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3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Dienstag, den 25. Dezember 1979, 20.00 Uhr Mittwoch, den 26. Dezember 1979, 20.00 Uhr philhairnooniio* Dirigent: Johannes Winkler Solist: Ludwig Güttler, Dresden, Trompete Johannes Brahms 1833-1897 Variationen über ein Thema von Joseph Haydn op. 56 a Johann Nepomuk Hummel 1778-1837 Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur Allegro con spirito Andante Rondo (Allegro) PAUSE Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Sinfonie Es-Dur KV 543 Adagio — Allegro Andante con moto Menuetto (Allegretto) Finale (Allegro) LUDWIG GÜTTLER ZUR EINFÜHRUNG Mit seinen Serenaden und besonders mit den Variationen über ein Thema von Joseph Haydn in B-Durop. 56a schuf Johannes Brahms gleichsam Vorstudien für seine vier Sinfonien, deren erste er 1876 vollendete, übte er sich in den Serenaden in der Beherrschung klassischer Formen im Sinne Haydns und Mozarts, so brachten ihm die Haydn-Variationen aus dem Jahre 1873 — unter dem Einflüsse der Beethovenschen Sinfonik — weitere Sicherheit in der thematisch-motivischen Arbeit. Brahms’ klassische Haltung hatte sich also um diese Zeit — das Deutsche Requiem und viele seiner meisterlichen Liedschöpfungen waren schon entstanden — wesentlich gefestigt. Auch räumlich war er der Welt der Wiener Klassik nähergekommen, hatte er sich doch in der Donaumetropole niedergelassen. Aber noch ein weiteres Kennzeichen der Brahmsschen Ton sprache soll hier vermerkt werden, weil es in den Haydn-Variationen bereits ausgeprägt ist: die Neigung und Fähigkeit des Komponisten zu vorklassisch-klassischer Form- und Stilsyn these, seine Gabe, sinfonische Entwicklungen bei kontrapunktischer Anlage geradezu kam mermusikalisch subtil zu gestalten. Das Thema, das den Haydn-Variationen zu grunde liegt und am Beginn des Werkes in sei ner reizvollen Originalgestalt erklingt, entnahm Brahms dem zweiten Satz von Haydns Feldpar tita B-Dur für zwei Oboen, zwei Hörner, drei Fa gotte und Serpent: eine Andante-Melodie mix der Überschrift „Choräle St. Antoni", die ver mutlich von einem alten burgenländischen Wall fahrtslied stammt. Mit den Variationen über dieses Thema schuf Brahms eines der bedeu tendsten Variationenwerke der deutschen Mu sikliteratur überhaupt, dessen Anregungen bis hin zu Reger und Hindemith spürbar bleiben. Das Werk wurde übrigens in zwei Fassungen geschrieben, für zwei Klaviere und für Orche ster. In acht Variationen, die satztechnische Ka binettstücke sind, wird eine Fülle herrlichster Musik verströmt, deren phantasievoller Einfalls reichtum, Formvollendung und gedanklich-gei stige Tiefe auch den Hörer fasziniert, der den Variationenzyklus nicht rationell aufnimmt, son dern die Ausdruckskraft dieser Musik gewisser maßen „unbelastet" auf sich wirken läßt. Der Höhepunkt der Komposition ist das Andante- Finale, eine Chaconne, in der siebzehnmal ein aus dem Thema entwickelter Baßgang wieder ¬ holt wird, über dem sich neue Tonfiguren und Melodien erheben, bis das Hauptthema den festlichen Ausklang herbeiführt. Clara Schu manns Worte über das Werk, die sie anläßlich einer Leipziger Aufführung Anfang 1874 dem Dirigenten Hermann Levi schrieb, sind sympto matisch für die Begeisterung, die diese Kompo sition auslösen kann, und seien darum hier wie dergegeben: „Die Variationen sind zu herrlich! Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, die Charakteristik einer jeden Variation, die prachtvolle Abwechslung von Anmut, Kraft und Tiefe oder die wirkungsvolle Instrumentation — wie baut sich das auf, mit welcher Steigerung bis zum Schluß hin! Das ist Beethovenscher Geist von Anfang bis Ende.” „Wäre Beethoven 25 Jahre später geboren wor den, so hätte er Hummel unbestritten den Ruhm lassen müssen, der erste Instrumental komponist seiner Epoche zu sein." So schrieb der berühmte Musikgelehrte F. J. Fetis (1784 bis 1871) über Johann Nepomuk Hummel, und sein Biograf Karl Benyovsky nennt ihn „einen der bedeutendsten Komponisten seines Zeitalters, der bloß das Unglück hatte, ein Zeit genosse Beethovens zu sein". Hummel besaß nicht die schöpferische Kraft und die zukunfts trächtige Originalität der großen Wiener Klas siker, aber der Schüler Mozarts und Schützling Haydns, der Freund Beethovens, Clementis, Cherubinis, Webers und Chopins, bewundert von Goethe und dessen Weimarer Kreis, hat es den Besten seiner Zeit gleichgetan. Der 25jährige Hummel komponierte für den Wiener Hoftrompeter Weidinger ein Konzert für Trompete und Orchester, das zum Tafelkonzert des Fürsten Esterhazy am Neu jahrstag 1804 aufgeführt wurde. Weidinger baute bzw. verbesserte im Jahre 1801 die Kljg pentrompete und bemühte sich angelegentl™ die Wiener Komponisten für sein neues Instru ment zu interessieren. Jedoch konnte sich dieses Instrument gegenüber der in den nächsten Jah ren aufkommenden Ventiltrompete nicht durch setzen und verschwand bald aus der Praxis. Das war wohl auch der Grund, warum Hummel das Konzert, das nicht ohne weiteres der gebräuch lichen Trompete zugänglich war, liegen ließ und nicht veröffentlicht hat. Nach einem im Briti schen Museum London erhaltenen autogra- phen Partiturexemplar wurde dieses Konzert 1957 von Fritz Stein für die B-Trompete einge richtet und somit ein an künstlerischem Gehalt