Volltext Seite (XML)
zehnte unseres Jahrhunderts nicht nur eine anregende, sondern vielfach eine bestimmende Position einnahm, in geistvollen Schriften Klar heit über die Entwicklung der zeitgenössischen Musik zu schaffen suchte und mit diesen sei nen, etwas apodiktischen Arbeiten „(Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst" und „Von der Einheit der Musik“) im Mittelpunkt dama liger musikästhetischer Auseinandersetzungeri stand, sank sein Ansehen nach seinem Able ben verhältnismäßig rasch ab. Heute ist von seinem reichen kompositorischen Werk (Or chester-, Kammer- und vor allem Klaviermu sik, Opern wie „Turandot" und „Doktor Faust", Kantaten, Chöre, Lieder und zahlreiche Be arbeitungen) wie auch von seinen schriftstel lerischen Arbeiten nur noch wenig bekannt. Busoni prägte für das ihm vorschwebendo musikalische Ideal den Begriff der „neuen Klassizität", worunter er die „Meisterung, die Sichtung und Ausbeutung aller Errungen schaften vorousgegangener Experimente; ihr Hineintragen in feste, schöne Formen“ sowie vor allem „das Wiederergreifen der Melodie — als Beherrscherin aller Stimmen, aller Re gungen, als Trägerin der Idee und Erzeuge rin der Harmonie" verstanden wissen wollte. Seine Tonsprache, durch starkes Formempfin den gekennzeichnet und durch seine Leit sterne Bach, Mozart und Liszt zweifellos be einflußt, erwuchs vornehmlich aus der Klang welt des Klavieres, dankte er doch diesem In strument in erster Linie seinen internationalen Ruf. Dabei stieß er in neue Bereiche der Har monik vor. Nachdem die Dresdner Philharmonie bereits 1969 mit der Aufführung der Indianischen Fantasie für Klavier und Orchester op. 44 an den zu Unrecht vergessenen Komponisten er innert hatte, erklingt heute ein weiteres kon zertantes Werk Busonis: sein 1922 kompo niertes, heiter-spielerisches Divertimento für Flöte und Orchester o p. 52, ein Zeugnis der Liebe seines Schöpfers zu Mozart, seines Strebens nach der „neuen Klassizität", duftig, durchsichtig, mit feinen Strichen hingezauberte Musik, knapp und fes selnd in Form und Aussage. Obwohl Trompe ten und Pauken besetzt sind, läßt der beinahe durchwegs dreistimmig geführte Orchestersatz jede Stimme des kleinen Instrumentalkörpers zur Geltung kommen, ohne die Zartheit der virtuos konzertierenden Flöte mit schweren Akzenten zu belasten. „Gleich einer Silber stiftskizze auf blaßblauer Fläche verhaucht die lange, lieblich geschwungene melodische Phrase des langsamen Mittelteiles" (G. Sel- den-Goth). Der französische Komponist Francois Devienne, 1759 in Joinville (Haut-Marne) geboren und 1803 im Irrenhaus zu Charenton verstorben, erwarb sich bei den Zeitgenossen vor allem Wertschätzung durch seine außer ordentliche Virtuosität auf der Flöte und dem Fagott, Instrumente, die er früh zu beherr schen lernte, aber auch durch die reizvolle und anmutige melodische Erfindung seiner Kompositionen, die er in großer Zahl mit er staunlicher schöpferischer Fruchtbarkeit Leichtigkeit produzierte (u. a. 11 komis^p Opern und Singspiele, viele Konzertante Sin fonien, Flötenkonzerte, Quartette, Trios, Duet te, Soli und Sonaten für oder mit Flöte, Kla rinette, Oboe, Fagott). In den 80er Jahren des 18. Jh. war er Musiker der Schweizer Garde in Paris und trat in den Concerts spirituel auf. Seit 1789 wirkte er als 1. Fagottist im Orche ster des Theätre de Monsieur. 1795 wurde er Professor für Flötenspiel am Pariser Conser- vatoire und legte eine mehrfach neugedruck te Flötenschule vor, die noch heute ihren Dienst leistet. Bei Ausbruch der Französi schen Revolution 1789 wandte er sich zuneh mend der Bühnenkomposition zu, schrieb aber auch Musiken für revolutionäre Kundgebun gen und Feste. Seit 1791 gehörte er, im Range eines Sergeanten, zur Musik der National garde und beteiligte sich mit Gossec und Ca- tel, Vertretern der französischen Revolutions musik, an den großen öffentlichen Aufführun gen zu Ehren der Revolution und komponierte außer patriotischen Hymnen und Liedern sin fonische Werke, von denen das bedeutendste „La Bataille des Jemmappes" ist. Den dauerhaftesten Teil seines umfänglichen Oeuvres verkörpern die kammermusikalisc^Ä Arbeiten und die Werke für Flöte. Hier fincret sich Einfallsreichtum, gepaart mit Leichtigkeit, Eleganz und eine genaue Vertrautheit mit den Möglichkeiten der Instrumente. Das zeigt auch die heute erklingende Sinfonie concertante für 2 FI ö te n und Orchester G-Dur o p. 76, die in ih ren zwei Sätzen beiden Soloinstrumenten überaus dankbare, brillante Aufgaben zu weist, einen echten konzertanten Dialog bie tet. Dem graziösen Allegretto-Thema des zwei ten Satzes, das in vier Variationen virtuos ab gewandelt wird, ist eine kurze Adagio-Einlei tung vorangestellt. Das Werk erschien erst mals um 1798 99 in Paris im Druck. Dmitri Schostakowitschs Sinfo nie Nr. 6 h-Moll o p. 54, ein nur drei- sätziges Werk, 1939 vollendet und in Lenin grad mit der dortigen Philharmonie unter Mrawinski uraufgeführt, ist eine Art Fortset zung der 5. Sinfonie des Komponisten. Der erste Satz (Largo) entwickelt Gedanken, die dem trauervollen Largo der „Fünften" ver wandt sind, wenn sie auch anders ausge drückt werden. Der Satz ist monothematisch (nur mit einem Thema) angelegt. Er ist auf •r Variationenfolge aufgebaut. Dabei fin- eine in sich versunkene, schwermütige Nachdenklichkeit ihren intensivsten Ausdruck. Im Gegensatz zum Largo der 5. Sinfonie herr schen in diesem Largomonolog größere Ruhe der Darstellung, einsichtsvolles Verzichten und Objektivität des Ausdrucks. Durchströmte die 5. Sinfonie ein noch lebendiges, eben erst durchlittenes Gefühl, so äußert sich hier die objektive Aussage des überwundenen. Scho- stakowitsch entwickelt eine weite sinfonische Bewegung in einem einzigen melodischen Atem. Er folgt darin dem von ihm so hochver ehrten Johann Sebastian Bach, wobei sich natürlich seine musikalische Gestaltungsweise auf ganz anderer Ebene bewegt. Besonders im Mittelteil treten deklamatorisch-rezitativi- sche Züge, die hier charakteristisch sind, her vor. Das Largo verklingt in tragischer Schick salsergebenheit (Erinnerung an überstandene Leiden). Im Kontrast zu diesem grüblerischen, lyrisch philosophischen Largo versetzen uns die beiden folgenden Sätze in die Welt lichter Daseins freude. In diesen Sätzen ist alles schimmernd, strahlend, alles trägt uns in unübersehbare, sonnendurchflutete Weiten. Der zweite Satz (Allegro), überaus reich an Ideen, Klangfar ben und Rhythmen, ist ein zauberhaftes Scher zo, eines der besten von Schostakowitsch. Das erste Thema schwebt sanft wie ein Lüftchen in den zierlichen Rhythmen eines schnellen Me nuetts oder Walzers vorüber. Im zweiten The ma, zurückhaltender in der Bewegung, kommt der Walzer- oder eigentlich Ländlercharakter noch deutlicher zur Geltung. Das dritte The ma, breit und schwungvoll, erklingt im Zwie gespräch der Celli und Kontrabässe mit den Violinen. Bemerkenswert für das ganze Stück ist die Leichtigkeit der polyphonen Hand schrift. Für das glanzvolle, funkelnd instrumentierte Finale hat Schostakowitsch eine schlichte, me lodienreiche Sprache gefunden. Man empfin det diese Musik als ein frohes Spiel des schöpferischen Bewußtseins, das sich von der Last der Vorurteile und Verirrungen befreit hat: „Die Welt ist schön!" sagt der Kompo nist. Das Hauptthema erinnert, seinem rhythmi schen Charakter entsprechend, an einen Ga lopp. Neue thematische Bildungen, die den schelmisch-flatternden Grundcharakter unter streichen, bereichern die Entwicklung. Ebenso schelmisch und anmutig ist das zweite The ma. Der Mittelteil des Finalsatzes beginnt mit einer schweren, stampfenden Bewegung der Bässe. Vor diesem Hintergrund hebt sich eine Episode ungehemmter Fröhlichkeit ab. Mit einem stürmischen Lauf endet dieses lebens frohe, humorvolle Finale