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ERNST HERMANN MEYER: DAS TOR VON BUCHENWALD Worte von Nancy Bush — Deutsche Fassung von Paul Wiens Es war Mai schon im Tal, der Frühling begann. Doch auf den Berghängen lag der Schnee, ein dünner Schnee, unter diesiger Sonne, der kalt in den Zweigen gerann. In frostiger Höhe hoch aufgericht’t stand steingefaßt das schweigende Tor, sich öffnend nun auf die Leere, auf Hügel fern im frühen Licht. Dies aber war einst das Tor der Schmerzen, dies war der Verzweiflung Tor. Tor, drein Gefangene, Tausende traten, erbebenden Schrittes, lang, ach, verklungen, die Hände verschlungen zu letztem Drucke, tröstlichem, eh sie schieden davor. Wo sie einst gingen in bleichem Leid, weht nur der erfrorne Wind, der bittere Wind der Welt, hintragend den modrigen Hauch der Vergessenheit. Doch wir, die nun gehn der Gefangenen Spur, werden nicht vergessen, wir, noch einmal schauend die Erde, Zeugin ihrer Qual, ein Denkmal dem Menschen, seiner Grausamkeit und seinem unsterblichen Mute. Mensch, von allen lebendigen Wesen wunderbarstes und furchtbarstes, er, der in Händen hält alle Natur, der alle Welt sich erobert hat, vermag aber nicht, in Freundschaft zu leben., Und soll der Mensch in seiner Macht nicht untergehn, muß nahn, eh es zu spät, des Tages Schimmer da er den Kampf aufgibt gegen sich selbst, da er zu seiner größten Tat sich hebt und endlich lernt das große Geheimnis des Lebens: wie man lebt, in Frieden lebt, und schließt das Tor der Qual . . . für immer. DIE WORTE DES CHOR-FINALES DER NEUNTEN SINFONIE Friedrich Schiller O Freunde, nicht diese Töne, sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere. Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt; alle Menschen werden Brüder wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein, wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein. Ja, wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund! Und wer's nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund. Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur, alle Guten, alle Bösen folgen ihrer Rosenspur! Küsse gab sie uns und Reben, einen Freund geprüft im Tod! Wollust ward dem Wurm gegeben, und der Cherub steht vor Gott! Froh, wie seine Sonnen fliegen durch des Himmels prächt’gen Plan, laufet, Brüder, eure Bahn, freudig, wie ein Held zum Siegen. Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuß der ganzen Welt! Brüder überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen! Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahnest du den Schöpfer, Welt? Such ihn überm Sternenzelt! Uber Sternen muß er wohnen! Freude, schöner Götterfunken!