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Erläuterungen Bruckner: 5. Sinfonie in B-Dur Anton Bruckner (1824 — 96), dem die Mitwelt wenig Liebe entgegenbrachte, steht nunmehr in der Reihe der hochgeachteten Großmeister der Sinfonie. Er konnte aus dem Vollen einer wundersam reichen Erfindungsgabe schöpfen, wie sie ähnlich nur etwa Bach, Beethoven und Schubert zu Gebote stand. Die Fülle der Einfälle ließ ihn oft ein Thema nicht weiter verarbeiten, sondern gleich ein neues hinschreiben, weshalb man bei ihm von „Bild-an-Bild-Technik“ spricht. Natur und Religion sind die Kräfte, in denen sein ganzes künstlerisches Fühlen wurzelt. Die Gegensätze: Naivität und Monumentalität kommen in seinen Sinfonien zu eigentümlicher Verbindung. Als Aus drucksmittel dient Bruckner das große Nibelungenorchester Richard Wagners. Die in den Jahren 1875/76 entstandene 5. Sinfonie rechnet man wegen ihres schwer wiegenden Inhaltes zu den bedeutsamsten Leistungen ihres Schöpfers. Bruckner selbst hat das Werk leider niemals hören können. Es wird die Choralsinfonie oder Glaubens sinfonie genannt. Geheimnisvoll dunkel ist der erste Satz eingeleitet. Ein energievolles Motiv tritt im plötzlichen Fortissimo heraus. Heldische Bläserakkorde folgen. Der Hauptteil des Satzes (Allegro = rasch) wird dann aus einem ganz echten gefühlsgesättigten Bruckner-Thema entwickelt, dem noch ein inniges, fromm-versunkenes Seitenthema beigegeben ist. Der Satz geht in einen Jubelhymnus auf die göttliche Majestät aus. Das Adagio (zweiter Satz, langsam) kündet von Leid, Einsamkeit, aber auch von Trost Im Scherzo (nicht in freudigem Dur, sondern im elegischen Moll) erfährt die Klage stimmung des zweiten Satzes eine Umbildung ins Dämonische, Geisterhafte. Freie Heiter keit, die man in einem Scherzo sonst findet, sucht man vergebens. Das Finale bringt erst Erinnerungen an die vorhergehenden Sätze. Dann aber ent faltet sich ein gigantisches Stürmen und Kämpfen, eine grandios aufgebaute Fuge (Themenimitation nach bestimmten Gesetzen), nach deren Verklingen als Sinnbild der Glaubensstärke ein verheißungsvoller Choral einsetzt. Der tröstende Choral klingt dann, weiterhin von einem Nebenorchester gespielt, ständig in die Tonwogen einer vom Haupt orchester ausgeführten großen Doppelfuge (Fuge mit zwei Themen) hinein, überstrahlt zuletzt sogar alles. Dr. Kreiser.