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ZUR EINFÜHRUNG Daß Robert Schumann auch eine Oper — „Genoveva" op. 81 — geschrieben hat, ist we nig bekannt. Freilich gehört dieses Werk, dem ein vom Komponisten nach den Genoveva-Dra men von Tieck und Hebbel zusammengestelltes Textbuch zugrundeliegt, in noch stärkerem Maße etwa wie Carl Maria von Webers „Euryanthe" oder „Oberon" zu den Schmerzenskindern der deutschen Operngeschichte. Es konnte sich trotz herrlichster Musik infolge des undramatischen Librettos und einer betont lyrischen Grundkon zeption nicht auf der Bühne durchsetzen. Der Komponist war schlecht beraten, als er Wagners wohlmeinende Ratschläge über die dramaturgi schen Schwächen seines Opernbuches „Genove va" unbeachtet ließ. Ihre Uraufführung erlebte die Oper am 28. Juni 1850 in Leipzig. Schumann entschied sich für den „Genoveva"-Stoff, weil in 'ihm, ähnlich wie in „Faust" oder in Byrons „Manfred", das „Ringen gigantischer Doppel naturen" gezeigt wurde. Der innere Bruch des Werkes aber liegt darin, daß Schumann als Mu siker das Schwergewicht auf die Gestalt der Genoveva — einer romantischen Dulderin — legte und zwar so ausgeprägt, daß selbst die Partie des Gegenspielers Golo musikalisch von dieser Seite aus beeinflußt erscheint. Anders aber noch in der 1847 in Dresden kom ponierten Ouvertüre zur Oper „Ge noveva ", die, unter dem unmittelbaren Ein druck des Hebbelschen Dramas entstanden, geistig und auch in der Thematik auf Golo, der aus Sinnlichkeit zum satanischen Verbrecher wird, abzielt! Diese Ouvertüre zählt neben der Manfred-Ouvertüre zu Schumanns besten Or chesterwerken. Schon die langsame Einleitung bestimmen zwei düstere Motive, die in der Oper dem finsteren Golo zugewiesen sind. Im schnel len Hauptteil der Ouvertüre spiegelt ein leiden- schaftlich-begehrendes, herausforderndes The lma in der ersten Violine die dunklen Absichten iGolos wider. Das leidvolle Seitenthema, in den Klarinetten und Violinen wechselnd ertönend, weist auf die Gestalt der Genoveva hin. Es kann sich jedoch nicht durchsetzen. Da erscheint eine weitere Themengestalt, die die unverbrüchliche Treue des getrennten Gattenpaares Siegfried qnd Genoveva symbolisiert. Das Motiv Golos beherrscht die Situation wieder am Schluß der Durchführung und in der Reprise. Erst in der C- Dur-Coda erscheinen die lichten Gedanken Ge novevas und Siegfrieds wieder. Freilich endet die Ouvertüre dann, um eine direkte Verbin dung zum Beginn der Oper herzustellen, mit dem nach Dur versetzten Golo-Motiv. Der zu seiner Zeit auch als Pianist und Dirigent angesehene norwegische Komponist Edvard G r i e g hatte in seiner Eigenschaft als erster Nationalmusiker seines Landes keine Vorgän ger, keine Tradition, an der er hätte anschließen können. Er war der erste skandinavische Kom ponist, der die Volksmusik seiner Heimat in die Sphäre der Kunstmusik hob, nicht aber, indem er folkloristische Elemente wörtlich zitierte, son dern in dem er sein eigenes Schaffen an der charakteristischen Wesensart norwegi scHäL Volksmusik ausrichtete. Am Ende seines Leb^^ schrieb Grieg einmal: „Künstler wie Bach und Beethoven haben auf den Höhen Kirchen und Tempel errichtet. Ich wollte . . . Wohnstätten für die Menschen bauen, in denen sie sich heimisch und glücklich fühlen ... Ich habe die Volksmusik meines Landes aufgezeichnet. In Stil und Form gebung bin ich ein deutscher Romantiker der Schumann-Schule geblieben. Aber zugleich ha be ich den reichen Schatz der Volkslieder meines Landes ausgeschöpft und habe aus dieser bis her noch unerforschten Emanation der nordi schen Volksseele eine nationale Kunst zu schaf fen versucht." Mit seiner bodenständigen Kunst, seinen schwermütig-lyrischen, aber auch kräfti gen Liedern, seinen eigenwilligen, häufig tän zerisch profilierten kleinen Instrumentalformen eroberte Grieg die Gunst der Musikfreunde in aller Welt. Seine immer und im guten Wortsinne volkstümliche Musik ist gekennzeichnet durch eine sinnenhafte Melodik, eine herbsüße Harmonik, farbig-satte Instrumentation und eine aparte, von skandinavischer Folklore be einflußte Rhythmik. Unter Edvard Griegs wenigen größeren Kompo sitionen ragt das 1868, also mit 25 Jahren ge- schriebene Klavierkonzert a-Moll 1 6 bedeutsam heraus. Der Komponist widmwl? es dem norwegischen Pianisten Edmund Neu- pert, der es 1869 in Kristiania erfolgreich urauf führte. Das Beispiel des Schumannschen Kla vierkonzerts a-Moll hat maßgeblich die Gestal tung dieses Griegschen Jugendwerkes beein flußt, das übrigens ebenfalls mottohaft vom Soloinstrument eröffnet wird. Aber auch die virtuose Klaviertechnik Chopins und Liszts mag Anregungen geboten haben. Nicht ohne Grund hat Hans von Bülow Grieg einmal den „Chopin des Nordens" genannt. Nach dem energischen Vorspruch stellt das Orchester das anfangs rhythmisch-markante, dann in fließende WlCHAIL PLETNJOW, 1957 in Archangelsk geboren, entstammt ebenfalls einer Musikerfamilie. Ersten Kla vierunterricht erhielt er in Kasan. Mit 13 Jahren wurde er in die Zentrale Musikschule des Moskauer Konser vatoriums aufgenommen. Seit 1974 studierte er bei Jakow Flier und — nach dessen Tod — bei Lew Wlas- senko am Moskauer Konservatorium. 1973 erhielt er den Grand Prix des Internationalen Wettbewerbs junger Musiker in Paris, 1977 wurde er 1. Preisträger des Allunionswettbewerbes der Pianisten in Leningrad, und 1978 gewann er den 1. Preis beim IV. Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau, über seine be reits umfangreiche internationale Konzerttätigkeit hin aus machten ihn mehrere Schallplattenaufnahmen be kannt. Auch als Komponist ist er hervorgetreten.