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11 Er. Majestät de- Königs, Schriftsteller August Niemann gedachte der 'Künstler und der anwesenden Damen und Frau v. Gottberg-Herzog feierte in hübschen Versen den Gesamtvorstand. Die Tonkünstler Hermann Lang, Arthur Richter und Eli Schmiedgen brachten die Märchen- erzählungen von Schumann, ein selten gehörtes poetisches Werk für Klavier, Klarinette und Viola zu Gehör, der Konzertsänaer Charles Robertson sang mit herrlicher Stimme einige Lieder und zwar Heinrich der Vogler von Löwe, Herdalück von Coquö, sowie ein irisches Volks lied, und der Schriftsteller Johannes Cotta geißelte in seiner bekannten satirischen Weise das gegenwärtige Kine- matographenmescn. Weitere deklamatorische sowie musikalische Vorträge und ein flottes Tänzchen beschlossen den Abend. * Der deutsche Bortruppbund (Ortsgruppe Dres den) veranstaltete kürzlich einen Vortragsabend, an dem Hr. Schriftsteller Franziskus Hähnel, Geschäftsführer des Bündes, über: ,,Die Entstehung der Bortrupp- bcwegung und ein Jahr Bortrupparbeit" sprach. Dell Ausgangspunkt für diese neue Bewegung bildet das Erscheinen des Dürerbundbuches „Helmut Harringa" voll Hermann Popert, ein Buch, das in erster Linie zum Nach denken anregen will und auck schon Tausenden zu einem tiefen, inneren Erlebnis geworden ist. Ferdinand Avenarius der dieses Buch herausgegcben hat, schickt ihm ein Geleit wort voraus, wann er sagt: „Möge dieses Buch im deutschen Kolke ein Volksbuch werden für Mann und Frau, für alt und jung, für hoch und niedrig, für gebildet uno ungebildet, das ist der Wunsch, mit dem es der Dürerbund in die Welt schickt! Poperts Harringa kommt geradewegs vom Leben von heute. Das Buch ist aus Wahrhaftigkeit gewachsen und hat in seinen Adem vom Herzen her sehr warmes Blut. Es wird zu vielen sprechen. Und wird mele ermutigen, daß sie nun auch handeln." Die Wirkung dieses Buches war nun in der Tat ganz eigenartig, und sie erklärt das allmähliche Wachsen des deutschen Vortmppbundes. Der Verfasser schildert im fünften Kapitel schon einen Vertreter des Vor- trnppgedankens und ruhte nicht eher, als bis er selbst den dort entwickelten Plan in die Wirklichkeit umsetzen konnte. So erschien am 1. Januar 1912 eine Zeitschrift, die ein Spiegelbild aller derjenigen Bewegungen sein will, die am Werke sind, in irgendeiner Richtung dem deutschen Volke zu helfen: „Der Vortrupp". Seine vornehmste Aufgabe erblickt er aber darin, die Gleichgültigkeit zu bekämpfen und das Gefühl der Mitverantwortlichkeit zu wecken. Helfen will der „Vortrupp" auch dort, wo nützliche, wertvolle Kräfte verloren gehen, weil sie sich unter den heutigen Verhält nissen nicht entwickeln können. Er ist der Grundfeind alles Totschweigens. Allem Gesunden, was in unserm Land und Volk wächst, will er Gelegenheit geben, gehört zu werden, und zwar so, daß es unbedingt gemeinverständlich ist. Im Laufe des Jahres haben sich die Bortruppleser im ganzen Deutschen Reiche zu gemeinsamer Arbeit in einem Bund zusammengeschlossen, dem Deutschen Vortmppbund, der in über 90 Ortsgruppen lose organisiert ist. Tie Gruppen find nicht Vereine, sondern „Tatgemeinschaften", die den Gedanken des „Vortrupps" möglichst weite Verbreitung und Geltung verschaffen wollen, vor allem in den Kreisen, die sich Aegm alles Bereinswesen abschließen, die aber ein warmes Herz für die Nöte unserer Zeit haben. — Hr Hähnel schil derte dann die Arbeitsweise solcher Bortruppgruppen, wie sie z B. in Jena, Leipzig, Nürnberg, Bremen, Hamburg u. a erfolgreich tätig sind, und gab eine Fülle wertvoller Anregungen aus seiner eigenen, reichen Erfahrung. Seinen Ausführungen wurde warmer Beifall gezollt. Die fich au- schließende Wechselrede hielt Vortruppfreunde und Gäste un Saale der Weißen Schleife noch längere Zeit beisammen, wo auch die nächsten Zusammenkünfte stattsinden. * Eine Ausstellung von Gesellenstücken hat der Dresdner JnuunaSausschuß gegenwärtig im Städtischen AuSstellungSpalaste veranstaltet. Wohl sämt liche Dresdner Innungen haben sich an der reichhal- tigen und hochbeachtenswerten Ausstellung beteiligt, die einen Beweis von der Vielseitigkeit und den ausgezeich neten Leistungen des Dresdner Handwerkes erbringt. Et ist kaum möglich, auf alle Einzelheiten einzugehen; bemerkt sei nur, daß besonders schöne Arbeiten von der Töpfer» und Baumeisterinnung, von der Kreisinnung der Metall-, Gelb- und Rotgießer und der Metalldreher- und Jnstallateurinnung, von der Klempner- und Kupferschmiede- innung, sowie von der Schuhmacher, Tapezierer-, der Glaser- und der Tischlerinnung ausgestellt sinv. Daneben behaupten sich die feinen Arbeiten der Uhrmacher- und der Goldschmiedeinnung, die schönen Bronzearbeiten der Gürtlerinnuna, sowie die sauber ausgeführten Gesellen stücke der Großuhrmacher- und Büchsenmacherinnung, der Sporer- und der Schlosserinnung. Auch die Korbmacher- innuug, die Schmiedeinnung, die Zeugschmiede-KreiSinnung, die Innungen der Buchbinder und der Dresdner Buch- druckereibesitzer, ferner die Sattler-, Riemer- und Täsch nerinnung und die Kürschnerinnung haben prächtige Arbeiten zur Ausstellung gebracht. Besonders wirksam find die Ausstellungsgegenstände der Bildhauer- und Malerinnung rc. Auch die Barbier-, Friseur- und Perückenmacherinnung. die Lackierer- und Schriftmaler innung, die Böttcher rc. fehlen nicht. Die Ausstellung vnrdr bereits am Sonnabend und auch gestern von Er. König!. Hoheit dem Kronprinzen mit hohem Interesse besichtigt. Ferner erschienen die Herren Geh. Kegierungsräte Stadler, vr. Morgenstern und vr. Lantzsch, der König!. Gewerbeschulinspektor Gewerberat Benisch und andere Vertreter der Königl. und städtischen Be hörden, um die Ausstellung in Augenschein zu nehmen. * DaS Restaurant, das an Stelle des abgebrochenen Helbigschen Etablissements am Opernplatz errichtet wurde, geht seiner Vollendung entgegen und soll am 10. Mai (Pfingstsonnabend) eröffnet werden. Durch das Entgegenkommen der Stadtverwaltung, insonderheit de- Hrn. StadtbauratS Prof. Erlwein, und des Pächters ist der Verein Dresdner Presse in die Lage gesetzt worden, der Dresdner Gesellschaft schon vorher die Pforten dieses reizenden Gebäudes zu öffnen und daS von Künstlerhänden mit auserlesenem Geschmack und feinstem Kunstempfinden geschmückte Innere deS CafLs, der Weinstube und der Bierhalle sowie die Terrassen und Balkone zu zeigen, nachdem tagS vorher Prof. Erlwein vor einem geladenen Kreis eine intime Gesellschaft in den Räumen gegeben hat. Der Verein wird Donnerstag, den 8. Mai, von nachmittags Uhr ab einen Lee ver anstalten, z« dem er die Dresdner Gesellschaft einladet und wozu von Mitte nächster Woche ab in der Hos- Musikalienhandlung von Nies Karten käuflich zu haben sein werden, deren Preis 5 M. betragen soll, wobei natürlich die gesamte Bewirtung einbegriffen ist. Zur Unterhaltung werden künstlerische Vorträge beitragen, die vorzugsweise auf einen heiteren To» gestimmt sein werden. * Eine wichtige foziatpolitische Einrichtung hat der in Dresden bestehende Verein zur Konfirmandenaus steuerung geschaffen, der gegenwärtig in ganz Sachfen nicht weniger als 487 Kassenstellen unterhält und nach dem 36. Rechenschaftsberichte für 1912 insgesamt 50 302 Mit glieder mit 75551 Kindern zählte. Der Berein hat den Zweck, den Eltern der Konfirmanden zur Entlassung aus der Schule eine Aussteuer zu sichern, damit die Eltern für ihre Kinder einen guten Konfirmationsanzug und wenn möglich auch noch eine Sparsumme zur Erlernung eines Berufes nach der Entlassung aus der Schule sammeln und für die Zeit der Konfirmation zur Verfügung haben. Die Bedeutung dieser Einrichtung liegt ohne weiteres klar aitf der Hand. Und das segensreiche Wirken des Vereins läßt sich aus der Tatsache feststellen, daß er während seines 36jährigen Bestehens insgesamt 8 577 048 M. Spargelder angesammelt und ohne Einrechnung der Zinsen 5 982 966,85 Mark ausgezahlt hat Im Jahre 1912 erhielten allein 8655 Konfirmanden 578 928,70 M Bargelder, sodaß auf einen Konfirmanden im Durchschnitt 66,88 M. entfielen, wozu noch 3 Proz. Zinsen kamen. Am Schlüsse des Jahres 1912 verfügte der Berein über ein Bernrögen von 2 762 160,34 M. Der Vermögenszuwachs im letzten Geschäftsjahre bezifferte sich auf 233 047,38 M Infolge seines reellen Geschäfts gebarens genießt der Verein großes Vertrauen im Publi kum und besonders auch in der sächsischen Lehrerschaft, die den Eltern den Beitritt empfiehlt. Auch in anderen Bundesstaaten hat das Vorgehen des Dresdner Vereins Nachahmung gefunden. * Wild-West ist immer noch die Parole des Zirkus Sarrasani. Mittwoch und Sonnabend 3 Uhr geht das Schaustück — nebst dem vorausgehenden equestrischen Teil — aus dem nur erwähnt seien die Seelöwen, die sibirischen Tiger, Chinesen, Japaner und die Verächter des Todes rc. zu halben Preisen ungekürzt in Szene. Die demnächst bevorstehende Abreise deS Unternehmens von Dresden wird es nötig machen, die gebotenen letzten Gelegenheiten baldigst zu benützen. * Einen eigenartigen Selbstmord beging der hier auf der Kurfürstenstraße wohnhafte 82 jährige Renten- empfänger Karl Hennig. Der alte Mann hatte seine Wohnung in Brand gesteckt und wurde von der Feuer wehr als Leiche aufgefunden. Er wurde nach dem St. Pauli-Friedhofe gebracht. Lebensüberdruß dürfte der Grund zu der Tat gewesen sein. Nus dem Reiche. Berlin, 20. April. Der König von Schweden ist heute früh hier eingetroffen und nach kurzem Aufent halt in der schwedischen Gesandtschaft nach Stockholm weitergereist. * Berlin, 21. April'. Im Befinden des erkrankten Reichsbankpräsidenten Havenstein hat die Besserung nicht angehalten. In später Nachtstunde nahm die Krankheit eine schlimme Wendung. Berlin, 21. April. Das stürmische Wetter des gestrigen Sonntags brachte viele Ruderer und Segler auf den märkischen Gewässern in Gefahr. Auf der Oberspree wurde daS Segelboot deS Maurerpoliers Brückner aus Berlin zum Kentern gebracht. Während sechs erwachsene Per sonen mit knapper Not gerettet werden konnten, fanden die beiden Kinder Brückners, zwei Knaben im Alter von 7 und 9 Jahren, den Tod in den Fluten. Die Leichen sind geborgen und einstweilen von der Polizei beschlag nahmt worden. Auch auf dem Müggel- und Wannsee kenterten mehrere Segelboote. Die Insassen konnten sämtlich gerettet werde». Berlin, 20. April. I» Dahlem fand heute in An wesenheit des Ministers des Innern vr. v. Dallwitz die Einweihung des neuen Dienstgebäudes der Königl. Lande-anstalt für Wasserhygiene statt, zu der sich auf Einladung der Anstaltsleitung zahlreiche Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden eingefunden hatten. Die im Jahre 1901 gegründete Anstalt verdankt ihre Entstehung den unermüdlichen Bestrebungen deS in zwischen verstorbenen Wirkt. Geh. Obermedizinalrat- Prof. vr. Schmidtmann nach Schaffung eines auf wissen schaftlicher Grundlage aufgebauten Instituts, da- auf dem Gebiete der Wasserversorgung und der Beseitigung von Abwässern und Abfallstoffen den staatlichen und kom munale» Behörden wie Privaten zuverlässigen Rat zu erteilen in der Lage sein sollte. Die zunächst von dem Geheimrat Schmidtmann und seit dem Jahre 1910 von dem Referenten für Kommunalhygiene im Ministerium des Innern Geh. Obermedizinalrat vr. Abel geleitete Anstalt, die bisher in Mieträumen in Berlin unter gebracht war, hat fich trotz ungünstiger räumlicher Ver hältnisse rasch zu einem von allen beteiligten Kreisen gern in Anspruch genommenen Institut entwickelt. Nach dem der Anstaltsleiter Geheimrat Abe! hierüber einen kurze» Überblick gegeben hatte, wünschte Exzellenz v. Dall witz in seiner Ansprache der Anstalt in ihrem neuen Heim ein weiteres gedeihliche- Fortschreiten zum Wohle der Gesunderhaltung der deutschen Nation. Speyer, 31. April. Auf Anordnung des Reichs- anwalts ist die Haft gegen den französischen Haupt mann de Lemerle wieder aufgehoben worden. Dieser ist gestern vormittag nach der französischen Grenze abgereist. Nürnberg, 20. April. Gestern wurde daS große KraftwerkFranken als fränkische übe rlandzentrale eingeweiht. München, 20. April. In einem Hausgange der Reichenbachstraße hat in der Nacht zum Sonntag der Metzger Hager seine frühere Geliebte, eine Kellnerin, durch Messerstiche getötet und ihren Begleiter, einen Wirtssohn, durch Messerstiche schwer verletzt. Der Täter wurde sofort festgenommen. Das Motiv ist Eifersucht. N«» de« «u-lnnde. * Zu dem Borfalle in Nancy liegen noch folgende Meldungen vor: Christiani«, 20. April. „Tidens Tegn" meldet laus Spitzbergen, daß vorgestern abend in Adventbai Berlin, 20. April. Die „Norddeutsche All gemeine Zeitung" schreibt: Nach den Maßregeln welche die sranzüsische Regierung zur Korrektur der gegen deutsche Gäste in Nancy verübten Ausschreitungen ge troffen hat, können wir Hosse», daß nun auch die Ver suche französischer Blätter aufhören, die Vorfälle zu be schönigen oder sie als von deutscher Seite künstlich auf- aebauscht hinzustelle». Insbesondere wurde behauptet, oaß rin von Wolffs Telegraphenbureau übernommener Bericht der „Lothringer Zeitung", dessen Angaben die Untersuchung deS Hrn. Ogier in de» mcisten Punkten bestätigt hat, in tendenziöser Absicht verbreitet worden sei. Wir erinnern daran, daß die erste Nachricht von der „Agence Havas" stammte und die Sache so darstellte, als ob die deutschen Gäste, angeblich Offiziere, durch Ver spottung der französischen Armee die schimpflichen Szenen provoziert hätten. Das ist auch durch die französische Untersuchung positiv widerlegt worden. Wen» die fran zösische Publizistik aufrichtig wünscht, daß solche Aus brüche eines überhitzte» Chauvinismus wie die in Nancy vereinzelt bleibe», wird sie selbst durch ihre künftige Haltung viel dazu beitragrn können. Pari-, 19. Avril. Im heutigen Ministerrat im Elysse hat Ministerpräsident Barthou über de» Zwischen fall von Nancy und die Maßnahmen, durch die der Zwischenfall erledigt wird, Bericht erstattet. Der frühere Präfekt, Titulardirektor im Ministerium des Innern, Reboul, ist an Stelle des Präfekten Bonuet zum Prä fekten des Departements Meurthe-et-Moselle, Bonnet zum Generalschatzmeister des Departements Aisne er nannt worden. Paris, 19. April. Die von der Regierung iu der» Nancyer Vorfälle getroffenen Entschließungen werde» vo» einem ansehnlichen Teil der Presse rückhaltlos gut ge heißen, von de» konservativen und nationalistischen Blättern dagegen scharf getadelt. — Der „Figaro" schreibt: Das Land wird die von der Regierung mit ebenso viel Schnelligkeit wie Energie getroffenen Straf- maßnahmen einmütig billigen. Der Zwischenfall ist da mit erledigt. Unsere Nachbarn, die nunmehr über die Einzelheiten der Ausschreitungen vollständig unterrichtet sind, werden in den freimütigen amtlichen Entscheidungen die öffentliche Bekundung unseres Wunsches erblicken, zwischen zwei großen Nationen, die miteinander in Frieden leben sollten, jeden Anschein von Herausforderung oder auch nur von Unhöflichkeit zu vermeiden. Sie werden unseren aufrichtigen Wunsch anerkennen, ihnen wie allen anderen gegenüber den guten Ruf der Gastlich keit zu wahren, den die Völker uns stets zuerkannt haben. — „Petit Parisien" äußert sich: Frankreich hat be wiesen, daß es seinem traditionellen Rufe höflicher Gast freundlichkeit treu bleibt. — Der „Nadical" schreibt: Wir sind überzeugt, daß die deutsche Regierung diese Lösung geziemend würdigen wird, und wir hoffen, daß die alldeutsche Presse die Ungerechtigkeit einsehen wird, die sie dadurch begangen hat, daß sie ganz Frankreich mit den von einigen Schreiern begangenen Ausschreitungen solidarisch erklärt. — Der „Rappel" sagt: Hoffentlich wird Deutschland einsehen, daß es in dieser Bahnhofs- affäre von seinem Ansehen nichts eingebüßt hat. Frank- reich ist über die Feststellung glücklich, daß kein Offizier und kein Beamter in direkter Weise in dieser albernen Geschichte kompromittiert worden ist. —Das nationalistische „Echo de Paris" schreibt unter dem Titel „Eine be dauerliche Lösung": Die amtliche Mitteilung wird im ganze» La»de peinliches Erstaunen Hervorrusen. Die strengen Maßnahmen finden in dem Bericht keinerlei Rechtfertigung. Die öffentliche Meinung wird daraus unvermeidlich den Schluß ziehen, daß diplo matische Gründe maßgebend waren, deren Geltend machung die Würde Frankreichs nicht gestatten sollte. Man wird darauf Hinweisen, daß die französische Ne gierung nicht erst die Übermittlung der Ergebnisse der deutschen Untersuchung abgewartet habe, um ein- zugreifen. Aber was hätten die Deutschen auf Grund ihrer Untersuchung noch mehr verlangen können! — — „Libre Parole" schreibt: Man wird mit pein lichem Gefühl erfahren, daß die Regierung sich so be eilt hat, Strafmaßnahmen zu tresfen, die in keinem Ver hältnis zu dem Zwischenfall stehen. — Der „Temps" schreibt unter heftigen Ausfällen gegen die deutsche Presse: Wir könne» zwei Lehren aus der Sache ziehen 1. müsse» wir über die Nachlässigkeit in unserem Ver- waltung-leben Nachdenken, vo» der uns der Nancyer Zwischenfall ein Beispiel geboten Hal nnd die ohne den Zornesausbruch der Deutschen weiter fortbestehen würde; 2. haben wir die Nervosität der öffentlichen Meinung Deutschlands kenne» gelernt. Unser Parla ment wird zu entscheiden haben, ob Frankreich sich darein schicken soll, Deutschland gegenüber um die Hälfte schwächer dazustehe». Wenn die französische Regierung anstatt die gerechtfertigten Genugtuungen zu bewilligen, dieselben verweigert hätte, könnte der Ton der deutschen Presse nicht aggressiver sein. Deshalb drängt sich wohl die Frage aus: Was nützt es, mit Courtoisie vorzugehen, wenn diese Courtoisie nicht erwidert wird? — Das „Journal deS Döbats" polemi siert gegen die Forderung einzelner deutscher Blätter, daß die deutsche Regierung in Paris den Ausdruck des Bedauerns verlangen solle, und bemerkt: DaS Berliner Kabinett wird dieser Aufforderung nicht entsprechen, denn cs weiß, daß man amtlich das Bedauern nur ausdrückt, wenn Beamte in der Ausübung ihres Amtes im Spiele sind. In Frankreich hält man die getroffene» Maßnahmen für zu streng. Unserer Ansicht »ach war diese Strenge unabweislich notwendig; denn waS in einer Stadt im Innern Frankreichs eine bloße Nachlässigkeit wäre, wird in Nancy zu einem schweren Fehler. Paris, 20. April. Mehrere Blätter geben dem dringenden Wunsche Ausdruck, daß chauvinistische Theaterstücke und sonstige Schaustellungen im Interesse der friedlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland aufhören mögen. Paris, 20. April. In einer offiziösen Mitteilung wird angekündigt, daß die Ostbahngesellschast bereit sei, etwaige Entschädigungsansprüche der bei ihrem Besuch in Nancy insultierten deutschen Reisenden zu erfüllen.