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königlich Sächstsehev LtKKtsKnzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 60. > Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat DoengeS in Dresden. < Mittwoch, 13. März 1912. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 16, sowie durch die deutschen Postanstalten > Marl vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Nr. 1574. Ankündigungen: Die Ispaltige Grundzeile oder deren Raum im Ankündigungsteile SV Pf., die 2spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 75 Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) 150 Pf. Preisermäßigg. aus Geschästsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Der Reichstag fetzte gestern die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern fort. * Die Ratifikationsurkunden zu den am 4. November 1811 abgeschlossenen deutsch.französischcn Abkommen über Marokko und Aquatorialafrika sind gestern in Paris auS- getauscht worden. Während gestern bei der Frühschicht der Prozentsatz der im Ruhrgebiet streikenden Bergarbeiter 58,74 betrug, streikten bei der Nachmittagsschicht nur 47,2 Proz. Im Ruhrgebiet ist es gestern wiederum zu schweren Ausschreitungen der Streikenden gekommen. In Obermarx loh wurde die Polizei nicht nur mit Steinen beworfen, sondern auch aus den Fenstern der Häuser beschossen. * Die christlichen Gewerkschaften haben sich an die Be hörden um wirksameren Schutz der Arbeitswilligen im Nuhr- kohlengebiet gewandt. * Auf dem Kalischacht Nippa bei Heringen a. d. Werra stürzte ein zehn Zentner schwerer Eisenring in die Liefe und verletzte vier auf dem Grunde deS Schachtes arbeitende Leute schwer, drei leichter. Der britische Flottenetat für daS Rechnungsjahr 1912/13 schließt mit 44085490 Pfd. Sterl, ab, gegen 44 392 5VV im laufenden Rechnungsjahr. G * DaS russische Staatsbudget erreicht in diesen» Jahre zum erstenmal etne Höhe von mehr als 3 Milliarden Rubel. Die Pforte hat Nachrichten, «ach denen sich zwei ita lienische Kriegsschiffe im Archipel befinden. Ran glaubt in Konstantinopel, daß ein Vorgehen der Italiener gegen eine der Inseln unmittelbar bevorsteht. In den Dardanellen sind Kontaktminen gelegt worden. Eine durch Bojen bezeichnete Fahrrinne, durch welche die Schiffe von zwei Lotsendamp fern geleitet werden, ist offen gelassen worden. * Langschaoyi ist zum Premierminister der Republik China ernannt worden. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dein Musikalien händler Max Alfred Engel, Inhaber der Musikalien handlung C. A. Klemm in Dresden, das Prädikat „Hof musikalienhändler Sr. Majestät des Königs" Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß die Ober-Postschaffner Hand rack und Naumann in Leipzig sowie Grellmann in Dresden das ihnen von Sr. Majestät dem Kaiser, König von Preußen, verliehene Preußische Allgemeine Ehren zeichen anlegen. (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch iin Inseratenteil ) Nichtamtlicher Teil. Bom Königlichen Hofe. Dresden, iZ.März. Se. Majestät der König empfing mittags die Hofoepartementschefs zum Rapport. Deutsches Reich. Die Feier ves V1. Geburtstages des Prinzregenten von Bayern in München. München, l2. März. Zur Feier des 91. Geburts tages des Prinzregenten trägt die Stadt reichen Flagg mschmuck. Der Festtag wurde morgens durch ein militärisches Wecken auf dein Marienplatz eingeleitet; vormittags wurden in den Pfarrkirchen der Stadt Fest, gottesdienste abgehalten Nach dem Militärgottesdienstc in der Et. Michaels Hofkirche, dem die Prinzen des König!. Hauses, sowie die Generalität und Abordnungen der Garnison München beiwohnten, und nach dem feier lichen Hochamt im Dom, wobei die Staatsminister, das diplomatische Korps und Vertreter der Abgeordneten- kammern, der Hochschulen sowie der Beamtenschaft zu gegen waren, fand auf dem Maximiliansplatz eine große Parade statt, die Prinz Ludwig in Vertretung des Prinz regenten abnahm. Eine große Menschenmenge hatte sich zu dem militärischen Schauspiel eingefunden. Der Prinzregent wohnte einer stillen Messe in der Aller- Heiligen-Hofkirche bei und empfing im Laufe des Vor mittags die Glückwünsche des Hausdienstes, sowie der General- und Flügeladjutanten. Hierauf fand Frühstücks tafel statt. Zahlreiche Glückwunschtelegramme sind in der Residenz einaelaufen, darunter solche von Ihre»» Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin, von Kaiser Franz Joseph, von sämtlichen deutschen Bundesfürsten, von oen Königen von Italien und Spanien, vom Reich - kanzler, dem Staatssekretär des Äußern und vom Statt halter von Elsaß-Lothringen. Austausch der Ratifikationsurkunden zu den deutsch- franzSfischen Abkommen vom 4. November 1911. Berlin, 12. März. Die Ratifikationsurkunden zu den am 4. November v. I. abgeschlossenen deutsch französischen Abkommen, betreffend Marokko und Aquatorialafrika, sind gemäß Artikel 15 bez. 17 der genannten Verträge heute in Paris ausgetauscht worden. Aus dem preußischen Herrenhause. Das preußische Herrenhaus beriet gestern über den Antrag v. Puttkammer, worin die Regierung ersucht wird, alle erforderlichen Maßnahmen, nötigenfalls durch Einbringung von Gesetzesvorlagen, zu ergreifen, die ge eignet erscheinen, Arbeitswillige und Gewerbe treibende wirksam vor Gewalt und Bedrückung zu schützen, sei es, daß diese iin Wege unmittelbaren oder mittelbaren Zwanges versucht werden. Berichterstatter Graf v. Zieten-Schwerin empfahl die Annahme des Antrages. Dieser zielt nicht darauf hin, das gesetz liche Recht zum Streik zu beeinträchtigen, sondern nur den un- gesetzlichen Terrorismus gegen Arbeitswillige zu beseitigen. Unt r Wahrung des altpreußischen Grundsatzes suum vuiquv hat der Staat'die Pflicht, diesen Terrorismus unter allen Umständen zu brechen. Ich habe das Vertrauen zur Staatsregierung, daß sie dieser Aufgabe gerecht werden wird, sonst verliert sie ihr Ansehen bei Freund und Feind. Die zu Gebote stehenden Mittel reichen aus, wenn sie kraftvoll und rücksichtslos angewandt werden. (Sehr richtig!) Bei dem Terrorismus der Sozialdemokratie stehen König und Vaterland auf dennSpiel. Gebraucht der Staat seine Macht- mittel nicht, so gehen wir Zuständen entgegen, wie sie in Frank reich vor der großen Revolution vorhanden waren. Ich möchte daher die Mahnung an die Regierung richten: Landgraf, werde hart! (Beifall.) Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern Holtz: Da der Hr. Minister des Innern zu seinem großen Bedauern durch Krankheit verhindert ist, heute persönlich zu dem Anträge Stellung zu nehmen, habe ich zunächst zu erklären, daß es die Staats regierung selbstverständlich als ihre ernste Pflicht erachtet, ihrer seits alles zu tun, um die Arbeitswilligen und Gewerbetreibenden vor Bedrückung wirksam zu schützen. Sie wird stets bestrebt sein, alle die Maßnahmen zu ergreifen, welche zur Erfüllung dieser in Streitfällen besonders schwierigen Ausgabe dienlich und notwendig sind. Soweit der Antrag auf Gesetzesvorlagen abzielt, bin ich nicht in der Lage, sachliche Erklärungen zu ihm abzugeben. Mag schon der Umstand, daß gerade vor einigen Tagen eine lebhafte Arbeiterbewegung ausgebrochen ist, den Zeitpunkt für Regierungs- ecklärungen nach dieser Richtung an sich vielleicht auch nicht ge eignet erscheinen lassen, so ist ausschlaggebend das Bedenken, daß das Rechtsgebiet, welches hier in Frage kommt, der Reichsgesetz gebung Vorbehalten ist. Der Staatssekretär des Innern hat vor einigen Tagei» sich im Reichstag eingehend über diese Frage ge äußert und Wege angedeutet, die vielleicht für ihre Lösung in Betracht kommen können. Ich darf auf diese Ausführungen hier Bez g nehmen. Was nun aber weiter die Berwaltungsfragen betrifft, das heißt also die Maßnahmen, für welche da» Ministerium des Innern in Preußen zuständig und verant- wörtlich ist, so kann ich die Versicherung geben, daß von feiten deS Ministerium» alles getan ist, um die wichtige hier in Frage stehende Ausgabe nach Kräften zu erfüllen. Ich verweise zunächst in dieser Beziehung auf die Änderungen der Organisation, die für die Polizeiverwaltungen in den Jndustriebezirken cin- getreten ist. Bereits vor zwei Jahren sind für Bochum, Gelsen kirchen und Essen Sönigl. Polizeiverwaltungen organisiert worden. Die gleiche Maßnahme soll noch iin kommenden EtalSjahr für den oberschlesischen Jndustriebezirk und den Saarkreis in Kraft treten. Abgesehen davon ist die Heranziehung von Gendarmen und Schutzleuten aus Gebieten, die der Streikgefahr weniger oder gar nicht m sgesetzt sind, »ur Hilfeleistung in den Streikgebieten nach einem in allen Einzelheiten geregelten Verteilung-plan vor gesehen worden. Aus Grund dieser planmäßigen Vorbereitungen sind, wie dem Hause bekannt ist, vor einigen Tagen Gendarmerie mannschaften und Königl. Schutzleute in sehr beträchtlicher Anzahl in das Streikgebiet abgeganaen, so daß dem leitenden Beamten gegenwärtig eine starke PoUzeikraft zur Verfügung steht. Nach der heutigen Lage der Linge darf angenommen werden, daß diese Maßnahmen au-reichen, um da» Interesse der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nach jeder Richtung zu schützen. Sollt aber dieser Erfolg wider Erwarten durch ein gesetzwidriges Verhalten der Streikenden in Frage gestellt werden, so wird die Regierung keinen Augenblick zögern und alle ihre Kraft aufbieten, um jeder Schädigung berechtigter Interesse»» mit aller Energie nachdrücklich und nachhaltig entgegenzutreten. (Lebhafter Beifall.) Nach längerer Debatte wurde der Antrag v. Putt- kanlmer einstimmig angenommen. (Stürmischer Beifall.) Ein Zwischenfall in der hessischen Zweiten Kammer. Darinstadt, 12. März. In der Zweite»» Kammer kain es heute vormittag zu einem Zwischenfall. Nach der Rede des Abg. vr. Fulda (soz.), der den Minister des Innern fortgesetzt aufs schwerste angriff und beleidigte, ohne von dem Vizepräsidenten Korell zur Ordnung gerufen zu werden, verließen sämtliche Regierungsvertreter das Haus. Nach längerer Ge- schäftsordnunysdebatte wurde auf Antrag des Abg. Osann beschlossen, eine Pause eintreten zu lassen, in welcher der Vorstand der Kammer »nit der Negierung darüber verhandeln solle, auf welcher Grundlage wieder ein Zu sammenarbeiten mit der Regierung ermöglicht werden könne. Nach etwa einstündiger Verhandlung des Vorstands der Kammer mit der Regierung und nach Beratungen der Fraktionsvorstände erschienen die Regier»»ngsvertreter wieder im Saale. Der Vizepräsident Korell stellte auf Grund des Stenogramms die wiederholten Beleidigungen des Abg. vr. Fulda fest und erteilte ihm zwei Ordnungsrufe. Darauf gab er im Namen des Ge- famtvorstands der Kammer eine Erklärung ab, in der er seinen» Bedauern wegen des Zwischenfalls Ausdruck gab. Sodann gaben sämtliche Vorstände der bürger lichen Fraktionen eine Erklärung ab, in der sie ebenfalls den Vorfall aufs tiefste bedauerten. Der Minister des Innern v. Hombergk dankte den bürgerlichen Parteien und erklärte, daß es ihm nach dem beleidigenden Verhalten Fuldas unmöglich sei, in Zukunft sich jemals wieder mit ihm in eine Diskussion einzulassen, oder ihm Antwort zu erteiley. Damit war der Zwischenfall er ledigt. Aus der Zweiten Kammer des Landtags von Elsaß-Lothringen. Straßburg i E., 12. März. Die Zweite Kammer des Landtages nahm in zweiter Lesung den Etat des Ministeriums an. Der Posten von 44 000 M. für ge heime Ausgaben im Interesse der Polizei wurde vom Zentrum, den Sozialdemokraten und den Demo kraten gestrichen, während die Liberalen und der lothringische Block sich der Abstimmung enthielten. Das Zentruin erklärte sich durch die Abgeordneten Haus und Wetterls jedoch bereit, seinen Standpunkt einer Revision zu unterziehen, wenn dem Parlament eine Kont olle zu gestanden würde. Staatssekretär Zorn v. Bulach und Uuterstaatssekretär Mandel erklärten, das elsaß-lothrin gische Parlament solle nicht schlechter gestellt werden, als andere Parlamente. Die Regierung würde Erkundigun gen in anderen Staaten über deren Verhalte»» anstellen. Liberale und Lothringer Block »vollen erst abwarten, welche Stellung die Regierung in dieser Frage einnimmt Außerdem gab es eine lebhafte Debatte über die französischen Inschriften an Läden, Schaufenstern »c., deren Verbot von den Vertretern aller Parteien auf das energischste bekämpft und dessen Abschaffung verlangt wurde. Bei der dritten Lesung soll ein entsprechender Antrag gestellt werden. Unterstaatssekretär Mandel erklärte, der Regierung sei die Notwendigkeit dieses Verbots selbst sehr unangenehm. Sie könne aber Weyen des möglichen Mißbrauchs zu Demonstrationen nicht darauf verzichten. Reichstag. Sitzung vom 12. März 1912. An» Bundesratstische: Staatssekretär vr. Delbrück. Präsident vr. Kaempf eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Eingegangen ist eine Interpellation des Zentrums über den Bergarbeiterstreik. Die zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wurde bei Kap. 7 Titel 2 (» Direktoren und 2« vor tragende Räte) fortsesetzt. Abg Graf v. Westarp (kons.) berichtete über die Berhand lungen in der Kommission. Diese beantragt zu diesein Titel eine Resolution, den Reichskanzler zu ersuchen, eine Novelle zum Be amten- und OfsizierSpensionsgeseh vorzulegen, nach der Einkommen aus einer im Ruhestand erfolgten Privatanstellung unter be stimmten Voraussetzungen ans das Ruhegehalt angerechnet werden können. Abg. Liesching (fortschr. Vp.): Air werden dieser Resolution zustimmen, da »vir eine reinliche Scheidung der öffentlichen und Privatdeamten fordern müssen. Woher kommt e», daß Privat gesellschaften so großen Wert darauf legen, nicht mehr voll arbeitsfähige pensionierte Offiziere oder Beamte zu bekommen? ES heißt, die Gesellschaften rechneten damit, daß der pensionierte Beamte noch Beziehungen zur Regierung habe, woraus ihr Vor-