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7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Mittwoch, den 28. April 1982, 20.00 Uhr Donnerstag, den 29. April 1982, 20.00 Uhr Dirigent: Herbert Kegel Solisten: Magdalena Falewicz, VR Polen, Sopran Uta Priew, Berlin, Alt Günter Neumann, Berlin, Tenor Siegfried Vogel, Berlin, Baß Chöre: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Matthias Geissler Philharmonischer Kinderchor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Staatsopernchor Dresden Einstudierung Hans-Dieter Pflüger Ernst Hermann Meyer geb. 1905 Ludwig van Beethoven 1770-1827 Das Tor von Buchenwald Eine Episode für Baß, Chor und Orchester nach Worten von Nancy Bush ( Deutsche Fassung von Paul Wiens Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit Schlußchor über Schillers Ode „An die Freude" für Orchester, Solostimmen und Chor Allegro ma non troppo, un poco maestoso Molto vivace Adagio molto e cantabile Presto — Prestissimo ZUR EINFÜHRUNG Ernst Hermann Meyer wurde im Jahre 1905 in Berlin als Sohn eines Arztes und einer Malerin geboren. Seit 1919 erhielt er von Walter Hirschberg Unterricht in Musiktheorie. 1927 begann er in Berlin bei Johannes Wolf, Friedrich Blume, Arnold Schering, Erich von Hornbostel und Curt Sachs das Studium der Musikwissenschaft, das er in Heidelberg bei Heinrich Besseler mit einer Dissertation über „Die mehrstimmige Spielmusik des 17. Jahr- jj^iderts" abschloß. Gleichzeitig vervollkomm nete er sich bei Max Butting, Paul Hindemith und namentlich bei Hanns Eisler in der Kompo sition. In den schweren Jahren der Emigration nach 1933 mußte er sich notgedrungen Brot berufen zuwenden, die mit seinem künstle rischen und wissenschaftlichen Beruf wenig oder nichts zu tun hatten. Doch die Verbindung zur Arbeiterschaft — er emigrierte nach Eng land und betätigte sich als Dirigent von Arbei terchören, für die er auch komponierte — gab ihm neue Energie, seine wissenschaftlichen und kompositorischen Ziele zu verfolgen. 1948 wurde er dis Ordinarius für Musiksoziologie an die Humboldt-Universität Berlin berufen. Prof. Meyer, Ordentliches Mitglied der Akade mie der Künste der DDR, Ehrenpräsident des Verbandes der Komponisten und Musikwissen schaftler der DDR, erhielt mehrfach den Natio nalpreis unserer Republik, außerdem zahl reiche weitere hohe Auszeichnungen. 1965 wurde er zum Ehrendoktor der Martin-Luther- Universität Halle—Wittenberg ernannt. Das künstlerische und wissenschaftliche Wirken ver schmilzt bei E. H. Meyer zur Einheit; er genießt Achtung und Verehrung als bedeutender Kom ponist und Gelehrter. Neben grundlegenden rügen zur marxistischen Musikwissenschaft er eine Fülle vielfältiger und kontrastreicher Kompositionen vorgelegt, darunter Standard werke der sozialistischen Vokalsinfonik, Orato rien, Kantaten, Massen- und Sololieder, Chöre, die Oper „Reiter der Nacht", Filmmusiken, aber auch bedeutende Kammermusiken und Werke für Orchester. In seinem Stil sind die verschie densten Nuancen von zarter Lyrik bis zur grel len Dissonanz und Härte dramatischer Höhe punkte vereinigt. Die Dresdner Philharmoniker brachten mehrere Werke des Komponisten, die er für sie schrieb, zur Uraufführung, so die Konzertante Sinfonie für Klavier und Orchester (1962), die Sinfo- nietta, aus der die Sinfonie in B wurde (1967), dieSinfonia „Kontraste — Konflikte" (1977) und das „Lied vom großen Anderswerden" (1981). Die Kantate „Das Tor von Bu chenwald", in unserem heutigen Konzert beziehungsvoll — wie in frühreren Jahren ähn lich engagierte Werke von Schönberg, Pende- recki, Martinü — der 9. Sinfonie Beethovens vorangestellt, entstand im März 1959 und wurde am 11. Oktober 1959 in einem Festkon zert zum 10. Jahrestag der DDR in der Deut schen Staatsoper Berlin vom Rundfunk-Sinfo nieorchester und Rundfunkchor Leipzig unter Herbert Kegel mit Robert Lauhöfer als Solisten uraufgeführt. Günter Altmann schrieb über das Werk: „Diese Episode für Baß, Chor und Or chester, wie Meyer das Werk bezeichnet, nach einem lyrischen Text von Nancy Bush (deutsche Fassung Paul Wiens) ist knapp geformt, völlig aufs Wesentliche gerichtet, ein Musterbeispiel gedanklich konzentrierter und doch stark emo tional wirksamer Formung. An die Stelle des Wechsels von Soli und Chören in selbständigen einzelnen Nummern ist die durchkomponierte Form getreten. Dazu kommt eine konsequente motivisch-thematische Arbeit, beginnend mit der einleitenden dreitaktigen Oboenmelodie als Sinnbild des Ganzen, als Kerngedanke des Werkes. In ähnlicher Art stehen viele motivische und thematische Bezüge für gedankliche Ver knüpfungen und verdeutlichen den Inhalt; wesentliche charakteristische Motive kehren transformiert, umgesetzt und umfunktioniert mehrmals wieder, verdichten und intensivieren die Aussage. Daraus resultieren Geschlossen heit und Einheitlichkeit der Komposition und im Sinne des inhaltlichen Anliegens ihre starke, überzeugende künstlerische Wirkung. Die drei teilige Anlage der Kantate versinnbildlicht das Geschehen, verbindet Vergangenheit und Ge genwart. Im ersten Teil berichtet der Solist in weitgesponnenen melodischen Linien voller Intensität vom furchtbaren Geschehen am Tor von Buchenwald. Der folgende Chorteil steht dazu bewußt im Gegensatz: in seiner marsch artigen Gestalt und optimistischen Haltung spiegelt sich deutlich die zeitliche und politische Entwicklung wider. Aus neuer Sicht, von der erkämpften neuen Position her, wird noch ein mal zurückgeblickt. Im dritten Teil schließlich vereinen sich Solo und Chorstimmen zur ein dringlichen und eindrucksvollen Mahnung, aus der Vergangenheit zu lernen und den Frieden zu erhalten, was geschehen ist, nicht zu ver gessen und nie wieder zuzulassen."