Volltext Seite (XML)
Prof. HEINZ BONGARTZ ßig als Gastdirigent an das Pult „seines" Or chesters zurückkehrte, daneben ebenso als ge fragter Gastdirigent bei den Spitzenorchestern unseres Landes wie im Ausland wirkend. Das Programm unseres Gedenkkonzertes erinnert an die Tatsache, daß die Interpretationskunst Heinz Bongariz' sich immer wieder an den Werken eines Beethoven und Brahms entzün dete, neben denen die Komponisten Anton Bruckner, Gustav Mahler, dessen sinfonisches Schaffen er 1963 64 nahezu vollständig dar bot, Max Reger, Hans Pfitzner und Richard Strauss weitere erklärte „Lieblinge" des Diri genten waren. Auch die Mitwirkung von Anne- J>se Schmidt gewinnt besondere Bedeutung, Inn man sich die nachdrückliche Förderung es künstlerischen Nachwuchses durch Prof. Bongartz in die Erinnerung ruft, die diese Künstlerin gerade in den ersten Jahren ihrer Laufbahn erfahren hat. Zum ersten Male musi zierte sie am 20. Juli 1956 mit den Dresdner Philharmonikern unter Prof. Bongartz beim Internationalen Schumann-Wettbewerb in Ber lin, bei dem sie den 1. Preis gewann. Sehr um fangreich ist die Liste der Konzerte, die sie seit dem — in 23 Jahren — im Zusammenwirken mit dem Orchester absolviert hat, fast alljährlich in Dresden, daneben auf vielen Reisen und häu fig unter der Leitung von Prof. Bongartz. In 17jähriger Zusammenarbeit mit den Dresd ner Philharmonikern reifte Heinz Bongartz zu einem Dirigenten von internationalem Format, zu einem der namhaftesten deutschen Diri genten seiner Generation heran, in Konzert und Oper gleichermaßen souverän ein weitge spanntes Repertoire beherrschend. Die Pläne, die Prof. Bongartz seinerzeit bei seinem Amts antritt in Dresden entwickelte, waren die Pläne eines hervorragenden Musikers, der reiche Er fahrungen in seiner bisherigen Tätigkeit hatte •ernmeln können, wie zugleich eines seiner Beantwortung voll bewußten Kulturpolitikers. Sie wurden die exemplarische Grundlage für die Konzertorganisation der Dresdner Philhar monie nicht nur in der Ära Bongartz, sondern sie sind es noch heute. Es war das Fundament einer in der Geschichte des Orchesters beispiel losen systematischen und umfassenden Kon zertarbeit, das damals gelegt wurde. Der Hang zum Systematischen, Aufbauenden erwies sich überhaupt als ein bezeichnendes Kriterium des Arbeitsstiles von Heinz Bongartz. Er führte das Orchester nach 1945 zu neuen Höhen. Der organische Wiederaufbau des im zweiten Welt krieg zerschlagenen Institutes gehört ebenso zu seinen bleibenden Verdiensten wie sein vorbildlicher Einsatz für das zeitgenössische Musikschaffen. So wie er als Dirigent jeder äußerlichen „Schau" abhold war, mit knappen und konzentrierten Dirigiergesten ohne Pathos das Wesentliche, aber auch das Detail eines musikalischen Kunstwerkes herausarbeitete, die gleichbleibende Ruhe und Überlegenheit bei der Orchesterleitung der gefühlsbetonten Ekstase vorzog, so ließ er auch konzeptionelle Klarheit und Systematik in der kontinuierlichen Erziehung des Orchesters, in der Probenarbeit walten. Vielleicht war dies überhaupt das Geheimnis seines großen Erfolges als Orchestererzieher und Dirigent: die Systematik, Stetigkeit und prinzipielle wie konzeptionelle Klarheit seiner Arbeitsweise, die ein Aufbauwerk zeitigte, das in der jüngeren Dresdner Musikgeschichte nur vergleichbar ist mit dem jahrzehntelangen Wirken Ernst von Schuchs für die Staatskapelle oder Rudolf Mauersbergers für den Kreuzchor. Und das in einer Zeit der reisenden Stardiri genten! Es war charakteristisch für die mensch lich, weltanschaulich und künstlerisch so ge festigte Persönlichkeit von Heinz Bongartz, daß er, gefragter und gefeierter Gastdirigent in nahezu allen europäischen Musikzentren, ja sogar in Übersee, den Ve-Iockungen auswärti ger Angebote standhielt und trotz des errun genen internationalen Ruhms „seiner" Dresd ner Philharmonie die T-eue hielt. Dieser Wille zur Ensemblebildung — selten geworden in unserer schnellebigen Zeit —, diese Beständig keit, die Bongartz' Arbeit auszeichnete, zei tigte denn auch ihre F-üchte. „Heinz Bongartz ist nicht nur ein großer Könner, sondern auch ein Dirigent von ausgeprägter Zielstrebigkeit, der nichts dem Zufall übedäßt, der auch die kleinste musikalische Wendung mit knappen, aber treffsicheren Bewegungen steuert. Er überwacht eigentlich nur sein Orchester, und was sich unter seine- Hand zu einem prisma tischen Klang kristallisiert, ist das Ergebnis sorgfältigster Probenarbeit", schrieb einmal ein Kritiker. Gewiß forderte der Dirigent viel von seinen Mitarbeitern, seinen Musikern, letzte Einsatzbereitschaft, Disziplin, Fleiß, Selbstkri tik und das ständige Bemühen, einmal Erreich tes noch zu verbesse-n, zu steigern. An Gefolg schaft fehlte es ihm, der diese Forderungen zunächst an sich stellte und sie selbst zu er füllen suchte, ehe er sie anderen gegenüber erhob, nicht. Heinz Bongartz bleibt unvergessen. Dr. habil. Dieter Härtwig