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Dresdner Journal : 06.12.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-191212060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19121206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19121206
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-12
- Tag 1912-12-06
-
Monat
1912-12
-
Jahr
1912
- Titel
- Dresdner Journal : 06.12.1912
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sich dies« Lehr« al» herrschende behaupten. Echo« 14 Jahre später mit der im Jahre 1876 erfolgten Gründung des ZentralverbandeS Teutscher Industrieller setzte in der Industrie selbst eine Gegen- bewegnng ein, die zunächst für die notleidende Eisenindustrie Schutzzölle verlangte. Es ist bekannt, daß Fürst Bismarck diese Bewegung mit der Einführung des Zolltarifs vom 16. Mai 1879 zum Siege führte. Seit dieser Zeit bildet der Grundsatz vom Schutz der nationalen Arbeit den leitenden Gedanken unserer Zoll« und Wirtschaftspolitik, d. h. diese Politik ist ausgesprochen schütz- zöllnerisch geworden und geblieben. Denn wenn auch das Reich im Jahre 1891 dazu überging, den Handelsverträgen mit dem AuSlande, die sich bisher auf die gegenseitige Gewährung der Meistbegünstigung beschränkt hatten, feste, gegenseitig gebundene Lertragsrolltarife zugrunde zu legen, so wurde damit das bisherige Ziel des Schutzes der nationalen Arbeit nicht aufgegebcn. Zu dem bisherigen Ziele trat nun ergänzend hinzu di« von der Industrie als besonderes Bedürfnis empfundene neue Aufgabe der Schaffung stetiger Verhältnisse, die der Industrie die Berechnung ihrer Kosten auf längere Zeit hinaus gestattete. Dies war nur möglich durch den Abschluß langfristiger Handelsverträge mit gegenseitig gebnndenem Zolltarif. Den Verbündeten Regierungen war hierdurch die Möglichkeit gegeben, je nach dem Maste des Zollschutzes ausgleichend aus die Wünsche der verschiedenen Erwerbsstände hinzuwirken, und der Er» folg zeigte sich darin, daß der theoretische Kampf um die Dogmen von Schutzzoll und Freihandel nachließ. Tie Zollpolitik wurde zum Handelsgeschäft, bei dem sich das freie Spiel der Kräfte nicht mehr zwischen einzelnen GeschSslSlruteu abspielt, sondern bei dem sich die Staaten als solche mit ihrer gesamten wirtschaftlichen Macht als Mitspieler beteiligten und das Spiel der Kräfte entschieden. Ist aber der Handlsvertrag ein Handelsgeschäft, so können wir für unser Land uur etwas erreichen, wenn wir in der Lage find, dem Gegner etwas zu bieten. Daraus folgt, l. daß wir als Voraussetzung aller Verhandlungen einen gut durchgearbeiteten lückenlosen Zolltarif besitzen müssen, der uns die Möglichkeit gibt, „Gleiches mit Gleichen! zu vergelten", 2. zum anderen aber, daß wir, um Zugeständnisse zu erlangen, selber Opfer bringen müssen. Diese Opfer können nur bestehen entweder im Verzicht auf erhöhten Zollschutz des Julandes oder im Verzicht aus erstrebte Einsuhrerleichterung im Auslande. Hier liegen die ungezählten Konsliktsmöglichkeiten zwischen den ein zelnen Gewerben, hier liegt aber auch die Unmöglichkeit sür die Regierung, es allen recht zu machen. Opfer zu verlangen ist leicht, Opfer zu bringen ist schwer und Opfer aufzuerlegen ist ver antwortungsvoll. Alle Beteiligten sollten sich dessen stets bewußt sein. Der Regierung ist es nun gewiß nicht unbekannt, daß gerade unsere sächsische vorwiegend auf Ausfuhr an gewiesene Industrie bei Abschluß der geltenden Handels verträge im Interesse unserer gesamten deutschen Volkswirtschaft aus manche Wünsche hat verzichten müssen, daß ihr manches Opfer auferlegt worden ist. Die sächsische Industrie hat diese Opfer zweifellos zu einem Teile durch Ausnutzung der ge- steigerten Kaufkraft des inländischen Marktes wieder ein bringen können, zum anderen Teile freilich hat sie sie nicht ab wälzen können und sich mit geringeren Verdiensten begnügen müssen. — Aufgabe der Regierung und der Handelskammern wird es sein, diesen Verhältnissen in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Immerhin dürste an dem gewaltigen Aufschwünge, den die deutsche Industrie in den letzten 20 Jahren genommen hat, auch die sächsische Industrie einen guten Anteil haben. Tie letzte Berufszählnng hat aufs neue gezeigt, daß das Königreich Sachsen, obschon es von der Gcsamtbevölkernng des Deutschen Reichs nur 7 Proz. enthält, von den Berusszugehörigen wichtiger auf dem Weltmarkt angesehener Industrien mehr als 50 Proz. oder nahezu 50 Proz. umfaßt. Für deu Aufschwung der gesamten deutschen Industrie sei es nur gestattet, einige Zahlen anzusühren. In den Jahren 1892—1911 stieg der Wert der Ausfuhr der Vereinigten Staaten von Nord ¬ amerika von 4,3 auf 8,4 Milliarden M. Italiens - 0,8 - 1,7 - - Österreich-Ungarns - 1,2 - 2,0 - - Großbritanniens - 4,6 - 9,3 - - Frankreichs - 2,8 - 4,9 - - Teutschlauds - 2,9 - 8,1 - - Während sich also die Ausfuhr der übrigen Länder in dieser Zeit höchstens verdoppelt hat, hat sie sich bei Deutschland fast ver dreifacht. Je schwieriger die Aufgabe der Staatsregierung wurde, in dem verwickelten Verhältnis den wichtigen Ausgleich der Inter essen zwischen den verschiedenen Gewerbszweigen zu finden, um so mehr muß sie die nützlichen Dienste anerkennen, die sie an der sach kundigen und unparteiischen Mitarbeit der Handelskammern jeder zeit gefunden hat. Tiefe Mitarbeit hat sich aber nicht etwa nur auf dem Gebiete der Handelspolitik bewährt, sondern auch auf allen anderen Ge bieten, wo sich staatliche Verwaltung und kaufmännische Interessen berühren. Und solche Gebiete gibt es unendlich viele. Ich brauche bloß an die indirekten Abgaben, Tabak-, Bierstener und Stempelabgaben zu erinnern, die Eiseubahntarife und die Cchiff- sahrtSabgaben in Ihr Gedächtnis zurückznrufen, ans das Post- und Ttlegraphcnwcsen hinzuweisen, auf Arbeiter- und Angestellten« versichcrung, Fach- und Handelsschulen, Gewerbeschutz und Sonn tagsruhe, Wechselordnung und Handelsgesetzbuch, Börsen und Bankwesen und dergleichen mehr. Ungezählt sind die Gebiete, die in den letzten fünfzig Jahren ihre gesetzliche Regelung gefunden haben und die der Regierung Veranlassung gegeben haben, die Wünsche des Gewerbestandes einzuziehen und den Rat der Handelskammer zu hören. In dieser gemeinsamen Arbeit hat sich ein Verhältnis des gegenseitigen Vertrauens zwischen der Regierung und den Handelskammern ausgebildet, wie eS nicht fester und überzeugter sein kann. Tiefes Vertrauen dürste sich auf feiten der Handels kammern wohl aus die Erfahrung gründen, daß die Regierung jederzeit ernstlich bestrebt gewesen ist, den Wünschen des Gewerbe- standes gerecht zu werden, auch da, wo sie sie nicht hat erfüllen können. Auf feiten der Regierung aber gründet sich das Vertrauen darauf, daß die sächsischen Handels kammern der Vertretung der ihnen anvertrauten Interessen niemals einen agitatorischen Charakter gegeben haben, sondern daß sie bemüht gewesen sind, die Regierung durch streng sachliche Begründung der zu stellenden Anträge zu überzeuge». Tiefe fach- liche Bescheidung auf das nach der allgemeinen Lage Erreichbare dürfte dem Gewerbestande nur zum Nutzen gedient haben; denn die Regierung mnß aus solcher Gewohnheit die Überzeugung ge- Winnen, daß, wenn einmal die Handelskammern sich sür einen Antrag einsetzen, hierfür nicht diese oder jene vorübergehende Tagesströmung bestimmend gewesen ist, sondern daß in solchem Beschlusse die wahren Bedürfnisse des Gewerbes zum Ausdruck gelangen. Ist eS nun bei der Schnelligkeit, mit der in Sachen der Reichs- gesetzgebung vielfach gearbeitet werden muß, leider nicht immer möglich, mit den Handelskammern diejenige enge Fühlung zu halten, die nach Lage der Sache vielleicht erwünscht wäre, so frage ich mich, ob nicht der von den Handelskammern als private Sin- richtung geschaffene Sächsische HondelSkammertag ein Organ sein könnte, durch dessen schleunige Einberufung die Regierung in eiligen und vertraulichen Angelegenheiten die Wünsche der Industrie und de» Handels kennen zn lernen vermöchte. An der gesunden Entwicklung des Handels- und Gewerbe» Pandes und an dem guten Verhältnis der offiziellen Vertretung biese« StmdeS zur Rtgieruug würde gewiß niemand größere Freude empfunden haben als der Mann, der vor 50 Jahren die vrgani- sation der Handelskammern geschaffen hat und der eS auch ver standen hat, bei der grundlegenden Gesetzgebung des Reichs die wirtschafts-politischen Ersahrungen seines reichen Geistes in den Dienst der sächsischen Industrie zu stellen, der Mann, dessen Bild das Ministerium auf der Medaille hat anbringen lassen, die zur Erinnerung an das 50jährige Bestehen der Handels- und Ge- werbekammern geprägt worden ist und heute den Mitgliedern und Syndiken der Handelskammern übergeben werde» kann. Ich meine den Ministerialdirektor Weinlig. Mahnt uns das Bild dieses Irenen Mannes daran, daß Fleiß und Gewissenhaftigkeit, gründliche Bildung und Gerechtigkeit sächsischer Beamten nicht unwesentlich zu dem Blühen und Gedeihen des Handels und der Industrie beigetragen hat, so wissen wir doch auch, daß die Tätig- leit des StaateS und seiner Beamten gewissermaßen nur den Speicher bauen kann, dessen Räume durch die Früchte gefüllt werden müssen, welche die Arbeit des Kaufmanns liefert, des Kaufmanns, der mit klarem Einblick in die Verhältnisse des Welt marktes seine Entschließungen fassen muß, um sie nachher mit Fleiß und Tatkraft durchznführen. Mögen diese Tugenden unserem Kaufmannsstande niemals fehlen. Möge Sachsens Handel und Industrie auch ferner blühen und gedeihen unter der bewährten Führung seiner Handelskammern zum Wohle beS Landes. Hoch! hoch! hoch! Hr. Kommerzienrat Roes sing-Plauen begrüßte da nach die anderen Ehrengäste, insbesondere den Präsidenten der Ständekammer, Hrn. vr. Vogel, die fünf Oberbürger meister der Handelskammerstädte, die Vertreter des Ver bandes Sächsischer Industrieller, die Presse und die jetzigen und srüheren Mitglieder und Sekretäre der Handelskammern. Der Redner verwies dabei auf die engen Beziehungen der Handelskammern zum Parlament, zu den Städten, zum Deutschen Handelstage und zur Presse und schloß mit einem dreifachen Hoch auf die ge nannten Ehrengäste. Jnr Namen des Deutschen Handelstages sprach General sekretär Soctbeer-Berlin. Er würdigte die hervor ragende Stellung der sächsischen Handelskammern im gegenwärtigen Wirtschaftsleben. Im Verlaufe seiner Aus führungen erwähnte der Redner dann, daß vier Generationen ehemaliger Sekretäre der Handelskammer Zittau heute au der Feier hier teilnähmen, an der Spitze Ministerial direktor Geh. Rat vr. Roscher, die Reihe schließe mit ihm, Redner, selbst. Mit dem Wunsche, daß die sächsischen Handelskammern auch in Zukunft weiter zum Wohle von Sachsens Industrie und Handel wirken möchten, schloß der Redner. Syndikus vr. Stresemann überbrachte den Dank des Verbandes Sächsischer Industrieller für die Worte des Hrn. Kommerzienrats Roejsing. Die Handelskammern und der Verband spännen dasselbe Garn, aber eine ver schiedene Nummer. Allerdings überweise man gern be stimmte Garnnummern speziell dem Verband zum Spinnen. Bei dieser Arbeitsteilung sei man zehn Jahre lang sehr gut gefahren und er, Redner, hoffe, daß die Beziehungen die alle Herzlichkeit auch weiter bewahren würden. Im Mittelpunkt der heutigen Reden habe die industrielle und kommerzielle Entwicklung Sachsens gestanden. Nicht nur Worte sprachen davon, sondern auch das Bild des ganzen Landes bezeuge sie. Unser Außenhandel werde in diesem Jahre voraussichtlich zum erstenmal 20 Milliarden betragen. In die Bewunderung des Auslandes, in die anerkennenden Worte von Edison, der davon gesprochen habe, daß er zwischen Plauen und Dresden mehr Schornsteine gesehen hätte, als in ganz Frankreich, mische sich aber auch die Eifersucht und der Neid anderer Nationen, und der wichtigste Grund mancher internationalen Spannung sei diese Eifersucht auf das glänzende wirtschaftliche Vorwärtskommen der deutschen Volkswirtschaft. Dem Glanz dieser Entwicklung ständen gewiß auch Schattenseiten gegenüber, und zwar nicht nur in der sozialen Frage. Prof. Bücher-Leipzig habe die Frage aufgeworfen, ob nnr nicht durch diese wirtschaftliche Entwicklung zwar materiell reicher, inner- lich aber giücksärmer geworden wären. Eine gewisse Hast und Unruhe durchziehe unser Land und in der Massen kultur gingen vielfach persönliche Werte verloren. Auch die Industrie leide unter dieser Entwicklung. Sie sei groß ge- worden durch den Einzelkaufmann. Je mehr aber das Groß kapital sich zusammenballe, um so mehr sei der Einzelkaus- mann in seiner Existenz bedroht und die Reihe der Männer, welche die Industrie nach außen vertreten könnten, sei eng begrenzt. Möge es der sächsischen In dustrie aber trotzdem nie an Männern fehlen, die sich dessen bewußt wären, daß man den Kaufmannsstand nicht nur im Kontor des eigenen Handelshauses, sondern auch in der Ösfentlichkert zu vertreten habe. Wenn Kausmanns sinn nur bedeute, Geld zu verdienen, dann hätten die jenigen Recht, die da behaupteten, daß dem Handel und der Industrie etwas Odioses anhafte. Geadelt werde die Arbeit des Kaufmanns erst dann, wenn in sie der höhere Sinn der Arbeit für die Allgemeinheit hineingelegt werde. In diesem Sinne gelte sein Hoch den Vorständen der sächsischen Handelskammern, den Führern vou Sachsens Handel, Industrie und Gewerbe im öffentlichen Leben! Der Vorsitzende der Handelskammer Leipzig, Hr. Bankier Schmidt, feierte die Beamten der sächsischen Handelskammern. Die Arbeiten der Syndici und ihrer Hilfsarbeiter bedeuteten viel für die Kammer. Nicht zum wenigsten hänge es von ihrer Tüchtigkeit ab, ob die von ihnen geleiteten Körperschaften ihre Stellung zu behaupten vermögen. Eine Schar treuer und tüchtiger Beamte zum Segen unserer Volkswirtschaft zu besitzen, möge immer die Freude der Handelskammern sein. Syndikus vr. Wendtland-Leipzig sprach, im Namen der Handelskammerbeamten herzliche Da nkesworte. Der Redner erhob sein Glas auf das Wohl der Kainmcr- vorsitzenden, indem er den Wunsch aussprach, daß die guten Beziehungen, die zwischen den Präsidenten und den Beamten der Kammern seither bestanden, immer fort dauern möchten. Geh. Kommerzienrat Haensel dankte zum Schluffe allen Herren für die herzlichen Begrüßungsworte und Beglückwünschungen, besonders Sr. Exzellenz dem Hrn. Staatsminister Grafen Vitzthum v. Eckstädt. Nach aufgehobener Tafel blieb man noch längere Zeit in gemütlicher Unterhaltung beisammen. Mannigfaltig«». Aus dem Reiche. Berlin, 6. Dezember. Der Nestor der deutschen Journalisten, Prof. Karl Frenzel, begeht heute die Feier seines 85. Geburtstages. Als Feuilleton- redakteur und Theaterkritiker der „National-Zeitung" hat er Jahrzehnte hindurch im Tagesdienst der Preße ge standen. Berlin, 5. Dezember. Durch den Untersuchuugs- richter sind in Engter i. Wests, bei einem dort wohn- hasten Schivager des flüchtigen Kassenboten Brüning, der sich durch Redensarten verdächtig gemacht hatte, 67 000 M. von dem Bruningschen Raube gefunden worden. Brüning hatte sich nach der Tat in Luxemburg aufgehalten und war von dort auf eine Nacht zu seinem Schwager gefahren, den er unter Drohungen bestimmte, das Geld einzumauern. Berlin, 6. Dezember. In einer Automobilgarage in der Bergstraße fand gestern abend eine große Benzin- explosion statt. Infolge davon brach in dem Gebäude einer dazu gehörigen Fabrik Großfeuer au-, zu dessen Bekämpfung die Neuköllner Feuerwehr aufgeboten werden mußte. Stettin, 5. Dezember. Heute abend ereignete sich auf der Strecke Stettin-Pasewalk unweit der Slati-n Zerrenthin ein schweres Unglück. Eine Lokomotive fuhr in eine heimkehrende Arbeitergruppe hinein, welche die Bahngleise benutzten. Vier Arbeiter wurden sofort getötet. Glogau, 5. Dezember. Heute vormittag wurde im hiesigen Winterhafen beim Rangieren das fünfjährige Kind des Schiffers John auS Ober-Lindow über fahren und sofort getötet. Der Bruder des Schiffers wurde beim Versuch, das Kind zu retten, vom Zuge er- faßt und ihm beide Beine abgefahren. Er starb nach einer Stunde. Dortmund, 6. Dezember. Beim Abstechen eine-s Hoch- ofens auf dem Eisenwerk „Union" gerieten vier Arbeiter unter die ausströmcnden flüssigen Eisenmassen. Zwei der Unglücklichen waren sofort tot, die beiden anderen sind hoffnungslos verbrannt. Würzburg, 5. Dezember. Ein 38jähriger Post- schafsner war angeblich wegen Unterschlagungen in Untersuchung gezogen worden. Er geriet darüber in größte Aufregung und erschoß seine Frau und seine drei Kinder. Dann verübte er Selbstmord. Eine Stunde später stellte sich heraus, daß er mit Unrecht ver dächtigt worden war. Er stand mit den Unterschlagungen in keinem Zusammenhang. Aus veu» AuSlMtve. Wien, 5. Dezember. Heute vormittag begann hier der Prozeß gegen 14 Hochschüler, meist Bosnier und Dalmatiner, wegen Aufreizung, Auslauf und Majeitäis- beleidigung. Es handelt sich um die Vorgänge in der inneren Stadt am 24. November, wo die Stndcntcu hochverräterische Rufe ausgesloßen halten. Tie Ver handlung wurde geheim gesührt. Der Angeklagte Bukwic wurde wegen Majestätsbeleidigung und Aufreizung zu 6 Monaten schweren Kerker verurteilt. 12 Angeklagte wurden teils wegen Aufreizung, teils wegen Widersetzlich keit zu Freiheitsstrafen von einer Woche bis zn 14 Tage» verurteilt. Ein Angeklagter wurde freigesprocheu. Warschau, 5. Dezember. Der Angestellte eines chemischen Laboratoriums gewann einen Prozeß und lud als Freude darüber fünf der ihm befreundeten Zeugen ein. Er bewirtete sie mit selbsthergestellten Brannt wein. Kurze Zeit darauf erkrankten sämtliche Personen unter Bergiftungserscheiuungen. Ter Gastgeber und vier Eingeladene starben nach wenigen Stunden. Paris, 6. Dezember. Der von dem Anarchisten Lacombe schwer verwundete Anarchist Erlebach-Ducret gestand dem Untersuchungsrichter, daß Lacombe bereits nachts in seine Wohnung eingedrungen war und ihn und seine Frau acht Stunden lang unter Todesdrohungen einem Verhöre unterzogen habe, um zu ermitteln, ob er die anarchistischen Genossen an die Polizei verraten habe. Trotz seines entschiedenen Leugnens habe Lacombe am Morgen seinen Revolver auf ihu abgefeuert und sei dann geflohen. Marseille, 5. Dezember. Das Zuchtpolizeigericht verurteilte elf dem Syndikat des Departements Rhone mündung angehörende Lehrer wegen Vergehens gegen das Vereinsgesetz in vontuuaaoüu» zu je 50 Fres. Geldbuße und sprach die Auflösung des Syndikats aus Lyon, 5. Dezember. Hier wurden in mehreren Apotheken beträchtliche Mengen K okain beschlagnahmt, da die Polizei festgestellt hatte, daß seit einiger Zeit unter den jungen Leuten der Genuß dieses Giftes in bedenklicher Weise zugenommen hat. Gegen vier Apotheker wurde die strafrechtliche Untersuchung eingeleitct. Mailand, 6. Dezember. Ter Schnellzug Mai land—Genua ist bei Pozollo Formigaro auf zwei Güter wagen aufgelaufen, die zertrümmert wurden. Vom Zugpersonal des Schnellzuges wurde einer schwer, drei leicht, von den Passagieren wurden fünf leicht verletzt. Brmte Chronik. * Sonderbare Heirats anträge. Es sind nicyt die schlechtesten Menschen, die in Zittern und Zagen nicht wissen, wie sie es anstellen sollen, der Erwählten ihres Herzens ihre Liebe zu gestehen. Humoristisch wirken aber die sonderbaren Mittel, auf die solche Leute verfallen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Bon solchen sonder baren Heiratsanträgen sind mancherlei zu Nutz und und Frommen für solche, die auch in Verlegenheit sind, durch die Geschichte überliefert worden. Sehr empfehlens wert ist der Heiratsantrag durch ein Buch. Ein schüchterner Anbeter schickte seiner Erwählten ein Gebet buch, das im Anhang die Trau-, Tauf- und Begräbnis- sormel enthielt. Er hatte die Worte unterstrichen „Willst du diesen Herrn ... als deinen Ehegemahl aus Golteshand hinnehmen..., so sprich Ja!" Als er das Buch zurück- erhielt, hatte die Dame das „Ja" noch einmal mehrfach unterstrichen. Bald darauf hatte sie Gelegenheit, dieses „Ja" vor dem Altar laut und vernehmlich zu wieder holen. Noch komischer ist der Fall eines berühmten
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