Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 6. Mai 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 7. Mai 1961, 19.30 Uhr 10. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Prof. Heinz Bongarti Solist: Maurice Gendron, Paris ANTONIN DVORAK 1841-1904 Ouvertüre „Karneval“ op. 92 Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104 PAUSE 9. Sinfonie e-Moll op. 95 (Aus der Neuen Welt) Adagio - Allegro molto Largo Molto vivace Allegro con fuoco Allegro Adagio ma non troppo Allegro moderato Gruppe der tschechischen Komponisten (1885) Karel Bendl, Antonin Dvorak, J. B. Foerster, Jindrich Kaan, Karel Kovarovic, Zdenek Fibich Maurice Gendron Die Programmouvertüre „Karneval“ op. 92 (aus dem Jahre 1891), die mittlere des Zyklus „Natur, Leben und Liebe“, zeigt den Menschen eingangs nicht mehr als Einzel wesen den Naturmächten gegenüberstehend und sich ihnen beugend, sondern ein bezogen in den bunten Trubel des Lebens, als genießenden und mittätigen Teil eines Geschehens voller Freude und Ausgelassenheit, als Glied einer Gemeinschaft, die ihr Ja zum Dasein sowohl im unverdrossen in Angriff genommenen Tagewerk als auch in überschäumender Sinnenfreudigkeit auszudrücken weiß, wie sie gleich die ersten Takte des ersten Hauptthemas so überzeugend eingefangen haben. Dvoraks melodischer Er findungsreichtum läßt diesem ersten sehr bald ein zweites, straffer gefaßtes Hauptthema ähnlicher Grundhaltung folgen, zu dem ein breit angelegtes, kantables Ncbenthcma - etwa Gedanken der Sehnsucht versinnbildlichend - einen wunderschönen Kontrast setzt. Dann aber geht cs wieder ausgelassen, ja toll zu - wie der Werktitel es nicht anders erwarten läßt -, um im Schlußthema dieses einleitenden Teiles in Tönen ungehemmter Lebensfreude zu münden. Ein Zwischenspiel, nach Abebben des Taumels durch einen langsam verklingenden Ton des Waldhorns angekündigt, führt in wesentlich andere Bezirke: solche des verwunderten Innchaltcns, des Sich-Besinncns, des Fragens nach den Urgründen des Lebens und seiner lichten, frohmachcnden Seiten. Dvorak, bei der Abfassung des Zyklus ganz in das Naturgeschehen auf seinem kleinen Anwesen in Vysoka versponnen und aus ihm neue Kraftströme empfangend, gibt die Antwort auf solch Sinnen und Suchen dadurch, daß er dem silbrigen Stimmgefüge der gedämpften und geteilt spielenden Streichinstrumente, über denen die Flöte ihre schwerelose Melo die singt, in der Klarinette das Thema der Natur aus der ersten der drei Programm ouvertüren bcigcscllt. Die Rückkehr zu den Themen des einleitenden Teils stellt den Menschen dann wieder mitten hinein in das pralle Leben. Die Arbeit mit dem thema tischen Material, seinen Abwandlungen und Koppelungen, erweckt den Eindruck, als müsse die Einstellung zu eingangs so uneingeschränkt sich äußernden Fülle der Lebens freude erst neu gefunden werden. Dann aber, bei der gestrafften Wiederaufnahme des Expositionsteils kehrt all das wieder, was der Anfang an Unbeschwertem, Lebens bejahendem zutage gebracht hatte, und das Werk schließt in satter Klangfülle und gesteigerter Bewegung, ganz im Sinne seines ursprünglich von Dvorak vorgesehenen Titels „Leben“. Das Konzert h-Moll für Violoncello und Orchester op. 104 (aus den Jahren 1894,95), gleich der c-Moll-Sinfonie während des Aufenthalts in Amerika (1892-95) geschrieben und 1896 in London unter Leitung des Komponisten mit Leo Stern als Solisten uraufgeführt, hebt sich von seinen Vorgängern, dem Klavier- und dem Violinkonzert, durch eine wesentlich stärker der Romantik verhaftete Grundhal tung (Heimverlangen gegen Ende der amerikanischen Periode?) und die davon nicht zu trennende große Orchesterbcsctzung ab, die alle Möglichkeiten der einzelnen Grup pen trefflich zu nutzen weiß, vor allem aber auch den Blechbläsern selbständige Auf gaben stellt. Dem Werk haftet nur wenig von dem an, was die Arbeiten während der Jahre in Amerika von Dvoraks bisherigem Schaffen abhebt (siehe das nachstehend zur c-Moll-Sinfonie Gesagte!). Es ist von starker persönlicher Aussage (aufschlußreich im 2. Satz das Zitat seines eigenen Liedes „Laß mich allein in meinen Träumen gehn“ aus op 82!), gefühlsgesättigt und reich an sangbaren Bögen. In seiner Dreisätzigkcit fügt es sich dem überkommenen Strukturschema, das jedoch unter der gewandten Feder des sein Material souverän beherrschenden Meisters ebenso eigcnwüchsigc als organisch wir kende Abwandlungen erfährt. Das Konzert, mehr sinfonisch denn als virtuos betontes Wechselspiel zwischen Soloinstrument und Orchester gearbeitet, gehört in die Reihe der Werke, die Dvoraks Weltgeltung für alle Zeiten festigten. Die Sinfonie e-Moll „Aus der Neuen Welt“ op. 95 (aus dem Jahre 1893), die letzte in des Meisters Neunzahl, schrieb Dvorak in New York, wo sie auch im gleichen Jahre durch die Philharmonie Society unter Anton Seidl ihre Uraufführung erlebte. Deren Erfolg, alle vorhergegangenen - die gewiß in ihrer Mehrzahl herzliche Sympa thiekundgebungen waren - - weit übertreffend, beruhte neben der gewissenhaften Pro benarbeit des Dirigenten und umfassender Vorbereitung der Hörerschaft durch Einfüh-