretär jeden Beweis schuldig geblieben. Er erklärte entgegen einem Gerichtsausspruch seines eigenen Landes den Souvenir ^lsaev vorruia für einen politischen Verein. Der Vorlage fehlt jede innere Berechtigung. Der Beweis für die Gefähr lichkeit der nationalistischen Strömung in der Presse und in den Vereinen ist nicht erbracht. Taktlosigkeiten werden hüben und drüben begangen, so hat ein altdeutsches Blatt aus Anlaß des Gravenstadener Falles gesagt, das „Gesindel" möge auswan dern. Die Gefahr für die Jugend ist nicht so groß, weil sie größten teils überhaupt nicht französisch versteht. Bon einer nationalistischen Propaganda kann seit den letzten Wahlen nicht die Rede sein. Elsaß- Lothringen hat keineswegs großen Anteil an dem wirtschaftlichen Aufschwung gehabt, das elsässische Problem ist ein Problem der Demokratisierung. Wenn dem gefolgt wird, so ist die gegen wärtige Aussprache durchaus erfolgreich gewesen. Damit schloß die Debatte. Nächste Sitzung: Montag, den 9. Juni, nachmittags 3 Uhr. (Kleine Vorlagen, Rcchnungssachen, Entschädigung für Schöffen Am Balkan. Ler vorfrieve. Preßstimmen. Berlin, 1. Juni. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Die Tatsache, daß am 30. Mai der Borfriede zur Beendigung des Balkankrieges in St. James- Palast zu London unterzeichnet worden ist, wird, mit gebührender Anerkennung für die Leitung der mühevollen Verhandlungen durch Sir Edward Grey, überall willkommen geheißen. Die Großmächte können in dem nun vollzogenen geschichtlichen Vorgang einen Beweis dafür erblicken, daß ihr unter vielfachen Schwierigkeiten bewährtes Zusammenhalten zu einem erwünschten vorläufigen Abschluß geführt hat, und sie dürfen hieraus Ermutigungen zu gemeinsamem Weiterarbeiten schöpfen. Den Staatsmännern des Balkanbundes wird das Vertrauen entgegengebracht, daß sie kein Mittel zu einer gütlichen Lösung der schwebenden Streitigkeiten unversucht lassen werden. Soweit eine Gefährdung des Friedens droht, läßt es die europäische Diplomatie an vermitteln den Einwirkungen nicht sehlen. Alle vernünftigen Er wägungen sprechen gegen den AuSbruch eines neuen Krieges. Zwischen den Großmächten scheint jede Gefahr eine» Zusammenstöße» beseitigt, und die letzten Wolken im nahen Osten werden sich hoffentlich bald zerstreuen. darf der dortigen Bevölkerung unser deutsches Staatswesen nicht als ein System der Polizeigewalt und Bestrafung geschildert werden, sondern als die Verkörperung eines festen Willens, der auf ein starkes Ziel gerichtet ist. (Beifall.) Abg. Röser (fortschr. Bp.): Es hat sich im Laufe der Debatte gezeigt, daß der Vorschlag der elsaß-lothringischen Re gierung nicht Gesetz werden wird. Das erfüllt uns Elsässer mit Genugtuung, ebenso, daß der Reichskanzler erklärt hat, daß ein anderer Kurs in Elsaß-Lothringen nicht eingeschlagen werden soll; wir sind ihm dafür dankbar. Wir unsererseits können aber das Vorgehen der elsässischen Regierung nicht entschul digen. Es ist begreiflich, daß die Elsaß-Lothringer Verwahrung da gegen einlegen, daß die Ausführung der Ausnahmebestimmungen in die Hand von Personen gelegt werden soll, zu denen die Bevölke rung kein Vertrauen hat. Diese Bestimmungen widersprechen tatsächlich der Verfassung und der Autonomie des Landes. Der Nationalismus ist der einzige, der mit solchen Maßregeln zufrieden sein könnte und zufrieden sein würde. Die Folge würde sein, daß alle Gutgesinnten sich resigniert zurückziehen. Ter Nationalis mus kann nur überwunden werden von unten her durch eine Gegenbewegung, diese ist vorhanden. Wir bitten die Regierung, daß sie die Vorlage nicht vor den Reichstag bringt. Möge diese Debatte in der Sache die letzte sein. (Lebhafter Beifall links.) Abg. vr. v. Laszewski (Pole): Die ruhige, friedliche Entwick lung des Landes wird durch derartige Ausnahmegesetze verhindert. Wir wünschen auf Grund unserer Erfahrungen in der Ostmark nicht, in Elsaß-Lothringen die gleichen trüben Verhältnisse zu erleben, wie sie sich in der Enteignung zeigen. In Westpreußen ist man s»gar einem Abstinenzverein entgegengetreten, weil seine Statuten in polnischer Sprache abgefaßt waren. Auf diese Weise wird von den Behörden erst künstlich ein Gegensatz zwischen den Bevölkerungskreisen konstruiert. Wir wollen Elsaß-Lothringen vor einer derartigen Auslegung der Gesetze schützen. Wir wollen auch keine Präzedenzfälle in Elsaß-Lothringen schaffen, die dann leicht auf Preußen übertragen werden können, worunter besonders wieder die Polen leiden würden. (Vizepräsident vr. Paasche bat den Redner, nicht weiter auf die polnischen Fragen einzugehen.) Die Politik der Gewalt ist wohl angebracht in bezug auf das Aus land, aber nicht für die inländischen Verhältnisse. Abg. Lchultz-Bromberg (Rpt.): Wir sind in einer eigentüm lichen Lage, wir sollen Stellung nehmen zu einer Vorlage, die noch nicht besteht. Die Verantwortung, welche Vorlagen uns unter breitet werden, liegt doch beim Bundesrat. Ich weiß nicht, ob die Stellung des Zentrums richtig gewesen ist; vielleicht bedauert es doch einmal noch seine Stellungnahme. Hr. Wetterls und seine Freunde werden unterschätzt. Hoffentlich kommt der Tag, wo dem Reichstag die Geduld reißt und wo dem unverantwortlichen Treiben der Nationalisten ein Rie gel vorgeschoben wird. Man soll den Braud im Hause nicht erst löschen, wenn es unrettbar verloren ist. Ersticken wir den Brand im Keim. Das gebietet die Rücksicht auf den Frieden des Landes. (Beifall.) Abg. Hauß (Elsässer): Nach den bisherigen Reden hier ist wohl anzunehmen, daß die Vorlage nie an den Reichstag kommen wird. Jeder neue Redner balsamiert lediglich den Leichnam von neuem ein. Wir haben hier soviel Schlechtes über den Nationalismus in Elsaß-Lothringen gehört, wer aber ist eigentlich ein Nationalist? Ist derjenige vielleicht ein Nationalist, der versucht, innerhalb des Rahmens des Deutschen Reiches die Rechte und Freiheiten Elsaß- Lothringens auszugestalten, der versucht, zu verhindern, daß das einheimische Element zugunsten der Eingewanderten zurückgedrängt wird? Das ist kein Nationalist. Aber trotzdem kann man in der all deutschen Presse lesen, daß auch diese Leute Nationalisten seien. Wie verschwommen ist doch der Begriff Nationalist. Als Nationa listen im eigentlichen Sinne sind nur diejenigen anzu sprechen, deren Trachten darauf hingeht, nicht eine Verschmelzung Elsaß-Lothringens, sondern eine Lostrennung vom Reiche zu fordern. Wenn wir aber nach solchen Personen in Elsaß-Lothringen suchen, so müssen wir ehrlich bekennen, daß die Zahl dieser Nationalisten überaus gering ist. Mit ihr fertig zu werden, kann man der dortigen Bevölkerung getrost überlassen. Die altsranzösische Bevölkerung ist noch nicht ausgestorben, der Herd für die nationalistische Be wegung ist somit eine ganz natürliche Erscheinung. Diese Strömung wird genährt durch den fortgesetzten Systemwechsel in der elsaß- lothringischen Regierung. Schuld sind auch die fortgesetzten Ausnahmegesetze gegen die elsaß-lothringische Bevölkerung. Durch diese Fehler und Mißgriffe unserer Regierung werden die bürgerlichen Parteien zu einem Radikalismus getrieben, der für die Zukunft Elsaß-Lothringens gefährlich ist. Ich habe das Ver trauen zu den» Bundesrat und dem Reichstag, daß sie den elsaß- lothringischen Anträgen nicht folgen werden. (Beifall.) Abg. vr. Weill (soz.): Trotz allen Vorwürfen und Anklagen, die hier gegen die elsaß-lothringische Regierung vorgebracht worden sind, hat der Herr Nnterstaatssekretär Mandel cs nicht für nötig gehalten, auch nur ein Wort zu sagen Ich frage ihn deshalb, ob er uns nicht Aufschluß geben will über die Gründe, die ihn zu seinen Vorlagen veranlaßt ha ben. Wir lehnen diese Vorlagen ab, wie jede Ausnahmebestimmung von vornherein unerträglich ist, die nur das Ziel erreichen könnte, ein frei empfindendes Volk in seinem Selbstbewußtsein zu beleidigen. Tie harmlosen Ungeschicklichkeiten, die jetzt von der Presse in fran- tösischer Sprache gemacht werden, reichen jedenfalls nicht an die jenigen heran, die in der alldeutschen Presse zu finden sind. Diese alldeutsche Presse ist viel gefährlicher, da sie immer wieder die Auf heizung der Selbständigkeit Elsaß-Lothringens und seine Einverlei bung in Preußen fordert. Wir unsererseits verlangen eine Verfassung, die mit allen freiheitlichen Einrichtungen versehen ist und nicht dynastisch belastet wird. Das ent spricht der Lage und der nationalen Eigenart Elsaß-Lothringens, die auch der Reichskanzler geachtet wissen will. Wir verlangen eine republikanische Verfassung mit dem freiesten Wahl recht für Elsaß Lothringen. Nur so wird Elsaß-Lothringen einer glücklichen Zukunst entgegensetzen. (Beifall.) Untcrstaatssekrctär im Ministerium für Elsaß-Lothringen Mandel (mit Aha! empfangen): Tic Interpellation hat gestern der Hr. Reichskanzler beantwortet und als Vertreter des Ministeriums von Elsaß-Lothringen hätte ich keine Veranlassung zu sprechen. Nachdem mich aber der Vorredner gereizt hat und im Lause der Debatte ver schiedene tatsächliche Unrichtigkeiten vorgekommen sind, muß ich zu ihrer Berichtigung, damit wiU ich mich begnügen, da» Wort ergreifen. Der Abg. Emmel hat gestern die Begründung der elsaß-lothringischen Vorlage bekämpfen zu müssen geglaubt. Er hat dabei auch den treffen. Damit könnte man einverstanden sein. Aber mit Recht 1 empfinden auch die Guten, daß diese Ausnahmebestimmungen gegen sie gerichtet sind. Darin liegt die Bedeutung. Die Bevölke rung befürchtet, daß durch diese Gesetze die Entwicklung der Reichs- lande aufgehalten werden kann. Ich freue mich, daß der Kanzler gestern ganz klar und unzweideutig seine Stellung zur Verfassung gekennzeichnet hat. Ich freue mich, daß der Reichskanzler unzwei- deutig und klar sich darüber ausgesprochen hat, daß er sich auf den Boden der elsaß-lohtringischen Verfassung stellt. In der elsaß-loth ringischen Bevölkerung macht sich eine lebhafte Reaktion gegen den Chauvinismus geltend, die in den Beschlüssen und der Stellungnahme der elsässischen Kammern zum Ausdruck kam und die unter der alten Verfassung nicht möglich gewesen wäre. Diese Reaktion wird fort schreiten und deshalb können wir ruhig die Weiterent wicklung abwarten, ohne zu Ausnahmeregeln zu grei fen. Leider hat die Regierung in Elsaß-Lothringen selbst nicht immer die nötige Klarheit in der Stellungnahme gegenüber den Nationa listen gezeigt und dies ist ihr mit Recht in dem dortigen Parlament zum Vorwurf gemacht worden. Mag die Regierung der elsaß-loth ringischen Bevölkerung zeigen, daß sie eine starke Hand hat; dann aber Athen, 31. Mai. Die Athener Blätter begrüßen herzlich die Unterzeichnung de» Friedens, fügen indessen hinzu, der Abschluß de» Friedens würde mit größerer Freude begrüßt werden, wenn nicht durch die griechisch-bulgarifchen Zwischenfälle, die sich in den letzten Tagen ereignet haben, und durch die Begehrlichkeit Bul- gariens der politische Horizont verdunkelt würde. Die Zeitungen fügen hinzu, Griechenland wünsche, in Zu- kunft in Freundschaft mit der Türkei zu leben; es läge im Interesse beider Länder, in Zukunft jegliche Reiberei zu vermeiden. Internationale Kinanzkommisflon. Ein französisches Exposö und seine Kritik. Paris, 1. Juni. Das französische Ministerium des Äußern übersandte den Mitgliedern der Mittwoch zusammentretenden internationalen Finanzkommis, sion ein Schriftstück, durch das ihnen ein Überblick über die der Finanzkommission obliegenden Arbeiten erleichtert werden soll. Dieses Schriftstück beruht, wie in der Einleitung hervorgehoben wird, auf den von den türkischen Delegierten herrührenden Angaben über die Verwaltung der türkischen Schuld sowie auf de» „sehr interessanten Arbeiten der deutschen Dele, gierten". Der „Temps" behauptet, daß dieses Schrift, stück bei gewissen Delegierten Befremden hervcrgeruftn habe. Man habe sich gefragt, warum dasselbe lediglich den lobenden Hinweis aus die deutschen Darlegungen ent halten und die Darlegungen anderer Delegierten zu ignorieren scheine. Gewiß, die Konferenz sei eine fach- männische und der erste französische Delegierte werde die Pflicht haben, unparteiisch den Vorsitz zu führen. Aber deswegen dürfe man die Politik nicht außer acht lassen. So bilde es sür Ruß land einen wesentlichen politischen Akt in Paris für die Sache der Balkanstaaten einzutreten. Dabei habe Rußland das vollste Recht, auf den Beistand Frankreichs zu rechnen, wie Frankreich seinerzeit in Algeciras auf den Beistand Rußlands gezählt habe. Die Delegierten der beiden verbündeten Länder müßten mit einander in engster Fühlung bleiben, und wenn Frank reich auch die Pflicht habe, die wirtschaftlichen Interessen seiner Inhaber türkischer Wertpapiere zu verteidigen, so dürfe inan doch nicht durch Ungeschicklichkeiten das Ein- Verständnis der beiden Regierungen gefährden. Minister Pichon habe auch in dieser Hinsicht dem Botschafter Is wolski Zusicherungen gegeben. Wir sür unser Teil, so schließt der „Temps", sind der Ansicht, daß Frankreich iu den Orientfragen seinem russischen Bundesgenossen die führende Rolle überlassen muß und daß Rußland das Recht hat, seine Auffassung zuerst zu äußern. Albanische Fragen. Sorge um das künftige Oberhaupt Albaniens. Wien, 31. Mai. Wie die „Albanische Korrespondenz" berichtet, hat eine Anzahl Albanerführer an die Botschafter- Vereinigung in London telegraphisch ein Memorandum gesandt, in dem die Bereinigung gebeten wird, auf die Idee einer Verlängerung des provisorischen Zustandes in Albanien zu verzichten und sich für die möglichst rasche Ernennung eines Souveräns zu entscheiden, der mit dem Prestige seiner Geburt und seiner hohen Stellung der moralische Mittelpunkt sein solle, um den sich alle Albaner vereinigen. Albaniens Südgrenze. Rom, 1. Juni. Die „Tribuna" meldet auS Lon- don: Auf Grund authentischer Nachrichten unmittelbar nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags soll dec italienische Botschafter Marquis Imperioli dem franzö sischen Botschafter Cambon gegenüber bemerkt haben, daß Italien und Osterreich-Ungarn auS unabänderlichen Gründen der nationalen Verteidigung ein Interesse daran hätten, daß das Ufer am Kanal von Korfu von Santi Quaranta bis zur Bai von Ftelia zu Albanien geschlagen werde. Die Unterredung hätte in den Kreisen englischer Politiker die Überzeugung wach gerufen, daß die französische Regierung gewillt sei, dem österreichisch-italienischen Standpunkt in der Frage des Kanals von Korsu keine Hindernisse zu bereiten. Es sei nicht verwunderlich, daß Cambon mit Rücksicht auf die Beweise des guten Einvernehmens, die von Italien in der albanischen Frage geliefert worden seien, sichgeneigt zeige, eine griechisch-albanische Grenze von der Bai von Ftelia südlich des Kaps von Stylos anzunehmen. Es bleibe nunmehr übrig, die innere Süd grenze Albaniens zu bestimmen. Aber eS scheine, daß man schließlich die Linie Ftelia—Goritza annehmen werde, wobei die Stadt Goritza albanisch bleiben würde. Der Schlußpasiu» ver Rede Pasitsch». Wien, 31. Mai. Ter Belgrader Vertreter des Wiener K.ßK. Telegr.-Korresp.-BurcauS übermittelt den Schluß passus der vom Ministerpräsidenten Pasitsch gehaltenen Rede, der in dem veröffentlichten, aus amtlicher serbi scher Quelle stammenden Berichte fehlt. Dieser Satz lautet: Man darf nicht außer acht lassen, daß durch den Krieg der Verbündeten gegen die Türkei die Frage gelöst wurde, die Jahr- Hunderte hindurch ganz Europa Sorgen und Mühen bereitet hat. Die Frage, die durch vielfache Bande mit den Interessen jen« verknüpft war, die gerade deswegen am meisten mit der radikalen Lösung der Balkanfragen gezögert haben; jetzt wurde sie von jenen gelöst, die hierzu in erster Linie berufen waren. Vergessen wir nicht, daß wir durch die Lösung dieser Frage vielleicht das materielle Interesse des einen dieser Staaten verletzt haben, und daß uns die Pflicht bevorsteht, im Laufe der Zeiten diese Verletzungen zu heilen und freundschaftliche gesunde Beziehungen mit allen Staaten zu schaffen, die ihre Bestrebungen nach Ausbreitung am Balkan aufgegeben haben, und mit allen Staaten, die mit den Balkanstaaten freund schaftlich und friedlich zu leben wünschen. Serbien nnd Bulgarien. Die Zusammenkunft der Ministerpräsidenten. Belgrad, 1. Juni. Ministerpräsident Pasitsch ist heute nachmittag nach Zaribrod abgereist, um mit dem Ministerpräsidenten Geschow zusammenzutreffen. Sofia, 1. Juni. Ministerpräsident Geschow begibt sich heute abend in Begleitung des bulgarischen Ge sandten in Rom Rizow, de» bulgarischen Gesandten in Belgrad Toschew und de» serbischen Gesandten in Sofia Spalajkowitsch an die Grenze, wo er mit dem sardischen Ministerpräsidenten Pasitsch zusammentrefsen wird.
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