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fast unmerklich in Haydns .Darstellung des Chaos' aus der .Schöpfung' einmündet. Mei stens werden nur Harmoniefolgen, Begleit figuren, Satzstrukturen und auch Formen über nommen. So könnte der Gesamtablauf Abbild einer Haydn-Sinfonie sein. Das verwendete Material stammt vor allem aus dem ersten Satz der g-Moll-Sinfonie (Nr. 83) und dem letzten der d-Moll-Sinfonie (Nr. 80). Es würde dem Hörer wenig nützen, nach den Einzelhei ten zu forschen. Die komplexe Verarbeitungs technik ergab sich aus dem Ziel einer möglichst engen Anbindung an Haydn ohne Aufgabe der eigenen Vorstellungen. Das Finale schließt mit dem verhallenden Echo eines Horntons, dem man lange nachhören sollte. Vielleicht dringt dann die oft nur vorgetäuschte schein bare Heiterkeit des Stücks stärker ins Bewußt sein der Zuhörer.“ Joseph Haydns Instrumentalkonzerte nehmen in seinem Werkverzeichnis nur einen kleinen Raum ein. Obgleich der Komponist fast alle Instrumente berücksichtigte (Violine, Vio loncello, Kontrabaß, Flöte, Oboe, Horn, Trom pete, Klavier und Orgel), galt sein Interesse in erster Linie nicht dieser Werkgattung. Im in strumentalen Bereich konzentrierte er sich mehr auf die Komposition von Sinfonien, Serena den, Divertimenti und Streichquartetten. Die um 1765 entstandenen Violinkonzerte — die Echtheit einiger Kompositionen ist umstritten — sind in unseren Konzertsälen eine Seltenheit. Erst nach 1900 wieder entdeckt, stehen sie noch heute im Schatten der Mozartschen Konzerte. Haydn widmete sie dem Konzertmeister der Kapelle in Esterhazy, Luigi Tomasini. Mögli cherweise gab dieser dem Komponisten auch einige Anregungen für die spieltechnische Ge staltung des Soloparts. Haydn verwendet in den Violinkonzerten nur das begleitende Streichorchester; in späteren Instrumentalkon zerten erweiterte er den Klangkörper durch die Hinzunahme der Bläserstimmen. Das Cem balo hat hier wie in den frühen Sinfonien noch die Funktion des klangfüllenden Generalbaß instruments. Das G-Dur-Violinkonzert, zweifel los ein echtes Werk Haydns, trägt in der The mengestaltung Züge des frühklassischen Kon zertstils. Das Hauptthema des 1. Satzes (Allegro) ist in sich kontrastierend. Im sang lich heiteren Dur-Charakter beginnend, wendet es sich im Verlauf einer lyrisch nachdenklichen Stimmung zu. Dem innig kantablen Adagio folgt ein frisch und spritzig dahineilendes Finale, in dem Solist und Orchester unbeküm mert miteinander wetteifern. Dmitri Schostakowitsch war neun zehn Jahre alt, als er zum Abschluß seiner Stu dien am Leningrader Konservatorium (1925) seine 1. Sinfonie f-Moll op. 10 schrieb; sie wurde am 26. Mai 1926 in Lenin grad uraufgeführt und als der „höchstmögliche Ausdruck des Talents" bezeichnet. Der erste Satz beginnt mit einer längeren Einleitung (Allegretto), deren Klangcharakter betont kam mermusikalisch ist. Solistisch und im Dialog musizieren hier die Instrumente. Den Haup'|Ä (Allegro non troppo) eröffnet ein marscha^F ges Thema in der Solo-Klarinette, das im wei teren Verlaufe zunehmend seine in ihm stek- kende Kraft und Zuversicht offenbart. Es er scheint in den verschiedensten Orchestergrup pen und ist ständig gegenwärtig. Den lyri schen Kontrast dazu bildet eine graziös und munter emporschwingende Walzermelodie, zu erst von der Flöte angestimmt. In dem durch führungsartigen Mittelteil verdichtet sich das musikalische Geschehen, wobei die einzelnen Themen- und Motivteile konflikthaft gegen übergestellt werden. Mit einem Rückgriff auf die Einleitung klingt der Satz heiter und gelöst aus. Ein sprühendes und wild dahinjagendes Scherzo folgt als zweiter Satz (Allegro), dessen Ausdruck durch sein Thema umrissen wird. Lockere melodische Diktion und virtuoses Pas sagenwerk herrschen vor. Von besonderem Reiz sind hierbei auch die „Einlagen“ des Kla viers. Die eigenwillige liedhafte Gestaltung des Mittelteils hebt sich davon scharf ab, er führt in eine andere Klangwelt. In der Wiederho lung des A-Teils tritt das Klavier noch bestimm ter hervor. Der dritte Satz (Lento) beeindruckt durch nen erhabenen und nachdenklichen Ausdruck. Kantables und expressives Melos in den Holz bläsern und Streichern, Trauermarschintona tionen, aber auch Signalmotive in den Blech bläsern werden vom Komponisten eingesetzt, um diesem Satz sein besonderes inhaltliches Gewicht zu geben. Ohne Unterbrechung folgt das beschwingte und sinfonisch weit ausholende Finale (Allegro molto), dem ebenfalls eine Einleitung, diesmal düster und geheimnisvoll, vorausgeht. Mitrei ßend dann das Hauptthema, an das ein ex pressiver Seitengedanke in der Solo-Violine anschließt. Mehrere energisch gesteigerte Epi soden folgen, bis das turbulente Geschehen in eine Prestostretta mündet. Doch zuvor ruft noch einmal die Pauke mit einem rhythmisch scharf profilierten Motiv aus dem Lentosatz ernste Gedanken in Erinnerung. „Es ist offensicht lich“, bemerkte Heinz Alfred Brockhaus über diese Sinfonie, die in ihrer Orientierung auf melodische und formale Vorbilder (Tschai kowski, Skrjabin, Prokofjew, das „Mächtige Häuflein“) gewissermaßen einen russischen Klassizismus repräsentiert, „daß die verschie denen Gehaltkomponenten des Werkes auf Erlebnisse des jungen Komponisten hinweisen. Dazu gehört sowohl die Widerspiegelung einer als heiter und sorgenfrei empfundenen Jugend wie der schmerzliche Widerhall, den der Tod des Vaters im Jahre 1922 in seinem Empfinden nachwirken ließ, wie auch die erre genden Erlebnisse der Revolution im Jahre 1917. Das alles hat Schostakowitsch verallge meinert und künstlerisch überhöht dargestellt."