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merkliche Weise der Schluß der Sinfonie antizipiert, wo das Motiv noch einmal, und dann von all seiner Schwermut befreit, erklingt. Es ist das eigentlich romantische Motiv in dieser Sinfonie, die in ihrer ganzen technischen Haltung so eminent un romantisch ist (und damit das Wort von Pfitzner, dem „letzten Romantiker“ wider legt). Sie ist vielmehr ein kühnes Stück „neuer“ Musik, in der Abstraktion des ge danklichen Gefüges, in der allem bloßen Schönklang aus dem Wege gehenden Sprächet, Der erste Satz beginnt, wie gesagt, mit einem Einleitungsmotiv, das in der Sin fonie deutlich durch die Instrumentation (ein Beispiel für den „Vorteil“ der Or chesterfassung) — Klarinetten und Fagotte — vom eigentlichen Thema abgesetzt wird. Dieses wird von den Streichern, allerdings unter Verstärkung durch die Bläser, angestimmt. Interessant, wie dabei durch einen so spezifischen Orchestcreffekt wie einen kurzen Paukenschlag auf den ersten schweren Taktteil des Themas dieses deutlich markiert wird. Die „Palestrina“-Schwermut, die aus dem Anfang spricht, weht uns auch aus dem für den weiteren Verlauf der Komposition wichtigen ..Anschlußmotiv“ ent gegen. Das Seitenthema, von der zweiten Violine begonnen, läuft imitatorisch be handelt durch die verschiedensten Orchestergruppierungen. Nach der Durchführung bringt die Reprise das Hauptthema im vollen Orchester, auch das Seitenthema er scheint wieder und schließlich wird als Coda eine Verarbeitung des Anschlußmotivs angehängt. Der zweite Satz schließt unmittelbar ohne Pause an den ersten an. Er ist ein spuk haftes Scherzo, dessen Stimmung im Hauptthema eindeutig festgelegt ist. Ihm stehen als zweites Thema eine, nach manchen Aufstiegen immer wieder abstürzende Figur und als Reminiszenz ein episodisches Hereinbrechen der Schicksalsmusik des ersten Teiles gegenüber, wobei die Orchesterfassung die Schwere dieser Episode durch den Klang der Hörner und Posaunen wirkungsvoll unterstreicht. Sie steht auch (im vollen Orchester) am Schluß des Satzes und wird nach einem kurzen Dimi nuendo in einen halb grotesken, halb wehmütigen Schnörkel der Klarinette auf gelöst. Der dritte, langsame Satz wird gebildet aus einer von der ersten Violine ange stimmten merkwürdig abstrakten Figur, die sofort in der Umkehrung in der zweiten Violine erscheint und dann immer wieder auftaucht. Daran anschließend eine Melo die, die bei der Orchesterfassung von der Bratsche auf die erste Violine übergegangen ist. Ihr wird auch ein drittes Thema zugeteilt. Der sehr kurze Satz wird abgeschlos sen durch ein Zitat des Themas im Fortissimo des gesamten Orchesters, die Melodie gespielt von den Holzbläsern und den beiden Trompeten, dazu voller Harfenschlag und Pizzikato der Streicher. Die Figur des Anfangs leitet über zum Finale. Dieses ist geradezu ein Wunderwerk von kontrapunktischer Kunst. Das Haupt thema wird zuerst von der Oboe gebracht. Das zweite Thema zeichnet sich durch seine prägnante rhythmische Fassung aus. Bald begegnen uns nun Themen der früheren Sätze. Der Schluß wird dann wieder von den Themen des letzten Satzes beherrscht, bis dann das „Urmotiv“ erscheint und zum friedlichen und zarten Aus klang (in Dur) überleitet. Zwischen diesen beiden Werken steht das Klavierkonzert von Eugen d’Albert, nicht so sehr Musik unserer Zeit als vielmehr Repräsentant jener zeitlosen Musik, die immer schon dem Bedürfnis virtuosen Spiels entsprungen ist und als die andere Seite der Musik immer ihr Recht und ihre Berechtigung haben wird. Dr. Karl Laux M/0252