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5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 19. Januar 1980, 20.00 Uhr Sonntag, den 20. Januar 1980, 20.00 Uhr rosooon • hilHisnnnoniie Dirigent: Henryk Czyz, VR Polen Solistin: Irina Botschkowa, Sowjetunion, Violine Bernard Pietrzak geb. 1924 Claude Debussy 1862-1918 Con dolore DDR-Erstaufführung Vorspiel zum Nachmittag eines Faun (Prelude d l’apres-midi d’un faune) PAUSE Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 Ottorino Respighi 1879-1936 Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 Allegro molto appassionata Andante Allegro molto vivace Feste Romane (Römische Feste) Sinfonische Dichtung I. Circenses — Zirkusspiele II. Giubileo — Das Jubiläum III. Ottobrata — Oktoberfest IV. La Befana — Das Epiphanias-Fest Das Konzert am 20. Januar 1980 wird von Radio DDR, Sender Dresden, mitgeschnitten und im Februar 1980 in der Sendereihe „Dresdner Abend" übertragen. HENRYK CZYZ, der hervorragende polnische Dirigent und namhafte Komponist, wurde 1923 geboren. Obwohl die Unterweisungen im Klavier- und Violinspiel und in der Kompositionslehre im frühen Kindesalter be gannen, studierte er nach dem Abitur zunächst Jura, ehe er sich 1948 endgültig für die musikalische Lauf bahn entschied. Die Studienfächer Komposition (bei T. Szeligowski) und Dirigieren (bei W. Bierdiajew) absolvierte er 1952 an der Musikhochschule von Poz nan mit Auszeichnung. Seine Dirigentenlaufbahn be gann er an der Oper von Poznan. Danach vervoll kommnete er seine Ausbildung bei G. Fiteiberg. Bis 1963 wirkte er als Chefdirigent der Philharmonie Lodz und war auch am Warschauer Opernhaus sowie bei Rundfunkorchestern von Katowice und Bydgoszcz Bis 1968 leitete er die Krakower Philharmonie; ^^der Musikhochschule dieser Stadt widmete er sich jahrelang auch pädagogischen Aufgaben, und seit 1977 ist er wiederum Chefdirigent der Philharmonie von Lodz. Der Künstler gastierte bei den prominente sten Ochestern der Welt, besonders in den skandina vischen Ländern, in Frankreich, in Großbritannien, in der BRD, Westberlin, in Argentinien, Brasilien und in der DDR. Henryk Czyz erhielt in Würdigung seiner künstlerischen Verdienste hohe polnische und inter nationale Auszeichnungen. Bei der Dresdner Philhar monie war er 1974 zu Gast. IRINA BOTSCHKOWA, in Ramenskoje bei Moskau geboren, erlernte schon als Kind in Kasan, wohin sie mit ihrer Familie während des Krieges evakuiert wur de, das Geigenspiel bei Raissa German, einer Schü lerin des berühmten Violinvirtuosen Leopold Auer. Nach Absolvierung der Zentralen Kinderschule des Moskauer Konservatoriums vervollkommnete sie später ihre Ausbildung bei Prof. Juri Jankelewitsch am Mos kauer Konservatorium — sie ist heute übrigens selbst dort als Pädagogin tätig —, legte 1962 das Staats examen mit Auszeichnung ab und gewann noch im selben Jahr beim Internationalen Tschaikowski-Wettbe- werb den 2. Preis. 1963 wurde sie 1. Preisträgerin in Paris beim Internationalen Jacques-Thibaud-Wettbe werb. Die Künstlerin, die auch sehr gern in kammer musikalischer Besetzung musiziert, ist häufig Solistin der Moskauer Philharmonie. Eine umfangreiche Kon zerttätigkeit außerhalb der Sowjetunion führte sie in alle sozialistischen Länder, ebenso nach Skandinavien, Belgien und Frankreich, nach den Niederlanden, Groß britannien, Kanada, ‘Österreich und Italien sowie nach Vorderasien, Japan und Mexiko. Bei der Dresdner Philharmonie ist sie zum ersten Mal zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Für die Komposition Con dolore des pol nischen Komponisten Bernard Pietrzak ist es uns trotz umfangreicher Bemühungen nicht gelungen, rechtzeitig Material zu erhal ten, so daß wir Sie mit diesem Werk nur durch das Hörerlebnis bekannt machen können. Wir bitten um Ihr Verständnis. Das Vorspiel zum Nachmittag eines Faun ist Claude Debussys berühmtestes Orchesterwerk. Der Erfolg dieser 1892 geschriebenen, von der gleichnamigen Dichtung Stephane Mallarmes (1876) ange regten sinfonischen Dichtung war schon bei der Uraufführung in Paris im Jahre 1894 sehr groß, ihre Nachwirkung bedeutend. Verfeinerte Lei denschaftlichkeit, zarteste Gefühlsnuancen, ein glücklicher Naturzustand spiegeln sich in die sem vielfältig schillernden, mehr andeutenden als beschreibenden einsätzigen Werk (das ur sprünglich ein Flötenkonzert werden sollte), dessen „Programm" Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg'' mit dichterischem Feingefühl wiedergegeben hat. Er schreibt: „Rücklings lag er auf einer mit bunten Stern blumen besäten, von Sonne beglänzten Wiese, einen kleinen Erdhügel unter dem Kopf, das eine Bein etwas hochgezogen, das andere darübergelegt, — wobei es jedoch Bocksbeine waren, die er kreuzte. Seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, da die Einsamkeit über der Wiese vollkommen war, an einem kleinen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, einen nach dem anderen wie sie eben kommen woll ten, aber doch in geglücktem Reigen, und so stieg das sorglose Genäsel zum tiefblauen Himmel auf, unter dem das feine, leicht vom Winde bewegte Blätterwerk einzeln stehender Birken und Eschen in der Sonne flimmerte. Doch war sein beschauliches und unverantwort lich-halbmelodisches Dudeln nicht lange die einzige Stimme der Einamkeit. Das Summen der Insekten in der sommerheißen Luft über dem Grase, der Sonnenschein selbst, der leich ¬ te Wind, das Schwanken der Wipfel, das Glit zern des Blätterwerkes, — der ganze sanft be wegte Sommerfriede umher wurde gemischte Klang, der seinem einfältigen Schalmeien immer wechselnde und immer überraschend gewählte harmonische Deutung gab. Die sym phonische Begleitung trat manchmal und verstummte, aber Hans mit den Bocksbei ¬ nen blies fort und lockte mit der naiven Ein ¬ tönigkeit seines Spiels den ausgesuchten ko lorierten Klangzauber der Natur wieder her vor, — welcher endlich nach einem abermali gen Aussetzen, in süßer Selbstübersteigerung durch Hinzutritt immer neuer und höherer In’ Strumentalstimmen, die rasch nacheinander einfielen, alle verfügbare, bis dahin gesparte Fülle gewann, für einen flüchtigen Augenblick dessen wonnevoll-vollkommenes Genügen aber die Ewigkeit in sich trug. Der junge Faun war sehr glücklich auf seiner Sommerwiese . . . Hier herrschte das Vergessen selbst, der selige Stillstand, die Unschuld der Zeitlosigkeit . . Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den be rühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Vio line und Orchester e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Werk — übrigens wie die Schöpfungen der eben genannten Meister auch Mendels sohns einziger Beitrag zu dieser Gattung — entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Kompo nist im Kreise seiner Familie heitere, unge trübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe da-, zu stammen jedoch bereits aus dem Jahre| 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkon zert im Leipziger Gewandhaus unter der Lei tung des dänischen Komponisten Niels W. Ga- de durch den Geiger Ferdinand David (Kon zertmeister des Gewandhausorchesters) urauf geführt, für den es geschrieben worden war und der den ihm befreundeten Mendelssohn auch schon bei der Ausgestaltung des Solo parts in violintechnischer Hinsicht beraten hatte. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den gerade in Frankfurt/M. weilenden Komponisten einen begeisterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: