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und spielte sie gleich selbst mit seiner Kapelle, den Damen den Kopf ver drehend, die Männer hinreißend. Große Musiker haben diese Tänze be wundert. Johannes Brahms schrieb auf einen Fächer die ersten Takte der „Schönen blauen Donau" und darunter die vielsagenden Worte: „Leider nicht von Johannes Brahms." Dabei hat er selbst betörend schöne Wiener Walzer geschrieben und dazu die „Ungarischen Tänze"; sie sind für viele Laien der Inbegriff der Brahmsschen Musik. Gewiß, sie sind schön und liebenswert, aber Brahms hat noch einiges andere geschrieben; lernt es kennen! Die zeitgenössischen Komponisten haben sich seit Strawinsky und Prokofieff mit Vorliebe der Ballettkomposition zugewandt. Unter den jungen Deutschen ist es vor allem Werner Egk, der mit dem „Joan von Zarissa ' und seinem neuesten Werk, dem Faust-Ballett „Abraxas" Entscheidendes zur Erneuerung dieser Kunstgattung beigetragen hat. Unter dem Titel „Georgica' , zurück gehend auf ein „ländliches" Gedicht Vergils, faßt er drei „Bauernstücke für Orchester" zusammen, Orchesterstücke, aus denen uns bayrische Jodler, älplerische Schrammelmusik, allerdings aufs geistreichste sublimiert, ent gegentönen, gewissermaßen „Schnadahüpfl auf Strawinsky-Art". Wie einer der heutigen Tänze auf die Ebene der Kunstmusik gehoben werden kann, zeigt in gültiger Weise der „Tango" aus dem Ballett „Fest im Süden“ von Boris Blacher. Eminent tänzerische Musik, aus der der Komponist eine Suite für den Konzertsaal zusammengestellt hat, tänzerisch bis hinein in die zarten Klänge des ..Liebesduetts". Ravel endlich, der große Franzose, greift im „Bolero" auf einen Tanz seiner pyrenäischen Heimat zurück, den er auf die seltsamste Weise stilisiert, indem er ein Thema, eine selt same Melodie, fünfzehn Minuten lang sich ständig wiederholen läßt, über dem eisernen Rhythmus des Bolero, in immer mächtiger werdender Steige rung durch Einsetzen immer neuer Instrumente des großen Orchesters, das durch eine Oboe d amore, eine kleine Klarinette, eine kleine Trompete in D und durch drei Saxophone um neue Klangfarben bereichert ist. Der Hörer ist gepackt, geradezu beschworen vom Schlangenblick dieser Musik, bis ihm noch ein letzter Schock zuteil wird, durch jene unvermutete Modulation nach E-dur, mit der das bisher durchgehaltene C-dur beim letzten Themeneintritt abgelöst wird. Kein Wunder, daß auch diese Musik die Choreographen angeregt hat, das Tönende im Tanz sichtbar zu machen. Dr. Karl L a u x