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königlich SAchstschev Staatsanzetgev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 72. 1912. j> Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung, Hofrat Doenge- in Dresden. Mittwoch, 27. März Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 1«, sowie durch die deutschen Postanstalten S Marl vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktag« nachmittag». — Fernsprecher: Expedition Nr. 129S, Redaktion Nr. 4d74. Ankündigungen: Die Ispaltige Grundzeile oder deren Raum im AnkündigungSteile 30 Pf., die Sspaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 7ü Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) ibO Pf. PreiSermäßigg. auf GeschästSanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. In Brioni fand gestern die Zusammenkunft Sr. Majestiit des Kaisers mit dem Erzherzog Franz Ferdinand statt. * Der Reichstag stimmte gestern der Berliingernng der Zuüerlonvention in dritter Lesung zu und fuhr dann in der Beratung des Postetats fort. * Das britische Unterhaus hat den Vorschlag der Arbeiter partei, in die Bergarbeiterbill einen Mindestlohnsatz von S Schilling einzufügen, mit 32S gegen 83 Stimmen abgelehnt. Die französische Deputiertenkammer nahm gestern den Gesetzentwurf an, der das militärische Luftschiffahrtswesen regelt und zu diesem Zweck einen nachträglichen Kredit von 1« Mill. Francs eröffnet. Der japanische Landtag ist aufgelöst worden. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Syndikus des Verbandes Sächsischer Industrieller vr. Gustav Stresemann in Dresden das ihm von Sr. Majestät dem König der Belgier verliehene Offizierskreuz des Kronenordens, sowie das ihm von Sr. König!. Hoheit dem Großherzog von Oldenburg verliehene Ehren-Ritterkreuz 2. Klasse des Haus und Verdienstordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig annehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Besitzer des Grand Union- Hotels in Dresden Arthur Becker den ihm verliehenen Titel als „Hoflieferant Ihrer König!. Hoheit der Frau Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen" annehme und führe. Die Königliche Kreishauptmannschast hat dem Wagenführer Paul Krause in Dresden-Mickten und dem Probeschaffner Richard Wollmann in Dresden- Trachau für das von ihnen am 2. Januar dieses Jahres mit Entschlossenheit bewirkte Aufhalten zweier durch gehender Pferde auf der Schillerstraße in Dresden je eine Geldbelohnung bewilligt. 7S7IH Dresden, am 13. März 1912. zi94 Königliche Kreishauptmannschaft. (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Inseratenteil ) Nichtamtlicher TeU. Vom Königlichen Hofe. Dresden, 27. März. Se. Majestät der König wohnte früh den Kompaniebesichtigungen der 1. und 2. Kom panie des 1. Pionierbataillons Nr. 12 auf dem Garnison übungsplatze bei und empfing mittags die Hofdepartements chefs zum Rapport. Dresden, 27. März. Ihre König!. Hoheit die Frau Prinzessin Johann Georg wohnte mit Ihrer Exzellenz der Frau Oberhosmeisterin Freifrau v. Finck von heute vormittag 10 Uhr an den Osterprüfungen im Pestalozzi- stift und von 11 Uhr an den Prüfungen der IV. Bürger schule bei. Um 12 Uhr mittags erschien Ihre König!. Hoheit die Frau Prinzessin zu den Schwesterprüfungen im Carolahaus. Nachmittags ZH4 Uhr besuchte die hohe Frau in Begleitung der Hofdame Frl. v. Schönberg die Prüfungen in der II. Katholischen Bezirksschule. Dresden, 27. März. Ihre König!. Hoheit die Prin zessin Mathilde besuchte heute nachmittag ZH3 Uhr die Osterprüfung in der 21. Bezirksschule, Freiberger Platz 25. Deutsches Reich. Bundesrat. Auf Grund der U l20v, 139» der Gewerbeordnung hat der Bundesrat beschlossen, daß die Bestimmungen, betreff nd die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, Glas- schleifereien und Glasbeizereien sowie Sand- bläsereien, vom 5. März 1902, bis zum 1. April 1913 in Kraft bleiben. Ablehnung des Lotterievertrags mit Preuhen durch den Finanzausschutz der bayerischen Kammer der Abgeordneten. München, 27. März. Der Finanzausschuß der Kammer der Abgeordneten lehnte gestern mit allen gegen drei Stimmen den Art. 1 des Lotterievertrags mit Preußen und damit den ganzen Entwurf ab. — Die in Berlin am 26. März ausgegebene Nr. 1b des Reichsgesetzblattes enthält das Gesetz vom 21. März 1912, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum ReichShaushaltS- etat für da» Rechnungsjahr 1911. Reichstag. Sitzung vom 26. März 1912. AmBundeSratStische: Die Staatssekretäre Kühn und Kraetke. Präsident vr. Karmpf eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Zunächst erfolgte die dritte Beratung des in Brüssel am 17. März 1912 vollzogenen Protokolls, betreffend die Fortsetzung der durch den Zuckervertrag vom ö.März 1902 gebildeten internationalen Bereinigung. Abg. v. Grabski (Pole): Beim Abschluß der Konvention ist keine Rücksicht auf die Interessen der Konsumenten genommen worden. Für Rußland springen außerordentliche Vorteile aus dem Abkommen heraus. Ein kürzlich angenommene» russisches Gesetz hat den Zweck, die Rübenzucht zu erweitern und den Neu bau von Zuckerfabriken zu fördern. Unmöglich kann das Ruß land gewährte Entgegenkommen ohne Einfluß auf die Preis gestaltung im Inlands bleiben. Die Reichsregierung hätte allen Anlaß, sich Rußland gegenüber zu sichern, daß die Bestimmungen der Konvention strengsteir» innegehalten werden, damit die deutsche Zuckerindustrie und die Konsumenten durch das große Entgegen kommen Rußland gegenüber nichr noch weiter geschädigt werden. Ich vermag der Konvention aus sachlichen Gründen nicht zuzu stimmen. Abg. vr. Arendt (Rp>): Die Rede des Hrn. v. Grabski hätte in der ersten Lesung gehalten werden sollen, die Not wendigkeit einer Kommissionsberatung wäre dadurch besonders notwendig erschienen. Es besteht die Gefahr, daß Rußland die Bestimmungen der Konvention umgeht. Auch England gegen über sind wir in vollständig unklaren Verhältnissen. Es ist zu befürchten, daß England am 1. September 1913 au» der Kon vention ausscheidet und daß dann mit einer außerordentlichen Begünstigung des englischen Rohrzuckers zu rechnen ist. Wir müssen von der Regierung Auskunft erhalten, ob England gegenüber etwas verabredet ist, und wie die Zugeständnisse lauten. Staatssekretär Kühn: Ob England der Konvention nach dem 1. September 1913 angchören wird oder nicht, können wir noch nicht wissen; jedenfalls hat eS sich das Recht der Kündigung Vorbehalten. Bor Ablauf dieses Termins besteht keinerlei Klarheit über seine Haltung. Schon jetzt hat England die Er klärung abgegeben, daß es, wenn es auch der Konvention nicht angehört, an seinem Verhalten nichts ändern wird. Rußland ist gehalten, über ein gewisses Quantum nichts nach dem Westen auszuführen. Gegen etwaige Umgehungen der Konvention werden wir energisch einschreiten. Dabei haben wir nicht bloß die russische Regierung auf unserer Seite, sondern auch die russischen Fabrikanten und Händler, die in reeller Weise den Zucker nach den westlichen Ländern exportieren. Eine Kon tingentserhöhung wird in Zukunft an Rußland nicht gewährt werden. Abg Bernstein (soz): Die Mitglieder der Rechten haben nur immer ein Gefühl für die Landwirtschaft und Industrie, für die Bevölkerung, die unter der Teuerung leidet, haben sie kein Emp finden. England bezieht auS seinen Kolonien kaum den siebenten Teil seines Bedarfs an Zucker. (Hört! Hört!) Eine Gefahr für Deutschlands Industrie liegt darin nicht. Abg. Graf ». Kanitz (kons.): Wir sind stets für Herabsetzung der Zuckerstcuer eingetreten. Das werden wir auch künftig tun. Die Konvention hatte ursprünglich den Zweck, dem heillosen Zu stand auf dem Zuckermarkte ein Ende zu machen,- der durch das Prämiensystem entstanden war. Jetzt hat die Industrie aber kein Interesse mehr an der Konvention. Das Aussuhrprämiensystem auf Zucker hat in Rußland besonder- bedenkliche Früchte ge zeitigt. Eine wirksame Kontrolle des russischen Kontingents ist dringend zu empfehlen. (Beifall rechts.) Abg. vr Doormann (fortschr. Bp.): Etwas Neues ist auch aus der Rede des Hrn. v Grabski nicht herausgekommen. Wir lassen unS nicht davon abhalten, auch jetzt wieder der Konvention zuzustimmen. (Beifall.) Abg. Kleye (nl.): Tie deutsche Zuckerindustrie will keine Sonderrechte, sie will nnr das gleiche Recht wie die russische Zuckerindustrie. Sämtliche Jnteressenorganisationen nehmen Stellung gegen die Konvention; da ist die Haltung der Regierung unverständlich. Ich beantrage auch jetzt noch Kommissions beratung. Staatssekretär Kühn: In keinem Lande ist eine Kontrolle leichter, als in Rußland. Das dortige Kontingent wird auf die einzelnen Fabriken verteilt, die dann den Kontingentschcin aller dings abtreten könne». Was wäre wohl aus dem Konkurrenz, kampf geworden, wenn wir die Konvention nicht gehabt hätten. Auch 1902 hat die Industrie gegen die Konvention angekämvft, nud später ist ihr Nutzen allseits anerkannt worden. So wird es auch nach weiteren sechs Jahren sein. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Bernstein (soz.) und Graf v. Kanitz kkons.) wurde der Antrag auf Kommissions beratung abgelehnt und die Konvention gegen die Stimmen der Konservativen, der Reichspartei, einiger Polen und National liberalen definitiv angenommen. ES folgen Wahlprüfungen. Ohne Debatte werden für gültig erklärt die Wahlen der Abg. Jckler (nl.), Schulenburg (nl.), Duuajski (Pole) und vr. Erdmann (soz.). Hierauf wurde die zweite Lesung des Postetats fortgesetzt. Abg. Duffner (Z.): Ein Aufschwung in der Finanzgestaltuna des Postetats ist unverkennbar, der zweifellos zum Teil aus die Sanierung der Reichssinanzen durch die Finanzreform zurück- zusühren ist. Der gute Abschluß der Jahre 1910 und 1911 lägt hoffen, daß die berechtigten Wünsche mancher Beamtenkategorieu und der Altpensionäre erfüllt werden. Die Unterbeamten müssen vor allem so gestellt werden, daß ihre Bezüge mindestens dem Durchschnittslohn gelernter Arbeiter entsprechen. Die Sonntags ruhe der Postunterbeamten muß auf jeden Fall durchgeführt werden. Auch der Diensthygiene und der Wohnungssürsorge für die Beamten ist seitens der Postverwaltung ein möglichst große» Interesse zuzuwenden. Bei Bemessung des Wohnungsgeldzuschusse» ist mehr als bisher auf die lokalen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Die stärkere Heranziehung weiblicher Personen zum Postdienst hat sich bewährt. Für postlagernde Sendungen sollten höhere Porto- jätze eingeführt werden; dadurch würde manchem Mißbrauch vor gebeugt werden. Ich bitte den Staatssekretär um wohlwollende Prüfung und Berücksichtigung der Wünsche der Postbeamten. (Beifall im Zentrum ) Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke. Die Berechnung der Beamtenbezüge läßt sich nicht aus Grund der Überschüsse der Verwaltung bemessen. Man kann nicht von dem Grundsatz au> gehen, daß in einer gut rentierenden Verwaltung die Überschüsse nur für die Beamten verwendet werden. Dann müßte z. B. um gekehrt in der Justizverwaltung für die Beamten gar nichts ge schehen. (Heiterkeit.) Durch die Besoldungsordnung ist erst etwas Ordnung geschaffen worden. Bi» dahin wurden die Inter essen einzelner Beamtenkategorien von Abgeordneten vertreten und dadurch, daß die Verwaltung diesen Wünschen nachgab, ent stand ein Wettlaufen und eine Verschiedenartigkeit in der Be soldung, deren Mängel späterhin in die Erscheinung getreten sind. Hinsichtlich des Aufrückens von Unterbeamten in die Schaffner stellen werden Besserungen geschaffen werden. Die Sonntags ruhe, die in den letzten Jahren allerdings sich etwas verschlechtert hatte, ist inzwischen wieder gebessert worden. Eine Versicherung wird vielfach von den Postagenten selber nicht gewünscht. Auch Erholungsurlaub für die Agenten ist nicht nötig, da diese Be amten sich ständig nach Belieben vertreten lassen können. Eine Erhöhung des Portos für postlagernde Briefe ist nicht angängig, obgleich tatsächlich eine Mehrleistung dabei erfolgt. Es wäre dazu eine Änderung des Postgesetzes nötig. Daß die Berechnungen über die Postbauten möglichst schnell vonstatten gehen, ist auch unser Wunsch. Abg. Pauli - Hagenow (kons.): Die Rede des Abg. Zubeil war im schlimmsten Maße verhetzend. Wenn er behauptete, wir hätten vor len Wahlen den Beamten Versprechungen gemacht, die wir jetzt nicht hielten, so ist er dafür den Beweis schuldig geblieben. Ich bedaure, daß es Beamte gibt, die Hrn. Znbcil zum Sprachrohr für ihre Wünsche machen. Ich halte es mit der Ehre eines Beamten nicht für vereinbar, sich mit einem sozial demokratischen Abgeordneten in Verbindung zu setzen. Gewiß sind die Überschüsse der Postv.rwaltung crsreulich, in erster Linie aber muß den Bedürfnissen der Post als Verkehrsinstitut Rech nung getragen werden. Die Anstellungsverhältnisse der Post bausekretäre müssen klargestellt werden. Die Wünsche der Post agenten auf Pensionsversicherung sind zu erwägen; ein übergroßer Reichszuschuß würde nicht nötig sein. Die Entschädigung sür die Verwalter von Posthilfsstellen ist nicht ausreichend. Wir haben Vertrauen zur Reichspostverwaltung und werden auch für die Verbesserungen, die für diesen Etat vorliegen, und st ts zugunsten der Beamten eintreten. (Beifall rechts.) Abg. Beck-Heidelberg (nl.): Die erheblichen Überschüsse der Postverwaltung sind ein erfreuliches Zeichen für die Leistungs fähigkeit unserer Beamten. Mit Befriedigung wird die Verwal tung aus dem Munde des Kaisers den Dank und die Anerkennung für diese Tatsache entgegengenommen haben. Die Sparsamkeit in unserem Postbetriebe ist notwendig; allerdings muß sie sich den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Verhältnisse anpassen. Wenn man die Zahl der Poftunterbeamten vermehrt, so müssen auch dir Aufsichtsstellen, die keineswegs überflüssig sind, vermehrt wcroen. Von einer uferlosen Beamtenvermehrung kann in letzter Zeit nicht die Rede sein. Den Resolutionen auf Einteilung der Dienstzeit und der Sonntagsruhe stimmen wir zu. Unsere Wünsche über die Beamtenbesoldung haben wir in einer Resolution niedergelegt, der wir zuzustimmen bitten. Der Erholungsurlaub der unteren Post- und Telegraphenbeamten muß in angemessener Weise er weitert werden. Die Härten des Besoldungsgesetzes müssen an gesichts der tiefgehenden Beunruhigung unter der Beamtenschaft beseitigt werden. Auch die Gratifikationen müßt n erhöht werden. Wir vertreten hier die Rechte der Beamten, das ist liberal; wir verweisen die Beamten aber auch auf ihre vaterländischen Pflichten, und das ist national. (Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen.) DaS Weltbriefporto muß endlich allgemein verbilligt werden im Interesse der besseren internationalen Ver ständigung. Endlich sollten die Posyparkassen baldigst in Kraft treten. Hoffen wir, daß es dem Bestreben unserer Verwaltung gelingt, daß es auch sürs Postwesen heißt: Deutschland in der Welt voran! (Beifall bei den Nationalliberalen.) Präsident vr. Kaempf: Ich habe dem Hause eine schmerzlich« Mitteilung zu machen. (Die Abgeordneten und die Vertreter der Regierungen erheben sich.) Bor wenigen Minuten hat mich die Trauerbotschaft von dem Dahinscheiden deS Alterspräsidenten dieses Hauses, des Reichstagsabgeordneten Albert Tracger er reicht, der seit 1874 ununterbrochen dem Reichstage angehörte. In diesem Augenblicke steigt vor unserem geistigen Auge das Bild des allverehrten Alterspräsidenten auf, der noch vor wenig