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Dresdner S Journal. königlich SAehsischev St«ats«nzrigeV. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 37. Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Doenges in Dresden. < Mittwoch, 14. Februar M2. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße IS, sowie durch die deutschen Postanstalten S Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittag». — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Nr. 4574. Ankündigungen: Die ispaltige Grundzeile oder deren Raum im Ankündigung-teile Sv Pf., die 2spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 7» Pf., unter dem Redaktion»strich (Eingesandt) 150 Pf. Prei»ermäßigg. aus Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Die Ständige Kommission der Internationalen Zucker tonferent hat ihre Arbeiten bis zum 2«. Februar unter brochen, nachdem über die wesentlichen Punkte — Er neuerung der Konvention auf weitere fünf Fahre, Be willigung eines außerordentlichen Exportkontingenttz von 250 VW Tonnen an Rußland — Einverständnis erzielt worden ist. Di« französische Deputiertenkammer hat das Flotten- Programm mit 452 gegen 73 Stimmen angenommen. Bei der Besprechung deS KrtegsbudgetS im französi schen Senat erklärte KriegSminister Millerand, Frankreich werde gegen Ende dieses Jahres 27 Feld- und 5 Festung?- luftgeschwader, bestehend a«S 344 Flngzeugen, mobilisieren können. * Durch Einsturz des KaiS in San Remo wurden zwanzig Schüler unter den Trümmern begraben. Fünf Schüler wurden getötet, acht verletzt. Huanschikai hat den Titel eines bevollmächtigten Organisators der Repnblik China angenommen. Die japanischen Dampfer „Ryohamaru" nnd „Mori- maru" stießen bei Nagasaki zusammen und sanken. 4S Per sonen sind hierbei ertrunken. Amtlicher Teil. Se Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Kommerzienrat Louis Bern hard Lehmann in Blasewitz das ihm von Sr. Majestät dem König der Belgier verliehene Kommandeurkreuz des Ordens Leopolds II. annehme und trage. Die Einfuhrstelle Klingenthal ist für die Einfuhr von Nutz- und Zuchtvieh aus Österreich wieder geöffnet worden. Dresden, den 12. Februar 1912. rs» 11V. Ministerium des Inner«. ivss (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Inseratenteil ) Nichtamtlicher Teil. Bom Königlichen Hofe. Dresden, 14. Februar. Se. Majestät der König wohnte früh 8 Uhr den Rekrutenbesichtigungen beim 2. Bataillon des 12. Infanterieregiments Nr. 177 bei und empfing mittags die Hofdepartementschefs zum Rapport. Abends 9 Uhr wird Se. Majestät die Ballfestlichkeit bei Sr. Exzellenz dem Staatsminister Grafen Vitz thum v. Eckstädt im Ministerhotel auf der Seestraße besuchen. Deutsches Reich. Reichstag * über den Verlauf der gestrigen Sitzung des Reichstag haben wir bereits gestern unter Drahtnachrichten berichtet. Rach- getragen sei noch, daß zu Schriftführern gewählt wurden vr. Bärwinckel (nl.), l)r. Neum inn-Hofer (fortschr. Bp.), Stücklen (soz.), v. MorawSki (Pole), Rogalla v. Bieberstein (Ions ), Engelen (Z), vr. Belzer (Z.) und Fischer-Berlin (soz.) * Das Zentrum hat im Reichstage eine Anzahl von Anträge« eingebracht, über die folgendes mitgeteilt werden möge: Ein Antrag ersucht den Reichskanzler, die erforderlichen Maßnahmen dahin zu treffe», daß 1. für die Angestellten des Reichs in den Reichsbetrieben AngeftelltenauSschüsse errichtet werden, 2. für die Verkehrsangcstellten reich-gesetzlich eine tägliche Mindestruhe und möglichste Sich rung der Sonntagsruhe geschaffen wird, 3. eine Statistik über die Familienverhültnisse (ob verheiratet und Kinderzahl) der Arbeiter und Angestellten de» Reichs, gc- trennt nach Kategorien, dem Reichstag vorgelegt wird. Ein weiterer Antrag fordert die tunlichst baldige Vorlegung eine» Gesetzentwurfs, der bezüglich der Gehilfen der Rechts anwälte, Notare und Gerichtsvollzieher, ferner der Beamten und Angestellten der Kranken lassen über die Arbeitszeit, die Kündigungsfristen, die Sonntagsruhe, die berufliche Aus- und Fortbildung, die gleiche oder ähnlicl,« Vorschriften vor- sieht, wie sie da« Handelsgeietzbuch und die Gewerbeordnung hin- sichtlich der Handelsangestellten enthält. Ein weiterer Antrag ersucht die Verbündeten Regierungen, al-bald die erforderlichen Anordnungen zu treffen, wonach 1. Freifahrt für die beurlaubten Soldaten auf den deutschen Eisenbahnen gewährt wird, 2. die Einberufungen der Reservisten und Landwehrmänner nicht zu Erntezeiten geschieht. Ein fünfter Antrag fordert Maßnahmen auf dem Gebiete der Finanzverwaltung; er fordert die tunlichst baldige Vorlegung eines Gesetzentwurfs, durch den a) die Ver waltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches geregelt, b) ein Rechnungshof des Deutschen Reiches errichtet und mit den nötigen Befugnissen auSgestattet und o) die Mitwirkung des Reichs tag- an der Kontrolle des Vollzugs des Reichshaushalts um schrieben und sichergestellt wird. Ein weiterer Antrag will die Geschäst-ordnung-kommission des Reichstags mit der Revision der Geschäftsordnung 'deS Hause» beauftragen. Ein weiterer Antrag fordert die Vorlegung einer Novelle zum R.eichsbeamtengesetz, durch die der freiheitliche Ausbau des Beamtenrechts nach folgenden Richtungen gesichert wird: 1. Ge währung rechtlichen Gehör» vor der Eintragung ungünstiger Tat sachen in die Personalakten, 2. Garantien für da» Koalition-recht, 3. Reform de» DiSziplinarstsafverfahrenS, 4. Einführung des Wiederaufnahmeverfahrens. * Dem Reichstag sind eine große Anzahl von Initiativ anträgen der Aortschritttiche« BolkSpartei zugegangen. Sie beantragt u. a., den Reichskanzler zu ersuchen, zur Beseitigung der volkswirtschaftlich und sozial gefährlichen Anhäufung von Grundbesitz in Händen einzelner auf reich-gesetzlichem Wege eine Verhinderung oder mindesten» Erschwerung der Neubildung von Fideikommissen und eine Erleichterung der Auflösung be stehender Fideikommisse in den Einzelstaaten in die Wege zu leiten. Landwirtschaftliche Fragen berührt auch ein weiterer Antrag der Vollspartei, der die Regierung um baldige Vor legung eines Gesetzentwurfes ersucht, durch den die Rechtsverhält nisse zwischen den landwirtschaftlichen und forstwirt schaftlichen Arbeitern sowie dem Gesinde einerseits und deren Arbeitgeber» anderseits ceichsgesetzlich geregelt werden. Die BoESpartei ersucht ferner die Verbündeten Regierungen um die Vorlegung eine» Gesetzentwurf- zur Be seitigung der dem Koalitionsrecht noch entgegenstehendcn Be schränkungen. Sie fordert in einem Antrag die Beseitigung der Zündwarensteuer und die Aufhebung des Scherl- und Quittungs stempels. Wieder eingebracht hat die BolkSpartei einen von ihr früher bereits gestellten Antrag zur Reform der Geschäftsordnung des Reichstags. Da-nach sollen bei der Besprechung von Interpellationen von mindestens 30 Mitgliedern unterzeichnete Anträge gestellt werden dürfen, die dahin gehen, daß der Reichstag sich über die Billigung oder Nichtbilligung de» Verhaltens deS Reichskanzler aussprechen möge. Ein weiterer Antrag verlangt eine baldige Abänderung der Bestimmungen für die Reichstagswahlen dahin gehend, daß 1. die Vollziehung der Wahle» nur am Sonntag geschehen darf, 2. die im deutschen Strafgesetzbuch zum Schutze des Wahlrechts getroffenen Bestimmungen erweitert werden, 3. zur Sicherung der geheimen Wahl wirksamere Vorschriften erlassen werden ») für die Abgrenzung der Wahlbezirke, b) für die Wahlurnen (von Reichs wegen kostenfreie Lieferung von Wahlurnen), die so beschaffen sind, daß eine Mischung der Wahl umschläge gesichert ist. Deutscher Lanvwirtschaftsrat. Gestern trat der Deutsche Landwirtschaftsrat im Sitzungssaal des preußischen Herrenhauses in Berlin zu seiner 40. Plenarversammln ng zusammen. Die bekanntesten Führer der deutschen Landwirtschaft sind erschienen. Die Reichsverwaltung vertritt neben einem ganzen Stabe von Kommissaren der Staatssekretär des Reichsamts des Innern vr. Delbrück. Der Präsident des Landwirtschaftsrats, Graf Schwerin-Löwitz, eröffnete die Verhandlungen mit folgender Ansprache: „Unsere diesjährige Versammlung fällt in eine Zeit hoch gespannter politischer Erregung Aber wie der Fels im sturm- bewegten Meer steht, unberührt von den Wechseln der Meinungen des Tages und der Zeit, die unerschütterliche Treue und Liebe der deutschen Landbevöllerung zum Vaterland und zu seinen angestammten Fürstenhäusern. Ich fordere Sie auf, dieser treuen Ergebenheit für unsern Kaiser und für die deutschen Fürsten auch diesmal Ausdruck zu geben mit dem Rufe: Se. Majestät der Kaiser, die deutschen Fürsten und die freien Städte leben hoch!" Die Versammlung stimmte begeistert in das Hoch ein. Hierauf nahm Staatssekretär vr Delbrück zu einer kurzen Begrüßung des Landwirtschaftsrats im Namen der Reichsverwaltung das Wort: „Meine Herren, ich danke für die gütigen Worte der Be- grüßung in meinem Ramen und im Namen der anwesenden Vertreter der Verbündeten Regierungen. Zugleich entledige ich mich eines Auftrag» des Hrn. Reichskanzlers, der zu seinem Be dauern durch dringende Dienstgeschäfte verhindert ist, hier per sönlich zu erscheinen. Indem ich Sie meinerseits zu begrüßen die Ehre habe, spreche ich den Wunsch au-, daß es Ihrer be währten Kraft unv Arbeitsfreudigkeit gelingen möchte, auch dies mal die wichtigen Aufgaben, die Sie auf Ihrer Tagesordnung haben, mit Erfolg zu lösen zum Wohl der deutschen Landwirt schaft und unsere» deutschen Vaterland»." (Lebhafter Beifall) Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten. Einen wichtigen Gegenstand der umfänglichen Tages ordnung bildeten die Verhandlungen über die Aus führungsbestimmungen zum Biehseuchengesetz, insbesondere zur Bekämpfung der Maul- und Klauen seuche Der Landwirtschaftsrat nahm hierzu nach mehr stündiger Aussprache folgenden Antrag an: „Außer dem Grenzschutze, der in wirksamster Weise nach wie vor durchzusühren ist, hält der Deutsche Landwirtschaft-rot zur Bekämpfung der Maul« und Klauenseuche die sestgelegten Au»- führungSvorschriften zum Biehseuchengesetz für zweckdienlich. Insbesondere erachtet er für notwendig 1. bei Neuausbrttchen der Seuche Tötung des Bestande gemäß 8 159. 2. Im übrigen die Anwendung strenger Maßnahmen, nm eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern, mit de« Maßgabe, daß aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen, na mentlich bei größerer Verbreitung der Seuche, Milderungen zugelassen werden können. 3. Tie Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete nicht größer zu machen als durch die besonderen Verhältnisse des Falle» erforlurlich wird." — Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildeten Referate des Geschäftsführers des Verbandes der deut schen gemeinnützigen unparteiischen Rechtsauskunftsstellen, Rat vr. Link-Lübeck und des Geh. Justizrats Schneider- Berlin über Bedeutung und Durchführung der ge meinnützigen Rechtsauskunft aus dem Lande. Tie Versammlung stimmte folgendem gemeinsamen An träge der beiden Berichterstatter zu: „Die gemeinnützige unentgeltliche Rechtsauskunft erfüllt i» unserem Rechts« und Verkehrsleben eine sehr wichtige Aufgabe und verdient danach alle Förderung auch aus dem Lande. Da sich die Vertretungen der deutschen Landwirtschaft viel fach und seit Jahren eine solche Rechtsauskunft für ihre Mit glieder, znm Teil auch mit der Unterstützung bei deren Prozessen verbunden, haben angelegen sein lasse», so kann e- sich für die Kreise der Landwirtschaft im wesentliche» nur um weitere Aus breitung und Vervollkommnung dieser Einrichtung und gegebenen falls um Zusammenschluß mit dem «Verband der deutschen gemeinnützigen und unparteiischen RechtSaurkunststellen" handeln. Insbesondere wird sich die Beschaffung einer genieinsamen Ver tretung für die Verhandlung vor dem Reichsverficherung-amte und dem demnächstigen OberschiedSgerichte der Angestellten versicherung empfehlen". Danach wurde die Sitzung geschlossen. Nach einer Mitteilung des Generalsekretärs Prof, vr. Dade findet das gemeinsame Festessen des Land- wirtschajtsrats heute nachmittag 6 Uhr im Hotel Adlon statt Zn diesem Festessen haben Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, Staatssekretär vr. Delbrück und der preußische Landwirtschaftsminister v. Schorlemer ihr Erscheinen zugesagt. Die nationalliberale Partei. Wir wollen uns der Wiedergabe der Beurteilnng, die das Verhalten der nationalliberalen Partei in der Frage der Reichstagspräsidentenwahl von rechts und links erfährt, enthüllen und uns daraus beschränken, die sehr ernsten Ausführungen der nationalliberalen „Magdeburgischen Zeitung" wiederzugeben. Das genannte Blatt schreibt unter der Überschrift „Wir klagen an": Die Entscheidung der nationalliberalen Reichstagsfraktion bei der Präsidentenwahl ist weder zu begreifen noch zu entschuldigen. Sie bedeutet einen Schlag gegen alle Traditionen, die bisher in der Partei hochgehalten worden sind. Gerade die Grundsätze, denen die Partei ihre hohe Achtung und ihr Ansehen veroankt. sind ausgegeben. Der Großblock und die Jungliberalen haben bei der Wahl Scheidemanns gesiegt. Dieser tiesbedauerliche Sieg ist aber auf Kosten der G esamtpartei erfochten. Nur ein Blinder kann übersehen, daß jetzt die Partei vor einer Spaltung steht. Alles entschuldigende Beiwerk nützt nicht», die nackte Tatsache steht fest: die Unbedingtheit der nationalen Zuverläisigkeit der Partei ist zerstört. Darüber hilft die geistvollste und wortreichste Auslegung, die ja nicht auSbleiben wird, nicht hinweg; denn eine Partei wird nun einmal nicht allein mit Schönredereien regiert. Wie die Rechtfertigungen au-sehen werden, wissen wir schon: die berühmten „taktischen Überlegungen und Rücksichten" werden wieder einmal herhalten müssen. Mit dem „taktischen Manöver" in Baden fing e» an, allmählich hat sich aber daraus in Stimmung und Ausdruck der süddeutschen Parteifreund« recht viel mehr und sür uns nicht gerade Erquickliches entwickelt. Man entschuldigt in Vaden nicht mehr das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie, sondern man preist es geradezu als rettende Tat und empfiehlt den Großblock immer weiterer Nachahmung. Bayern ist schon gefolgt. Eine ganze Reihe von Stichwahl parolen, die im Reiche au-gegeben worden sind, haben zu unserm Bedauern erkennen lassen, daß die unser bürgerliche» politisches Gewissen geradezu zersetzende Idee der taktischen Gemeinschaft mit der Sozialdemokratie ihre schädlichen Kreise schon recht weit gezogen hat. Unter dem Eindruck der jetzige» Haltung der Fraktion gewinnt auch die Bassermannsche Rede in Saarbrücken wieder viel von dem unangenehmen Beigeschmack, den man ihr zu nehmen bisher bemüht gewesen ist. Wenn unsere Gegner triumphierend daraus zurückkommen werden und die für den Führer einer großen nationalen Partei nicht gerade glücklichen Worte erneut al» den Anfang der Grob blockübertragung aus das Reich hinstellen werden, wird eine Ber« teidi,ung dagegen heute recht schwer fallen. Denn schließlich hat doch die ganze Wahi im Reichstage im letzten Ende auf ein Großblockpräsidium hingearbeitet. Daß der Sozialdemo krat Scheidemann erster Vizepräsident geworden ist, ist ganz sicher die Schuld der nationalliberalen Reichstagsfraktion. Waren e»