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KONGRESS - SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, 2. Mai 1961, 19.30 Uhr Mittwoch, 3. Mai 1961, 19.30 Uhr 16. Außerordentliches Konzert DIRIGENT Siegfried Geißler EDVARD GRIEG PEER GYNT Musik zu einem dramatischen Gedicht von HENRIK IBSEN Für die Konzertaufführung eingerichtet von Wolf Goette Peer Gynt Solvejg Bäuerin Aase (Peers Mutter) Ingrid Die Grüngekleidete Anitra Erzähler Dietrich Körner Traute Richter Lotte Gruner Erika Schischke (2.5.61) Monika Naumann (3.5.61) Hannes Fischer vom Staatsschauspiel Dresden und der Landesbühne Sachsen, Radebeul Es singt: Solvejgs Lied Solvejgs Wiegenlied Traute Richter Programmfolge der Musikstücke: Vorspiel zum 1. Akt (Im Hochzeitshof) — Norwegischer Brautzug im Vorüberziehen — Halling — Vorspiel zum 2. Akt (Der Brautraub — Ingrids Klage) — Szene mit der Grüngekleideten — In der Halle des Bergkönigs — Tanz der Tochter des Bergkönigs — Peer Gynt von den Trollen gejagt — Szene mit dem Krummen — Vorspiel zum 3. Akt (Tief im Innern eines Nadelwaldes) —- Aases Tod PAUSE Vorspiel zum 4. Akt (Morgenstimmung) — Arabischer Tanz — Anitras Tanz — Solvejgs Lied — Vorspiel zum 5. Akt (Peer Gynts Heimkehr — Stürmischer Abend an der Küste) — Solvejgs Gesang in der Hütte — Solvejgs Wiegenlied EIN BRIEF HENRIK IBSENS AN EDVARD GRIEG Dresden, 23. Januar 187^ Lieber Herr Grieg! Ich richte diese Zeilen an Sie aus Anlaß eines Planes, mit dessen Ausführung ich um gehe, und weswegen ich Sie fragen möchte, ob Sie mittun wollen. Es handelt sich um folgendes: Ich beabsichtige, „PeerGynt“ für dieAufführung auf der Bühne einzurichten, Wollen Sie die erforderliche Musik komponieren? Ich werde Ihnen in aller Kürze andeuten, wie ich mir die Einrichtung denke. — Der erste Akt wird ganz beibehalten, nur mit einigen Strichen im Dialog . . . Aus der Szene im Hochzeitshaus muß mit Hilfe des Balletts weit mehr gemacht werden, als im Buch steht. Hierzu muß eine besondere Tanz melodie komponiert werden, die sich gedämpft bis zum Schluß des Aktes hinzieht. — Im zweiten Akt muß der Auftritt mit den drei Säterinnen (Anm. In der Konzertsaal aufführung gestrichen) nach Gutdünken des Komponisten musikalisch behandelt wer den, aber der Teufel muß drin los sein! Dasselbe gilt für die Szene zwischen Peer und der Grüngekleideten. Ebenso muß eine Art von Begleitung zu den Auftritten in des Dovre-Alten Halle gemacht werden, wo im Dialog jedoch bedeutend gestrichen werden soll. A uch die Szene mit dem Krummen, die ganz gegeben wird, muß von Musik begleitet sein . . . Glockenläuten und Choralgesang ertönen weit aus der Ferne. — Im dritten Akt brauche ich Akkorde — aber sparsam —für die Szene zwischen Peer, dem Weib und dem Trolljungen. (Anm. Hierzu findet sich in der Griegschen Partitur nichts Entsprechen des.) Fast der ganze vierte Akt wird bei der Aufführung gestrichen. Statt seiner habe ich mir ein großes musikalisches Tongemälde gedacht, das Peer Gynts Umher schweifen in der weiten Welt andeutet: amerikanische, englische und französische Melodien könnten als wechselnde und wieder verschwindende Motive hindurchklingen. (Anm. Auch diesen Vorschlag hat Grieg auf Veranlassung des Theaterdirektors Josephson später nicht berücksichtigt, da auf der Bühne wesentliche Teile des vierten Aktes entgegen Ibsens Erwartungen zur Darstellung kamen.) Den Chor Anitras und der Mädchen hört man hinter dem Vorhang in Verbindung mit der Orchestermusik. Währenddessen geht der Vorhang auf, und man sieht gleich einem fernen Traumgebilde das (im Text des vierten Aktes) beschriebene Tableau, worin Solvejg als Frau mittleren Alters singend im Sonnenschein vor dem Hause sitzt. Nach ihrem Gesang fällt der Vorhang -wieder lang sam, die Musik wird vom Orchester weitergeführt und geht zur Schilderung des See Sturms über, womit der fünfte Akt beginnt ... So ungefähr habe ich mir das Ganze gedacht und erbitte mir nun Nachricht, ob Sie diese Arbeit übernehmen wollen. Wenn Sie darauf eingehen, so wende ich mich sofort an die Direktion des „Christianiaer- Theaters“, reiche ein eingerichtetes Textbuch ein und sichere uns im voraus dieAuf führung des Stückes. Als Honorar gedenke ich mir 400 Speziesthaler auszubedingen, die zu gleichen Hälften unter uns geteilt werden. Ich halte es für ausgemacht, daß wir auch auf die Aufführung des Stückes in Kopenhagen und Stockholm rechnen können. Aber ich bitte Sie, die Sache bis auf weiteres geheimzuhalten und mir sobald wie möglich zu antworten. Ihr freundlichst ergebener Henrik Ibsen. PS. Meine Adresse hier in Dresden ist: Wettiner Straße 22, zweite Etage. wurde geboren in Skien (Norwegen) am 20. März 1828 als Sohn eines Kaufmanns. Bereits während der Lehrjahre als Apo theker war er mit schriftstellerischen und dichterischen Arbeiten beschäftigt. 1851 wurde er als Bühnenleiter und Theater dichter nach Bergen an das norwegische Nationaltheater, 1857 in gleicher Eigen schaft nach Christiania (Oslo) berufen. — Durch den Unverstand des Publikums und die Kritik gekränkt, erbittert über Norwegens Verhalten im dänisch-preußi schen Konflikt, verließ er 1864 Norwegen und hielt sich bis 1891 vorwiegend in Italien und Deutschland (Dresden, Mün chen) auf. Erst mit dreiundsechzig Jahren kehrte er in die Heimat zurück. Er starb in In seinen frühen Werken gestaltet Ibsen natio- Christiania (Oslo) am 23. Mai 1906.— nalnorwegische Stoffe und geschichtsphilosophische Fragen, seine späteren Dramen behandeln zeitgenössische Probleme. Eine Strophe aus seinen Gedichten kennzeich net Werk und Wesen dieses größten norwegischen Dramatikers: ,,Leben — heißt dunkler Gewalten / Spuk bekämpfen in sich / Dichten — Gerichtstag halten / über sein eigenes Ich.“ Ibsens kritische Auseinandersetzung aber mit sich selbst und der Welt, mit Persönlichkeit und Gesellschaft wurzelt, trotz aller oft grimmigen Schärfe des Kampfes, in einem großartigen Optimismus, der im Glauben an die Heraufkunft einer neuen, vom Geist der Wahrheit und Freiheit beseelten Weltordnung nicht wanken zu machen ist. (Zu Ibsens bedeutendsten Dramen gehören u. a.: „Die Kronprätendenten“; ,,Brand“; „Peer Gynt“; „Kaiser und Galiläer“; „Die Stützen der Gesellschaft“; „Ein Puppenheim“ [Nora]; „Gespenster“; „Ein Volksfeind“, „Die Wildente“; „Rosmersholm“; „Die Frau vom Meere“; „Hedda Gabler“; „Baumeister Solneß“; t John Gabriel Borkmann“ und „Wenn wir Toten erwachen“.)