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ZUR EINFÜHRUNG Franz Schubert hat einige seiner Sinfonien als recht junger Mensch ge- schrieben. So ist auch seine Sinfonie Nr. 3 D-Dur ein Werk, das er mit 18 Jahren schuf. Am 24. Mai 1815 begann er mit der Komposition, am 19. Juli 1815 schrieb er die letzten Noten dieses Werkes. Etwas mehr als anderthalb Monate brauchte er also zur Niederschrift, was schon allein eine bewunderungswürdige Schreibarbeit darstellt. Schubert war mit 18 Jahren noch Mitglied des Kapell- knaben-lnstituts in Wien, als er diese Sinfonie komponierte, also im gleichen Jahre, in dem er einen so genialen Wurf machte wie den „Erlkönig". Ein Genie geht oft wunderliche Wege - und so ist es nicht seltsam, daß Schubert neben dieser schon ganz eigenen und überaus persönlichen Leistung im Liedschaffen sich auf dem Gebiet der Sinfonie noch ganz an frühklassische Vorbilder an lehnt. 1815 sind von Beethoven acht Sinfonien schon geschrieben und in Wien aufgeführt worden, und es ist anzunehmen, daß Schubert diese Werke gehört hat, da er nie ein Hehl daraus machte, wie sehr er gerade den Sinfoniker Beethoven schätzte und verehrte. Hat er nun die Einmaligkeit des Beet- hovenschen Schaffens gefühlt, da er bei Haydn und Mozart anknüpft? Die Sinfonie klingt also klassisch, oft von einer unbeschwerten Musizierlust erfüllt, die sich vor allem im ersten Satz kaum bändigen kann. Einen eigentlich lang samen Satz gibt es in dieser dritten Sinfonie in D-Dur nicht, dafür steht ein melodienreiches Allegretto, in welchem Schubert auf eine einfache Art das schlichte Thema variiert. Im Menuett wird „geländlert" - allerdings verlangt Schubert schon ein recht lebhaftes Zeitmaß. Der Schlußsatz ist ein Rondo von ausgelassener und beinahe übermütiger Haltung, einen Schubert zeigend, der ganz anders ist als der Schubert der „Unvollendeten". Prof. J. P. Thilman Richard Strauss (1864-1949) 6 Lieder für Sopran und Orchester Lieder stehen am Anfang und am Ende des langen Lebens von Richard Strauss. Mit dem „Weihnachtslied", dessen Noten die ungeschickte Hand des Sechs jährigen hinmalte, begann es, mit den altersweisen, schwermütigen Letzten Orchesterliedern nach Versen Eichendorffs und Hesses krönte er sein Lebens werk. Noch ehe Strauss seine erste Liedfolge opus 10 mit „Zueignung" und „Allerseelen" der Öffentlichkeit übergab, schrieb er eine große Zahl von Jugendliedern, mit denen der junge Musensohn seine Verwandtschaft, gelegent lich auch einmal eine junge Dame seines Herzens, beglückte. Der Lieder frühling sproß, als er als junger Weimarer Hofkapellmeister mit der Sopra nistin Pauline de Ahna in nähere Verbindung trat. Die vier Lieder mit der Opuszahl 27 tragen die Widmung „Meiner geliebten Pauline zum 10. Sep tember 1894" und waren das Hochzeitsgeschenk von Strauss für seine Frau. Der vielgesungene „Morgen" nach einem Gedicht von Mackay mit seinem feingesponnenen lyrischen Vor- und Nachspiel ist von raffiniertem Stimmungs gehalt. Es machte Strauss gar nichts aus, daß so manche Dichterzeiie durchaus männliche Empfindungen reflektierte. Rechtens werden diese dankbaren Lieder gern von Männerstimmen gesungen. Weit über 200 Strausslieder sind es, wenn auch so manches noch immer im Verborgenen blüht. Gewiß: es handelt sich um „Gelegenheitswerke" eines großen bürgerlichen Komponisten, der das Schwergewicht seines Schaffens auf die sinfonische Dichtung und später die Oper legte. Nicht die für seine Epoche repräsentativen Lyriker wie Rilke, Trakl oder George kamen bei Strauss zu klingendem Wort; er bevorzugte Liedvorlagen von Poeten der zweiten Reihe wie Mackay, Henckell, von Gilm, Liliencron, Bodman. Ein mäßiges Gedicht mit jugendlichem Schwung zu erfüllen, die Strukturen des Pseudo-Volkstümlichen melodisch zu erspüren und durch den Klaviersatz spiri tuell zu erhellen, das war Strauss in seiner elementaren Begabung gegeben. Wie kunstvoll wußte er den melodischen Grundeinfall immer weiter auszu spinnen! Wie innig schmiegte er sich dem dichterischen Wort an! Wie streng unterwarf er sich andererseits dem jeweiligen Formgesetz! Tatsächlich ist jedes Strausslied ein in sich abgeschlossenes Kunstgebilde. Kein Zweifel: Diese Lieder entstanden aus persönlicher Emotion, sind undenkbar ohne seine Schülerin, Gefährtin und ideale Interpretin Pauline de Ahna. Sie sind in der Mehrzahl heimliche Hymnen an sie. Ernst Krause