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II. Johannes Brahms. a) Vor dem Fenster. „Soll sich der Mond nicht heller scheinen, Soll sich die Sonn’ nicht früh aufgehn, So will ich diese Nacht gehn freien, Wie ich zuvor auch hab’ getan.“ Als er wohl auf die Gasse trat, Da fing er an ein Lied und sang, Er sang aus schöner, aus heller Stimme, Daß sein feins Lieb zum Bett aussprang. „Steh’ still, steh’ still, mein feines Lieb, Steh’ still, steh’ still, und rühr’ dich nicht, Sonst weckst du Vater, sonst weckst du Mutter, Das ist uns beiden nicht wohl getan.“ „Was frag’ ich nach Vater, was frag’ ich nach Mutter, Vor deinem Schlaffenster muß ich stehn; Ich will mein schönes Lieb anschauen, Um das ich muß so ferne gehn.“ Da standen die zwei wohl beieinander Mit ihren zarten Mündelein, Der Wächter blies wohl in sein Hörnelein. Ade, ade, es muß geschieden sein. „Ach Scheiden, Scheiden über Scheiden, Scheiden tut meinem jungen Herzen weh’, Daß ich mein schön’ Herzlieb muß meiden, Das vergeß’ ich nimmermehr.“ b) Schwermut. Mir ist so weh um’s Herz, Mir ist, als ob ich weinen möcht vor Schmerz! Gedankensatt und lebensmatt Möcht ich das Haupt hinlegen In die Nacht der Nächte! c) Wehe, so willst du mich wieder. Wehe, so willst du mich wieder, hemmende Fessel, umfangen? Auf und hinaus in die Luft! Ströme der Seele Verlangen, ström’ es in brausende Lieder, Saugend ätherischen Duft! Strebe dem Wind nur entgegen, daß er die Wange dir kühle, Grüße den Himmel mit Lust! Werden sich bange Gefühle, im Unermeßlichen regen? Atme den Feind aus der Brust! Volkslied Candidus Platen