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Dresdner Journal : 06.12.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-191212060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19121206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19121206
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-12
- Tag 1912-12-06
-
Monat
1912-12
-
Jahr
1912
- Titel
- Dresdner Journal : 06.12.1912
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2. Beilage zu Nr. 284 des Freitag, 6.Dezember 1912. Reichstag Sitzung vom 5. Dezember 1912. Am BundesratStische: Staatssekretäre Delbrück, »kühn, Lisco, v. Tirpitz, Kraetke; Kriegsminister v. Heeringen; Präsident Wacker- zapp; später Reichskanzler v. Bethmann Hollweg. Vizepräsident Dove eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Das Andenken an den verstorbenen Abgeordneten Will (kons.) wird durch Erhebung von den Sitzen in der üblichen Weise geehrt. Sodann wird die erste Lesung des Etats sortgesetzt. Abg. Paasche (nl.): Wir würden eS bedauern, wen» durch die gestrige Erklärung deS Abgeordneten Spahn ein neuer Kultur kampf entstehen würde. Wir wünschen den konfessionellen Frieden. ES ist unverständlich, wie das Zentrum, das bekanntlich keine konfessionelle, sondern eine politisch nationale Partei sein will, in diesem Augenblicke mit einem Mißtrauensvotum vorgehen kann. Der Abg. Spahn hat kein Wort zum Etat gesagt. Alle anderen Interessen ließ er hinter diese einzige konfessionelle Frage zurück treten. Wenn ein folgenschwerer Konflikt kommen sollte, trifft die Schuld allein das Zentrum. (Sehr richtig!) Dem Reichskanzler danke ichsür seine warmen vortreffliche »Worte im Interesse der evange lischen Bevölkerung. Die Regierung hat oftmals ein Auge zugedrückt. .Keiner Partei ist es eingefallen, der Negierung des halb einen Borwurf zu machen. Die Enzykliken der letzten Zeit haben auch in weiten Kreisen der Katholiken eine tief gehende Er regung hervorgerufen. (Lebhaftes Sehr richtig!) Will das Zentrum der Regierung und dem Volke den Fehdehandschuh hinwersen, weil seinen Wünschen in bezug auf das Jesuitengesetz nicht Rechnung ge tragen wird? Ich hoffe, daß das nationale Empfinden im Zentrum auch Herr dieser Erregung werden wird. (Lebhaftes Bravo!) Ter Etat bietet an sich ein recht erfreuliches Bild. Bedauerlich ist nur, daß trotz aller guten Verhältnisse unsere Staatspapiere einen derartig niedrigen Kursstand haben. Man sollte viel mehr als bisher das Geld in wirtschaftlichen Unternehmungen fremder Länder anlegen nach dem Muster des Auslandes. Dadurch stärkt inan auch die politischen Interessen Deutschlands in diesen fremden Ländern. Wir sind bereit, den Forderungen für Heer und Flotte zuzustimmen. Die weitere Vermehrung des Veteranenfonds begrüßen wir. Ter Kolonialetat ist besonders erfreulich. Auf die kulturellen Fort schritte der Kolonien kann man stolz sein. (Bravo!) Ties gilt namentlich von Kiautschou. Wollen wir den Umsturz bekämpfen, so muß eine verständige Verwaltungspraxis und Rechtsprechung geschaffen werden. Dadurch werden zufriedene Menschen gemacht; und wenn wir die haben, dann brauchen wir uns vor der Sozial demokratie nicht zu fürchten. Abg. Wiemer (fortschr. Vp.): Bezeichnend ist, daß der Abg. Spahn kein Wort zum Etat gesprochen hat. Meines Wissens ist dies das erstemal im Reichstag der Fall gewesen. Ich hoffe, daß sich das in Zukunst nicht wiederholen wird. Der Reichskanzler hatte recht, wenn er die Schlußfolgerung zog, daß für das Zentrum die Jesuitenfrage der Eckstein seines Programms ist. Wenn das Zentrum jetzt aus Anlaß des BundeSratSbeschlusseS eine Kriegserklärung gegen Reichskanzler und Bundesrat erläßt, so muß es nun auch folgerichtig der konservativen Partei den Krieg erklären. Vielleicht zerschneidet Hr. Gröber nachher mit kräftiger Hand das Tischtuch an der Tafel, an der er bisher gesessen hat. (Zuruf des Abg. Gröber: Das glauben Sie ja selber nicht!) Wir billigen denBundesratsbeschluß völlig. Wir hoffen,daß eine gelinde Praxis auch in Zukunst angewandt wird. Das Zentrum behält sich seine Stellungnahme vor. Wenn es bi« Konsequeuzen hätte ziehen wollen, so hätte es schon Gelegenheit gehabt bei den Interpellationen der Sozialdemokraten (Widerspruch im Zentrum), oder bei dem Zusammenstoß mit dem Minister Frhrn. v. Schorlemer. Ein endgültiges Urteil über die Finanzreform kann man noch gar nicht fällen. Das Anleihewesen hat sich gebessert. Die Vorwürfe gegen die Börse sind nicht berechtigt. Der Ostniarkenzulage stimmen wir zu. Das Maß der Unzufriedenheit mit der wirt- fchaftlichen Lage ist im Volke bis zum Überlaufen voll. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Umschwung in unserer Handelspolitik bevorsteht. Ten Eisenbahnbanten in den Kolonien stimmen wir zu, wenn die Mittel in den Kolonien selbst ausgebracht werden. Die Notwendigkeit eines Neubaues der Kaiserjacht wird man uns in der Kommission nachweisen müssen. Er verlange, daß das Heer dem ganzen Volke offen steht. Die Kricgervereine sollen unpolitisch sein. Die politische Gesinnungs schnüffelei unter den Reserveoffizieren muß aufhören. Wir sind für eine gesunde Fortführung der Sozialpolitik. Auch wünschen wir, daß die Arbeiterorganisationen, die den Klassenkamps ab lehnen, sich kräftig entwickeln, insbesondere der Reichsverband liberaler Arbeiter. Wir gehorchen der Gesetzgebung, wollen sie aber freiheitlich ausgestalten. Dazu gehört eine gesunde Wahl reform in den einzelnen Bundesstaaten, besonders in Preußen. Abg. Arendt (Rp.)' Kein Augenblick ist ungeeigneter für die Verschärfung der konfessionellen Gegensätze als der jetzige. Als Grund der Verschärfung ist der BundeSratsbeschluß nicht anzusehen. Gegen die praktische Auslegung des Jesuitengesetzes werden be rechtigte Klagen nicht erhoben. Die Finanzreform hat zur Besse rung unserer wirtschaftlichen Lage mitgeholfen. Vielleicht läßt sich die Börsensteuer auf Reichs- und StaatSpapiere ausdehnen. Zu erwägen ist, ob die Durchführung der HeereSvorlage nicht be schleunigt werden muß. Hinsichtlich der Kriegsteilnehmer ist nnS lein Staatssekretär so entgegengekommen, wie der jetzige. Hoffent lich wird nnn auch die Herabsetzung der Altersgrenze für die Alters versicherung vom 70. auf das 65. Lebensjahr erreicht werden. Die Kaiserjacht muß durchaus seetüchtig sein, was man von der jetzigen nicht sagen kann. Tie Reichswertzuwachssteuer entspricht nicht den Erwartungen. Wir müssen uns gegen den Radikalismus wenden. TaS hat für die äußere wie auch für die innere Wirt schaftspolitik die grüßte Bedeutung. (Bravo! rechts.) Abg. Seyda (Pole): Bei uns herrscht große Erregung über das Enteigmmgsgesetz, das den Gegenstand einer Interpellation bilden wird, weil eS gegen die Moral verstößt. (Vizepräsident Dove bittet den Redner, sich zu mäßigen.) Der Standpunkt des Zentrums in der Jesuitenfrage wird von uns geteilt. Abg. Alpers (Welfe): Eine Zollunion zwischen Deutschland und Osterreich-Ungarn ist dringend erwünscht. In die mecklen burgische Verfassung einzugreifen, oder auch für die Verschmelzung Braunschweigs und Oldenburgs mit Preußen einzntreten, haben wir als Anhänger deS förderativen Gedankens keinen Anlaß. Wir sind keine Partikulansten. Unsere vaterländische Gesinnung unter liegt keinem Zweifel. Wir sehen in dem Welsenhause keine über- irdische Gestalt. Wir glauben nnS aber als freie Männer ihm zu unbedingter Treue verpflichtet. Daneben halten wir unserem geliebten deutschen Vaterlande die Treue. (Beifall bei den Welfen.) Abg. Lensch (soz.): Ter Abg. Spahn hat eine rechte Jesuiten- «de gehalten. Das ist charakteristisch in einem Augenblicke, wo die Opposition in den katholischen Arbeiterkreisen aufflackert. Man will durch Erweckung der konfessionellen Triebe die Arbeitermassen ablenken von den Koalitionsgedanken und den Teuerungs verhältnissen. Es ist nicht national, den Klassenkampf, wie eS der Reichskanzler und die rechtsstehenden Parteien tun, zu bekämpfen. Unter dem Schutzzölle haben die arbeitenden Klassen nur schwer zu leiden, sodaß er als Raubzoll erscheint. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Kurze Anfragen. Fortsetzung der heutigen Tebatte. Schluß dt? Uhr. Die Abgeordneten Vietmeyer und Behrens haben im Reichstage folgende Anfrage eingebracht: Gedenkt derHr.Reichs- kanzler Maßnahmen gegen daS Vordringen de- amerikanischen Tabaktrustes in Deutschland zu treffen, um den Tabakbau, die Tabakindustrie und den Handel sowie die darin Beschäftigten gegen Schädigungen zu schützen? Die Berficherungspflicht polnischer Arbeiter österreichischer oder russischer Staats angehörigkeit. Auf Grund der Bestimmung deS 8 4 Absatz 2 des früheren Jnvalidenversicherungsgesetzes hatte der Bundes rat mit Gesetzeskraft vom 1. April 1904 beschlossen, daß rolnische Arbeiter russischer oder österreichischer Staats angehörigkeit, denen der Aufenthalt im Jnlande nur für eine bestimmte Zeit behördlich gestattet ist, der Ber- 'icherungspslicht nach dem Jnvalidenversicherungsgesetze nicht unterliegen sollen, wenn diese Arbeiter in inländischen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben oder in deren Nebenbetrieben beschäftigt werden. Dieser Bnndesrats- beschlust war für das Gebiet des Königreichs Sachsen nicht zur Anwendung gekommen, weil in Sachsen all gemeine behördliche Aufenthaltsbeschränkungen für die hier beschäftigten polnischen Arbeiter nicht bestanden haben. Es waren daher in Sachsen die in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten polnischen Arbeiter russischer oder österreichischer Staatsangehörigkeit ebenso der Jnvalidenversicherungspflicht unterworfen wie alle anderen inländischen Arbeiter. Zufolge einer Verordnung des Königl. Ministeriums des Innern vom 29. Juli 1912 ist nunmehr den pol nischen Arbeitern russischer oder österreichischer Staats angehörigkeit der Aufenthalt auch in Sachsen von der Behörde nnr für bestimmt-- Zeit gestattet. Es sind also nunmehr von diesem Zeitpunkte ab gemäß 8 1233 der Reichsversichcrungsorduung, der an die Stelle des 8 4 Absatz 2 des Jnvalidenversicherungsgesetzes getreten ist, und gemäß der Bekanntmachung des Reichskanzlers, be treffend die Befreiung von Ausländern von der Ver- sicherungspflrcht nach dem Jnvalidenversicherungsgesetze vom 7. März 1901, die in inländischen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben oder in deren Ncben- betrieben beschäftigten polnischen Arbeiter russischer oder österreichischer Staatsaugehörigkeit vou der Versichcrungs- pslicht uach dem Jnvalideuversicherungsgesctz befreit, es sind also für diese Arbeiter von den Einzugsstellen Beiträge nicht mehr zn erheben. Es haben aber deren Arbeitgeber gemäß 8 1233 Absatz 2 der Reichs- versicherungsordnung so viel zu bezahlen, wie sie aus eigenen Mitteln zn entrichten hätten, wenn djese ge nannten Arbeiter versicheruugspflichtig wären. Für die Entrichtung dieser Beträge ist die Bekanntmachung des Neichsversichernngsamts vom 31. März 1902 maßgebend. Danach haben die Arbeitgeber, die polnische Arbeiter- russischer oder österreichischer Staatsangehörigkeit beschäf tigen, die nach der vorerwähnten Bekanntmachung von der Versicherungspflicht befreit sind, binnen drei Tagen vom Beginne der Beschäftigung an ge rechnet, dies dem Vorstand anzuzeigen. Arbeit geber, welche Ausländer der bezeichneten Art seit 26. Juli 1912 beschäftige« bez. beschäftigt haben haben die vorgeschriebene Anzeige sofort zu er statten. Der Vorstand übersendet hierauf dem Arbeitgeber ein Muster für eine Nachweisung, die der Arbeitgeber für das laufende Halbjahr (vom 1. Januar bis zum 30. Juni oder vom 1. Juli bis zum 31. Dezember) genau und vollständig auszusüllen und bis zum 1. August bez. 1. Februar, also erstmalig bis zum 1. Februar 1913 dem Vorstände der Versicherungsanstalt zuzusenden hat. Nach Prüfung der Nachweisung wird bei der Versicherungsanstalt der für das abgelaufene Halbjahr zu entrichtende Betrag festgesetzt und vom Arbeitgeber unter Mitteilung der Unter lagen der Berechnung eingehoben. Marken dürfen für die vom Arbeitgeber nach halber Höhe des sonst vorgeschriebenen Wochenbeitrags zu entrichtenden Beiträge nicht verwendet werden. Arbeitgeber, die den ihnen hiernach obliegenden Verpflichtungen nicht Nachkommen, können gemäß K 1488 der Reichsversicherungsordnung vom Vorstand der Landes- Versicherungsanstalt mit Geldstrafe bis zn 300 M. belegt werden. Die unrichtige oder nicht vollständige Ausfüllung der übersandten Nachweisung kann uach 8 1487 der Reichsversichcrungsorduung mit Geldstrafe bis zu 500M. belegt werden. Die Krankenkassen und Gemeindebehörden, denen in Sachsen die Einziehung der Beiträge für die Invaliden versicherung übertragen ist, haben also für die nach Obigem von der Versicherungspslicht befreiten polnischen Arbeiter keine Beiträge zur Invalidenversicherung mehr ein zuheben. Es ist daher zu beachten, daß die Befreiung sich nur auf die Invalidenversicherung, nicht anch ans die Kranken versicherung bezieht und daß sie auch nur für polnische Arbeiter russischer oder österreichischer Staatsangehörigkeit (nicht also polnische Arbeiter deutscher Staatsangehörig keit), die in land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe» oder deren Nebenbetrieben beschäftigt werden, gilt. Ebenso gilt die Befreiung von der Jnvalidenversicherungspflicht nicht für polnische Arbeiter russischer oder öster reichischer Staatsangehörigkeit, die in industriellen Betrieben (zum Beispiel auch in gewerblichen nicht als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb anzusehendcn Ziege leien) oder ausnahmsweise bei Eisenbahn-, Kanal-, Chaussee- und Wegebauten beschäftigt werden. Die Befreiung von der Versicherungspslicht ist auch aus geschlossen für gelernte polnische Arbeiter, die bereits bei Erlaß der Verordnung des Königl. Ministeriums vom 26. Juli 1912 in einem das Merkmal der Taner tragenden Arbeitsverhältnisse stehen und eine feste Wohnung haben. Die Feier des 50 jährigen Bestehens der sächsischen Handelskammern. Dresden, 6. Dezember. Das Festmahl. An den Festaktus im Sitzungssaale der Dresdner Handelskammer schloß sich abends ^6 Uhr ein glänzendes Festmahl im Konzertsaale des städtischen Ausstellungs palaste, an dem wiederum zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten teilnahmen. Es waren anwesend Ihre Exzellenzen die Herren Staatsminister DDr. Beck, Gras Vitzthum v. Eckstädt, v. Seydewitz und Dr. Nagel, der Präsident der Zweiten Ständekammer Hr. Dr Vogel, die Ministerialdirektoren Wirkt. Geh. Rat Exzellenz Dr. Schroeder und die Geh. Räte Di. Roscher, Dr. Rumpelt und Heink, der Präsident der Generalzolldirektion Geh. Rat Härtig, Oberbürgermeister Geh. Rat DDr. Beutler, Oberbürgermeister Dr. Dittrich-Leipzig, Oberbürgermeister Di. Dehne-Plauen und Oberbürgermeister Dr. Külz-Zittau, ferner die Herren Kreishauptmann Dr. v. Oppen-Dresden, Kreishauptmann v. Craußhaar-Bautzen, Kreishauptmann Dr. Fraustadt-Zwickau, Kreishauptmann Lossow-Chemnitz, die Geh. RegierungSräte Dr. Stadler und Dr. Morgenstern, die Vorsitzenden der fünf sächsischen Handelskammern so wie die Mehrzahl der Mitglieder derselben u. a. Die Tafeln waren mit Chrysanthemen und anderen Herbst blumen festlich geschmückt. Den ersten Trinkspruch brachte Hr. Kommerzienrat Gulden-Chemnitz ans. Er hieß die Vertreter der Reichs-, Staats- und städtischen Behörden herzlich willkommen. Während das 50jührige Jubiläum eines Menschen wohl bedeuten könne, daß der Ausbau seines Wissens beendet sei, so bedeute für eine Körperschaft ein solches Alter noch keinen Abschluß. Sie habe aber nach einem 50jährigen Zeitabschnitte die Pflicht, zurückzuschauen und zu erwägen, ob sie den an sie gestellten Anforderungen geilügt habe und ob sie auch «och in Zukunft Ersprießliches leisten könne. Er könne nun jedenfalls heute feststellen, daß bei den Arbeiten der sächsischen Handelskammern immer ein hoher Geist und hoher Gemeinsinu gewaltet habe und daß Treue und Anhänglichkeit zu Thron und Vaterland bei den sächsischen Kammern stets eine Pslegstütte ge funden hätten. Der Redner wies am Schlüsse seiner Ausführungen auf die hohe Ehre hin, die den Kammern durch die Anwesenheit Sr. Majestät dcS Königs beim Festaktns zuteil geworden sei und schloß mit einem drei fachen Hoch auf Se. Majestät den König und Se.Majestät den Kaiser, die Förderer von Industrie und Handel. An zweiter Stelle sprach Hr. Geh. Kommerziellrat Waentig-Zittau. Er begrüßte insbesondere die Herren Staatsminister, deren Erscheinen die Handelskammer mit dem Bewußtsein erfülle, daß die ihnen gestellten Aufgaben sich nicht erschöpfen in der Befriedigung und Förderung privatwirtschaftlicher Interessen, sondern daß sie untrenn bar verknüpft sind mit den Gesamtinteressen des Staates. Dankbar erkennten die Handelskammer» an, daß die Maß nahme» dec Staatsregierung von dem Bestreben geleitet seien, die Produktivkraft unserer Volkswirtschaft zn heben und den Lebensbedingungen der von den Handelskammer» vertretenen Berufsstände gerecht zu werde». Mit beson derer Genugtuung begrüße er deshalb auch heute die Anwesenheit der Herren Ministerialdirektoren, der Vorstände der Kreishauptmannschaften und der vor- tragendeu Räte im Ministerium des Innern. Leider sei der Hr. Präsident der Aeneraldirektion der Staatseisenbahuen verhindert, au dem Festmahle teil zunehmen. Dagegen erfülle es die Versammlung mit Freude, den Hr». Präsidenten der Generalzolldirektion in ihrer Mitte zu wisse». Auch der Vertreter des Prä sidenten des Reichsbankdirektoriums sei zur Freude der Kammer der Einladung gefolgt. Ebenso begrüße er freudig die Anwesenheit der Spitzen der drei Oberpostdirektionen Sachsens. Der Redner schloß mit dem Ausdrucke des tiefempfundene» Dankes dafür, daß der Ehrentag der sächsischen Handelskammern durch die Anwesenheit höchster und hoher Vertreter des Staates und der Ncichsbehörden eine unschätzbare Weihe empfangen habe. Sein Trink- spruch klang ans in ein dreifaches Hoch auf die anwese»- den Vertreter der Staats- und Reichsbehörden. Se. Exzellenz Staatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt erwiderte hierauf: M. H.! Als wir vor einigen Wochen das 50jährige Be stehen der Gewerbekannnern feierten, glaubte ich darauf Hinweisen zu sollen, wie den Gewerbekammern schon bei ihrer Errichtung eine schwierige Aufgabe zugefalleu sei, uämlich die Aufgabe, dem Klcinhaudel und dem Handwerk Wegweiser auf dem ihnen bisher unbekannten Gebiete der Gewerbefreiheit zn werden. ES lag nahe, daran die Frage zu knüpfen, ob die vor 50 Jahren ein- gesührte Gewerbesreiheit dem Kleinhandel und dem Handwerk znm Vorteil auSgeschlagen sei. Ich durfte die Frage bejahen. Denn wenn auch der durch die Gewerbefreiheit entfesselte Wettbewerb dem Kleingewerbe große Gefahren geschaffen hat, so ist doch auch hier wie in anderen Fällen die Not eine Erzieherin zu kraftvollem Zusammenschluß und zu tatkräftiger Selbsthilfe geworden Auch für den Großhandel und die Industrie ist da- 50jährige Bestehen der Gewerbefreiheit bedeutsam und zwar um so mehr, als Handel und Industrie der Gewerbefreiheit ihren Aufschwung verdanken. Wurden doch durch die Gewerbefreiheit gerade im Großhandel und der Industrie bisher zurückgehaltene Kräfte ent fesselt, die um so stürmischer nach Betätigung verlangten, nachdem der im Deutschen Zollverein zustande gekommene wirtschaftliche Zusammenschluß der deutschen Staaten durch die in den 60er Jahren erzielte politische Einheit einen starken Rückhalt gefunden hatte. Denn diese politische Einheit, die dem Volke der Dichter und Denker, der Theoretiker und Träumer ein staatliches Gemeinwesen von geschlossener Krast gab, sie bildete den festen Unterbau, auf dem sich daS stolze Gebäude der deutschen Volkswirtschaft er heben sollte. So nimmt eS uns denn nicht wunder, wenn seit dem Jahre 1862 die Zahl der Fabritbetriebe von Jahr zn Jahr wächst und wenn diese Entwicklung unserem sächsischen Vaterlande unter allen deutschen Staaten vorzugsweise den Stempel eines industriellen Staatswesens ansprägt. ES wäre aber ungeschichtlich, zn behaupten, daß der Aufschwung unserer Industrie erst mit dem Jahre 1862 begonnen hätte und und lediglich aus politische Ursachen zurück- znführen sei. Dieser Aufschwung setzt vielmehr schon in den Wer Jahren des vorigen Jahrhunderts ein, zu jener Zeit, wo sich der Sächsische Staat dem Zollverein anschloß, wo die Regierung mit weitem Blick die Eisenbahnen im Lande förderte, die jetzige Chemnitzer Gewerbeakademie schuf und wo die Verwendung der Tampskraft zur Gründung von Unternehmungen führte, die noch heute zu den bedeutendsten des Landes gehören. Immerhin ist eS bemerkenswert, daß von den zurzeit in Sachsen bestehenden 30 600 Fabriken 26 600, daS sind etwa 87 Proz., erst nach 1861 entstanden sind. Die unter dem Namen Gewerbesreiheit für die Betätigung des gewerblichen Schaffens im Jnlande zum Siege gelangte Lehre von dem freien wprele der Kräfte sollte aber auch sür die internationalen Beziehungen des Gewerbes von Bedeutung werden. Hatte sich bei der Gründung deS Deutschen Zollvereins die Beseitigung lästiger Zollschranken für die Handelsbeziehungen der Deutschen Staaten untereinander glänzend beivährt, so erhoffte man den gleichen Erfolg auch von einer möglichsten Beseitigung aller Zoll schranken, die das deutsche Wirtschaftsgebiet von dem Auslände abschlossen. Der Handelsvertrag, den der Tentschr Zollverein tm Jahre 1862 mit Frankreich abschloß, stellte sich auf den Boden dieser Lehre und die Grundsätze des Freihandels diktierten von nun an unsere Zolltarispolitik. Doch nicht allzulange sollte
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