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Schumann äußerte nach dem Kennenlernen des ersten Satzes, „daß es ein Konzert ist, wo sich das Orchester mit dem Spieler ganz und gar verschmilzt". Niemals ist die virtuose Vio- lintechnik hier Selbstzweck, wie bei so vielen zeitgenössischen Solokonzerten, sondern in vertiefter, gehaltvoller Gestaltung stets als dienendes Glied in den sinfonischen Ablauf eingefügt, wobei (für Brahms' Zeit ganz neue) große Aufgaben an den Solisten gestellt wer den. In seiner größtenteils lyrisch heiteren, innig-warmen Grundstimmung, seiner klassisch ausgewogenen Form gehört das Brahmssche Violinkonzert zu den schönsten, vollendetsten ■ed berühmtesten Werken dieser Gattung. ^is weiche, in ruhigen D-Dur-Dreiklängen auf- und absteigende Hauptthema des groß angelegten ersten Satzes (Allegro non troppo) erklingt eingangs in Bratschen, Violoncelli, Fagotten und Hörnern und findet seine Weiter führung in einer sehnsüchtigen Oboenmelodie. In der ausgedehnten sinfonischen Orchester einleitung werden noch weitere Nebengedan ken entwickelt. Darauf setzt nach einem rhyth misch scharf betonten, später vom Solisten er weiterten Seitenthema kadenzartig das Solo instrument ein, in gleichsam improvisatori schen Umspielungen zum Hauptthema findend. Nachdem auch das eigentliche zweite, sehr kantable Thema von der Solovioline vorgetra gen wurde, werden im spannungsvollen Durch führungsteil die verschiedenen Themen und Motive in mannigfachsten Ausdrucksschattie rungen verarbeitet. Die an die Reprise an schließende Kadenz des Solisten hat Brahms nicht selbst ausgeschrieben. In den höchsten Lagen der Violine ertönt danach noch einmal friedvoll die Anfangsmelodie, dann beschließt eine kurze, kraftvolle Coda den Satz. Ein wunderschönes, echt „Brahmssches" Adagio ' lildet den Mittelsatz des Werkes. Der poesie- llle dreiteilige Satz wird von den Bläsern Jngeleitet, wobei die Oboen, von den übri ¬ gen Holzbläsern und zwei Hörnern begleitet, das liebliche F-Dur-Hauptthema zum Vortrag bringen, das dann von der Solovioline aufge griffen und variierend weitergesponnen wird. Nach einem leidenschaftlichen, weitgehend vom Solisten getragenen f is-Mol I-M ittelteil wird das Anfangsthema wieder aufgenommen; arabeskenhaft umspielen die Figuren des So loinstruments den Oboengesang. Das abschließende feurige Allegro giocoso, in Rondoform aufgebaut, beginnt sogleich mit dem durch den Solisten erklingenden, ein wenig ungarisch gefärbten tänzerischen Hauptthema, das durchweg in Doppelgriffen erscheint. Von den Seitenthemen des Finalsatzes wird be sonders ein energisch-markantes, aufsteigen des Oktaventhema der Violine bedeutsam, daneben eine zarte, lyrische G-Dur-Episode. In einer Stretta gipfelnd, die das Rondothema noch einmal in rhythmisch veränderter Form bringt, beendet der glanzvoll virtuose, spritzi ge Finalsatz mit einer Fülle origineller Einfälle das Konzert. Ludwig van Beethovens Sinfo nie Nr. 6 F-Dur op. 68 erhielt durch ihn selbst die Bezeichnung „Sinfonie pastorale" („Ländliche" oder eigentlich „Hir- ten"-Sinfonie). Das Werk, das zusammen mit der im gleichen Jahre entstandenen, jedoch völlig andersgearteten kämpferischen 5. Sinfo nie c-Moll erstmals am 22. Dezember 1808 in Wien aufgeführt wurde, steht an der Grenze zwischen „absoluter" und schildernder Musik. Obwohl Beethoven auf dem Gebiete der Pro grammusik bereits an Vorgänger anknüpfen konnte (so hatte z. B. der Stuttgarter Kompo nist Justin Heinrich Knecht sogar 1784 schon eine Sinfonie mit ähnlichem Inhalt kompo niert), fand er doch auch hier ganz neue We ge und schuf mit der idyllischen Pastoralsinfo nie ein Werk, das sich hoch über eine äußer liche, rein naturalistisch malende Programm musik in Bereiche absoluter Allgemeingültig keit erhebt. Bedeutsam dafür ist seine Anmer kung über der Urschrift der Pastorale „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei". Und obgleich die fünf Sätze der Sinfonie durch ganz bestimmte programmatische Überschrif ten bezeichnet sind, obgleich Beethoven auch im einzelnen (so in der Schilderung von Bach gemurmel, Vogelgesang und Gewitter) die An wendung tonmalerischer Mittel durchaus in seine Gestaltung einbezieht, wünschte er doch, wie wir seinen Äußerungen entnehmen kön nen, keinesfalls eine zu genaue Ausdeutung dieser Elemente: „Man überläßt es dem Zu hörer, die Situationen auszufinden. Sinfonia caracteristica oder eine Erinnerung an das Landleben. Jede Malerei, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliert. Sinfonia pastorella. Wer auch nur je eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne viel Überschriften selbst denken, was der Autor will. Auch ohne Beschreibung wird man das Ganze, welches mehr Empfinden als Ton gemälde, erkennen." Dem Meister, für dessen tiefe, innige Naturliebe und -Verbundenheit viele Zeugnisse sprechen, kam es darauf an, „die Idee vom Landleben" wiederzugeben, die für ihn im Grunde die Idee vom freien Menschen in der freien, „unverdorbenen" Na tur bedeutete. In diesem Sinne wollte er „Emp findungen, welche der Genuß des Landes im Menschen hervorbringt", ausdrücken (Kalen dernotiz aus dem Entstehungsjahre des Wer kes). Eine sehr wichtige Rolle spielt in dieser, klassische Form mit programmatischer Schilde rung meisterhaft verbindenden Sinfonie cha rakteristischerweise auch eine starke Einbe ziehung der Volksmusik, und zwar, wie durch Untersuchungen insbesondere der Themenbil dung, aber auch der rhythmischen und harmo nischen Struktur nachgewiesen wurde, in be sonderem Maße speziell der kroatischen Bau ernmusik. Der „Erwachen heiterer Gefühle bei der An kunft auf dem Lande“ überschriebene lyrische erste Satz ist ganz von glückhafter, dankbarer Freudigkeit über die zahllosen Schönheiten der Natur erfüllt, die uns in vielen anmutigen, von Spannungen und Kontrasten ungetrübten Bildern vor Augen gestellt werden. Weiche Klangfarben, froh schwärmende Themen, in viele kurze, häufig wiederholte und gleichsam der Natur abgelauschte Motive aufgegliedert (diese Art der Themenbildung ist übrigens für die gesamte Sinfonie kennzeichnend), bestim men den Satz. — Tiefster, träumerischer Wald frieden wird uns im zweiten Satz, der „Szene am Bach", geschildert. Zwei kantable Themen bilden die Grundlage dieses reizenden Musik- Am 19. März 1982 verstarb unerwartet Herr Wilhelm Göhler über viele Jahre Vorstand und Mitglied unseres Besucherrates. Die Dresdner Philharmoniker verlieren mit ihm einen erfahrenen und kenntnisreichen Musikfreund, der in enger Verbundenheit zu unserem Institut stets um die Belange unserer Konzertfreunde bemüht und uns ein wertvoller Berater war. In ehrendem Gedenken DRESDNER PHILHARMONIKER Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Stückes, in dessen Verlauf bei melodischem Wellengemurmel, Vogelgezwitscher und Insek tensummen ein überaus zartes und poetisches Stimmungsbild entsteht. In der Coda hören wir schließlich ein scherzhaft nachahmendes Ter zett zwischen Nachtigall (Flöte), Wachtel (Oboe) und Kuckuck (Klarinette). — Eine Art Scherzo stellt der dritte Satz, „Lustiges Zu sammensein der Landleute" genannt, dar. Ausgelassenes Treiben des Volkes, ländliche Tänze, übermütig parodiertes Spiel der Dorf musikanten stehen hier im Mittelpunkt. Doch durch ein aufziehendes Gewitter mit Sturm, zuckenden Blitzen, Donnergrollen und Regen schauern, von Beethoven mit einfachsten, in^ mer geschmackvoll bleibenden Mitteln wied^B gegeben, wird im unmittelbar folgenden vi^® ten Satz das lustige Geschehen jäh unterbro chen. Ebenso plötzlich beruhigt sich die auf geregte Natur aber auch wieder, und wir emp finden nun im anschließenden fünften Satz („Hirtengesang") „frohe und dankbare Ge fühle nach dem Sturm". Der im 6 /s-Takt ste hende, breit strömende letzte Satz beginnt mit einer schlichten volkstümlichen Schalmeien melodie und bringt in vielen Abwandlungen dieses Themas, Anklängen an die ersten Sätze und neuen Motiven noch einmal einen strah lenden, sich immer mehr steigernden und end lich leise verklingenden Hymnus auf die Herr lichkeiten der Natur. Dr. Dieter Härtwig Im Rahmen des Orchesteraustausches zwischen den Dresdner Philharmonikern und den Prager Sinfonikern (FOK) spielen in unserem heutigen Konzert Herr Miroslav Lastovka Herr Josef Brobec Herr Stanislav Finda als Vorspieler der 1. Violinen Solo Bratsche Flöte VORANKÜNDIGUNG: Freitag, den 11. Juni 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 1) Sonnabend, den 12. Juni 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 9. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solist: Peter Schreier, Dresden/Berlin, Tenor Werke von Schenker, Sutermeister und Dvorak Spielzeit 1981/82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-28-82 EVP —,25 M 8. PHILHARMONISCHES KONZERT 1981/82