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Dresdner W Munal. TLoniglich Säehsisehev StatttsttttzrigeV. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 46. > Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Dsenge» in Dresden. <r- Sonnabend, 24. Februar 1912. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 1», sowie durch die deutschen Postanstalten 8 Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktag- nachmittags. — Fernsprecher: Expedition Nr. 12SS, Redaktion Nr. 4874. Ankündigungen: Die ispaltige Grundzeile oder deren Raum im «nkündigung-teile 80 Pf., die S spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 78 Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) 180 Pf. PreiSermäßigg. auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme »orm. 11 Uhr. Der Reichstag nahm gestern da» AuSführnngsgefetz zu dem internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels in erster und zweiter Lesung an und be gann mit der ersten Lesung des Reichs- und StaatSan- gehörigkeitsgesetzeS. Gestern trat in Leipzig der Sächsische «emeindetag zusammen. Die italienische Deputiertenkammer hat mit 428 gegen 9 Stimmen den Gesetzentwurf betreffend das die Souverä- uität Italiens über Tripolis und Cyrenaika erklärende Dekret anjenommen. Im Norden Chinas dauern die Kämpfe zwischen Re volutionären und Regierungstruppen auch nach Erklärnng der Republik an. * Rach einer Meldung aus Torrcon (Mexiko) beträgt die Zahl der in dem Gefecht bei San Pedro am 19. d. M. getöteten Aufständischen, die von den Regierungstruppen in einen Engpaß gelockt worden waren, 257. * Bei dem Brande einer Kohlengrube in Lehigh (Okla homa) wurden sieben Arbeiter getötet, über das Schicksal von ungefähr 2« Verschütteten herrscht Ungewißheit. Amtlicher Teil. Dresden, 24. Februar. Se. König!. Hoheit Prinz Johann Georg, Herzog zu Sachsen, ist heute früh 7 Uhr 8 Min. von Wien hierher zurückgekehrt. Das Kaiser!. Gesundheitsamt meldet den Ausbruch der Maul» und Klauenseuche von den Schlachtviehhöfen in Frankfurt a. M. und Stuttgart am 22. d. M. Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hofe. Dresden, 24. Februar. Se. Majestät der König wird abends 7 Uhr dem Bortrage des König!, bayerischen Oberleutnants Giehrl über Jugendfürsorge im Linckeschen Bade beiwohnen und hierauf mit Ihren König!. Hoheiten dem Kronprinzen und dem Prinzen Friedrich Christian eine Abendgesellschaft bei Ihrer Exzellenz der Frau Oberhofmeisterin v. der Gabelentz- Linsingen besuchen. Dresden, 24. Februar. Se. König!. Hoheit der Prinz Johann Georg ist heute früh 7 Uhr 8 Min. aus Wien wieder hier eingetroffen. Se. König!. Hoheit wird heute abend dem Vortrage des Hrn. Prof. Högg über „Zeitgemäße Stilfragen" im Verein sächsischer Heimatschuß beiwohnen. Deutsches Reich. Aus drr hessischen Zweiten Kammer. Darmstadt, 23. Februar. Während der Etats beratung in der Zweiten Kammer erklärte Finanz minister vr. Braun, daß man im Hinblick auf die finanzielle Lage von einem Ausblick auf eine erheblichere Besserung reden könne. Bezüglich der preußisch- hessischen Eisenbahngemeinschaft führte der Minister aus, das Ergebnis des abgelaufenen Jahres sei sehr günstig gewesen. Der Anteil Hessens am Betriebs- Überschuß für das Jahr 1911 betrage 16 700000 M und etwa 1800000 M. mehr als im Voranschlag vorgeseheu gewesen sei. Rein finanziell betrachtet inüsse durchaus anerkannt werden, daß die Reform der Reichsfinanzen in erwünschter Weise erreicht worden sei. Ob man dabei überall die richtigen Wege gegangen sei, oder ob nicht die Vorschläge der Verbündeten Regierungen vorzuziehen gewesen wären, darüber möge man sich, wenn man es noch für nützlich halte, im Reichstag unterhalten. Auch den Bundesstaaten sei mit dieser Finanzreform ein großer Dienst erwiesen worden. Eine gedeihliche Finanzpolitik des Landes sei ohne eine gesunde Lage der Finanzen des Reiches nicht möglich. , weiteren Verlauf der Sitzung erörterte Finanz minister vr. Braun den Rückgang der Kurse der hessischen Staatspapiere. Er erklärte, die Regierung habe seit dem Jahre 1909 eine größere Anleihe ver mieden und verwende Tilgungsmittel zu Ankäufen von Staatsschuldverschreibungen. Mit Bezug auf das päpstliche Uobu proprio vom 9. Oktober 1911 erklärte der Minister des Innern, vHombergk zu Vach, die hessische Regierung dürfe die Angelegenheit in gleicher Weise als erledigt ansehen, wie dies von feiten Preußens und der anderen Bundes staaten geschehen sei. Aus dem Landtag von Schwarzburg-Rudolstadt. Rudolstadt, 23. Februar. In der heutigen Sitzung des Landtages wurde der sozialdemokratische Abgeordnete Winter zum Präsidenten, der sozialdemokratische Ab geordnete Hartmann zum Vizepräsidenten gewählt. Die bürgerlichen Abgeordneten hatten weiße Zettel ab gegeben. Einführung der Kopfsteuer in Deutfch-Ostafrika. Mit dem 1. April d. I. soll im ganzen Schutz gebiet die Kopfsteuer für die Eingeborenen und ihnen gleichstehenden Inder eingeführt werden. In Daressalam, Tanga, Kilwa, Ta bora rc. wird neben der Kopfsteuer die Hüttensteuer weiter bestehen bleiben. Zur Zahlung der Kopfsteuer sollen alle männlichen, arbeitsfähigen Eingeborenen herangezogen werden. Dadurch wird die Gesamtbevölkerung in einer gleich mäßigeren Art als bisher zu einem Beitrag zu den Lasten des Schutzgebiets herangezogen werden und manche Mißstände verschwinden, welche die Hüttensteuer im Gefolge hatte. Diese Steuer wurde sehr oft um gangen, indem mehrere Familien fich in einer Hütte zu sammenpferchten Pie strenge Durchführung der Kopf steuer wird auch eine genaue Feststellung der Eingeborenen bevölkerung in Deutsch-Ostafrika ermöglichen. Reichstag. Sitzung vom 28. Februar 1S12. Am Bundesratstische: die Staatssekretäre Or. Delbrück und Or. LiSco. Präsident Or. Kaempf eröffnete die Sitzung um 11 Uhr 20 Min. Aus der Tagesordnung stand zunächst die erste Lesung des Ausführungsgesetzes zu dem internationalen Über einkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Direktor im Auswärtigen Amt Or. Kriege: Die inter nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des verbrecherischen Mädchenhandels haben mit einem am 18. Mai 1904 in Paris geschlossenen Verwaltungsabkommen eingesetzt, das von einer großer) Reihe von Staaten, darunter von Deutschland, in Kraft gesetzt worden ist. Gemäß diesem Abkommen sind überall Zentralstellen zur Überwachung des Mädchenhandels errichtet worden, die sich gegenseitig Beistand leisten und bereits eine segensvolle Wirksamkeit entfaltet haben. Dem Verwaltungs- abkommen ist seit 1V1V ein Rechtsabkommen gefolgt. Dieses stellt fest, daß der Mädchenhandel in dem ganzen Bertrags- gebiet als eine strafbare Handlung anzusehen ist, und begründet hierfür wechselseitige Auslieferung. In der deutschen Gesetz- gebung bedürfen der Ergänzung nur die Vorschriften über die Auslieferung, deren Durchführung der vorliegende Gesetzentwurf beabsichtigt. Abg. Göhre (soz.): E» hat etwa» lange gedauert, bis man mit der systematischen Bekämpfung de-Mädchenhandel» begonnen hat. Die Privatorganisationen, insbesondere das Deutsche Komitee, haben sich große Verdienste um die Aufklärung diese» dunklen und schmerzlichen Gebiets erworben. Der L-Ädchen- handel ist international, seine Bekämpfung muß deshaw eben falls international organisiert sein. Leider enthält die Vorlage mehrere bedenkliche Lücken, so bei den Strafvorschriften. Be dauerlich ist eS, daß die Schweiz, die Türker und Nord- und Südamerika mit Ausnahme Brasilien» der Konvention nicht bei getreten und die englischen Kolonien nicht einbezogen sind. Nach dem nunmehr die erste Etippe erreicht ist, muß die Konvention dahin streben, das Bordellwesen zu bekämpfen. Wirtschaftliche und geistige Rot, die namentlich Heimarbeiterinnen, ländliche Arbeiterinnen und Dienstmädchen den Mädchenhändlern in die Hände führen, zu bekämpfen, ist Sache der Gesetzgeber. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Or. Pfeiffer (Z.): Der Gesetzentwurf ist ein würdiger Schlußstein für da» große, verdienstliche Werk de» Deutschen Komitees zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Alle Schichten der Bevölkerung sind sich darüber einig, daß es sich hierbei um ein Kulturwerk ersten Ranges handelt. Ich hoffe, daß auch die Bereinigten Staaten von Amerika bald dem Vertrage beitreten werden. (Beifall im Zentrum.) Abg. Graf Kanitz (kons.): Richt nur die Mädchen, Heim arbeiterinnen «c. in den Großstädten müssen mehr als bisher auf geklärt werden, sondern auch die Landmädchen, die zur Ab wanderung in die Großstädte verleitet werden. Abg Metzer-Herford (nl.): Wir begrüßen e» mit großer Freude, daß e« endlich gelungen ist, diese» Übereinkommen sertig- zustellen. Alle Macht- und Geldmittel müssen aufgewendet wer- den, um den Mädchenhandel zu bekämpfen und die schändlichen weißen Sklavenfäger zur Bestrafung zu bringen. Aber da- Volk elbst muß daber mitwirken. Abg. Müller-Meiningen (fortschr. Bp): So dankenswert daS Übereinkommen auch ist, so ist e» doch unvollständig. ES muß vor allem darauf hingeftrebt werden, daß die Fälle, in denen Mädchen oder Frauen gegen ihren Willen in einem Bordell zurückgehalten werden, bestraft werden. Abg. Dombeck (Pole): Leider steht der Osten bei der Ver schleppung von Mädchen obenan; insbesondere sind Oberschlesien und Polen das Bassin, aus dem die Jugendlichen geschöpft iverden. Diesem Übelstande wirksam entgegenzutreten ver mögen die Behörden nicht allein; das Publikum darf in seiner Mitwirkung nicht versagen. Abg. Or. Werner-Gießen (wirtsch. Bgg ): Auch wir sind durch die Vorlage erfreut; jedoch ist e- nötig, die Konvention alsbald noch weiter au-zudehnen. Die innere Mission findet hier ein dankbares Feld; sie sollte sich auch in der Bekämpfung de» AnimierkneipenwesenS, der Kabaretts rc. betätigen. Direktor Or. Kriege: Mit großer Genugtuung ist da» all- seitige große Interesse an der Sache festzustellen. Ls besteht kein Zweifel, daß auch Englands Kolonien der Konvention beitreten werden. Das Abkommen sieht nur das Mindestmaß vor, die innere Gesetzgebung der Einzelstaaten geht stellenweise darüber hinaus. Unsere Vertreter im Auslande haben bei der Be kämpfung des Mädchenhandel« mitzuwirken. Schließlich möchte ich dem Deutschen Zentralkomitee besondere Anerkennung für seine Mitarbeit au-sprechen. Damit schloß die erste Beratung. Die Vorlage wurde sofort auch in zweiter Lesung unverändert angenommen. Sodann wurde die Verlängerung de» Handel»- und Schifsahrt-vertrage- mit der Türkei ohne Debatte in erster und zweiter Lesuug angenommen. ES folgte die erste Lesung eine» Reich»- und StaatS- angehörigkeitSgesetzeS in Verbindung mit einer Abände rung des Reichsmilitärgesetze», sowie de-Gesetze»betreffend Änderungen der Wehrpflicht. Staat-sekretär Or. Delbrück: Der Entwurf de- vorliegenden Staat-angehörigkeit-gesetzeS soll da- Gesetz vom 1. Juni 1870 -ersetzen. Es ist aber nicht die Absicht der Verbündeten Re gierungen, die Bestimmungen über den Erwerb und Verlust der Staat»- und ReichSangehörigkeit von Grund au« zu ändern; e- soll nur eine Anzahl von Bestimmungen aufgehoben, ergänzt oder geändert werden, die nicht mehr der Entwicklung der poli tischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb und außerhalb der Grenzen de« deutschen Vaterlandes entsprechen. Da» Gesetz von 1870 stellt an die Spitze den Grundsatz, daß die Bundesangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben wird und mit deren Verlust erlischt. Da» muß auch heute noch für richtig angesehen werden. Folgerichtig mußte daher auch ein einheitliche» Recht in bezug auf die Grund sätze geschaffen werden, nach denen die Staatsangehörigkeit inner halb der einzelnen Bundesstaaten erworben werden konnte,und ferner war es notwendig, eine staatsbürgerliche F eizügigkeit zu schaffen. Besonderen Anteil an der grundsätzlichen Änderung hat 8 21, wonach ein Deutscher, der das Bundesgebiet verläßt, und zehn Jahre ununterbrochen sich im Auslande aufhält, seine Staats angehörigkeit verliert. Man wirft dieser Bestimmung vor, daß sie den Verlust der Staatsangehörigkeit ungebührlich erleichtere. Diese Bestimmung muß nunmehr zweckmäßiger gestaltet werden. Dazu kommt, baß das alte Gesetz zu einer Zeit erlassen wurde, als wir noch keine Kolonien hatten. Wir haben zwar den Verlust der Staatsangehörigkeit durch den Zeitablauf beseitigt, halten aber daran fest, daß nach wie vor die Staatsangehörigkeit verloren gehen muß, wenn ihr Inhaber auf seinen Antrag die Angehörig keit in einem andern Staat erworben hat. Dabei wird anerkannt, daß es Fälle geben kann, in denen der einzelne Staatsbürger im Auslande ein Interesse hat, neben der alten auch die neue Staatsangehörigkeit zu erwerben. Auch daraus ist Rücksicht genommen worden. Wer sich der Wehrpflicht entzieht, ist aber nicht würdig des deutschen Schutze«. Ich bitte Sie um wohl wollende Aufnahme der Vorlage. Sie hat eine gewisse vater ländische Bedeutung und ist ein Markstein in der Entwicklung de« Deutschen Reiches. (Beifall.) Abg. Or. Liebknecht (soz.): Mit der Bestimmung de« Ent wurf», wonach das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht nur von Personen zurückerworben werden kann, die keinem Staate ange hören, sind wir nicht einverstanden. Wenn ein Deutscher wegen seines längeren Aufenthalt» im Ausland für fahnenflüchtig erklärt wird, dann ist nicht immer böser Wille der Grund der Fah icn- flucht, e» kann ein Akt der Verzweiflung gegenüber unserem jetzigen militärischen System sein Eine Statistik über Raturali- sationsgesuche und deren Behandlung seitens der deutschen Re gierung wäre im höchsten Grade interessant. Wer einen Krieg mitgemachtoder jedensall» dazubereit war, für das Deutsche Reich sein Leben einzusetzen, dem müßte der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit leicht gemacht iverden. Ich beantrage, die Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen. Hoffentlich gelingt eS, in ihr da« Gesetz so zu gestalten, daß auch wir ihm zustimmen können. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Or. Spahn (Z.): Uns wäre e» lieber gewesen, eine Kommission von 2l Mitgliedern einzusetzen. Eine gesetzliche Re gelung der Naturalisierung der Ausländer kann von un« einseitig nicht gemacht werden» de» Ausland muß un« gleichzeitig darin entgegenkommen. Eine gesetzliche Festlegung de« Fremdenrecht« ist auch un« erwünscht, mit dieser Vorlage ist sie aber nicht zu verquicken. Die Wiederaufnahme in die deutsche Reim-angehörig« keit muß möglichst erleichtert werden. An der Erfüllung der Militärpflicht müssen wir al- Grundbedingung für die Staats angehörigkeit festhalien. Mit einer baldigen Verabschiedung diese- Gesetzes werden wir der deutschen Bevölkerung im Auslande einen wertvollen Dienst leisten. (Beifall.) Abg. Or. Giese (kons.): Wir stimmen der Vorlage in ihren Grundzügen zu. Wer nicht mehr Deutscher sein will, soll nicht dazu angehalten werden. Dieser Wille braucht nicht au-gesprochen zu werden, er kann auch au- dem Verhalten de- Beteiligten er blickt werden. Dazu gehört der Erwerb einer anderen Staat»- - - ... ... . ... ... — .. . — —-