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Sonntag, den 17. Juni 1979, 20.00 Uhr, im Festsaal des Kulturpalastes Dresden Konzert der Dresdner Philharmonie Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Siegfried Matthus geb. 1934 Konzert für Klavier und Orchester (1970) Sostenuto impetuoso Andante delicatamente con expressione Allegretto giocoso con grazia Allegro con moto PAUSE Sinfonie Nr. 9 d-Moll Anton Bruckner Feierlich, Misterioso 1824-1896 Scherzo (Bewegt, lebhaft) Adagio (Langsam, feierlich) Annerose Schmidt studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musikhochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahreri 1957 das Staatsexamen mit besonderer Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin des Pianisten wettbewerbes Leipzig 1955, an dem sich Pianisten aus beiden deutschen Staa ten beteiligten, und 1. Preisträgerin im Internationalen Schumann-Wettbewerb 1956. 1961 erhielt die Pianistin den Kunstpreis der DDR sowie 1965 den Nationalpreis unserer Republik, außerdem ist sie Trägerin des Schumann-Preises der Stadt Zwickau. Konzertreisen führten Annerose Schmidt in sämtliche Musik zenten Europas, des Nahen Ostens sowie Japans. Bei der Dresdner Philharrno nie ist die prominente Künstlerin ständiger Gast. Unter Kurt Masur spielte sie mit der Dresdner Philharmonie sämtliche Klavierkonzerte Mozarts für ETERNA ein. ZUR EINFÜHRUNG Einer der profiliertesten Repräsentanten des zeitgenössischen Musikschaffens unseres Landes ist der unseren Kcnzertbesuchern durch zahleiche Aufführungen wohlbekannte Siegfried Matthus, der 1934 in Mallenuppen (Ostpreußen) gebo ren wurde, nach dem Abitur in den Jahren 1952 bis 1958 an der Deutschen Hochschule für Musik in Berlin Dirigieren und — bei Rudolf Wagner-Regeny — Komposition studierte und anschließend bis 1960 Meisterschüler von Hanns Eisler an der Akademie der Künste der DDR war. Seit 1964 ist er neben seinem kompositorischen Schaffen als Dramaturg an der Komischen Oper Berlin tätig. 1969 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste der DDR in Berlin ernannt und 1972 dort zum Sekretär der Sektion Musik gewählt. Außerdem ist er Mitglied des Zentralvorstandes des Verbandes der Kompo nisten und Musikwissenschaftler der DDR. Matthus wurde 1963 mit dem Ernst- Zinna-Preis, 1970 mit dem Kunstpreis und 1972 mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Sein umfangreiches und vielseitiges Oeuvre gipfelt in den Bei trägen zum Musiktheater, besitzt jedoch auch in den anderen Genres Eigen gewicht. Es reifte in der Auseinandersetzung mit dem Werk Arnold Schönbergs und Anton Weberns sowie neuen Haltungen, wie sie bei Eisler zu finden sind. Seine Tonsprache ist durch das ständige Bemühen charakterisiert, neue Kom positionstechniken und -methoden in den Personalstil aufzunehmen. Er leistete mit seinen Werken immer wieder wichtige Beiträge zur Entwicklung unserer sozialistischen Musikkultur. In den Konzertsälen des In- und Auslandes errang Siegfried Matthus in den letzten Jahren besonders mit konzertanten Kompositionen große Erfolge, mit dem 1969 von Manfred Scherzer und der Dresdner Philharmonie unter Kurt Masur uraufgeführten Violinkonzert mit dem 1970 auf Anregung von Annerose Schmidt komponierten und von dieser 1971 während der III. Musikbiennale mit dem Orchester der Komischen Oper Berlin unter Gert Bahner uraufgeführten Klavierkonzert. Das Konzert für Klavier und Orchester besitzt einen heiteren, freundlichen Charakter. Es zielt auf kunstvolle Unterhaltung im besten Wortsinne. An die Interpreten, besonders an den Solisten, werden gleichwohl technisch und ge stalterisch höchste Ansprüche gestellt. Die Virtuosität des Klavierparts ist ebenso bewußtes Gestaltungsmittel wie die Farbigkeit und der Nuancenreichturn des überaus effektvoll behandelten Orchesterapparates. Matthus schrieb über das Werk: „Das Konzert besteht aus vier Abschnitten, die ineinander übergehen. Jedem Abschnitt liegt eine besimmte emotionelle Situation zugrunde. Dem ersten eine konflikthaft dramatische, dem zweiten eine lyrisch espressive, dem dritten eine heiter groteske und dem vierten eine finaihafte. Jeder Abschnitt hat ein bestimmtes musikalisches Ausgangsmaterial: einen achtstimmigen Akkord, eine Ganztonfolge und eine diatonische Tonfolge. Der Klavierpart ist virtuos angelegt und dominiert dem Orchester gegenüber. Ich habe versucht, das Verhältnis zwischen Soloinstrument und Orchester kon trastreich anzulegen, wie es der klassischen Tradition der Form entspricht, aber in den meisten Fällen auf eine strukturell thematische Verarbeitung verzichtet". . - Ä "... .'zrt’*'* ' w ■ ■ ----r.- ’-sV'- a , Am 18. Februar 1891 hatte Anton Bruckner dem Wiener Musikschriftsteller Theo dor Helm als „Geheimnis" mitgeteilt, daß die 9. Sinfonie begonnen sei. Die ersten Entwürfe gehen allerdings bis auf den Sommer 1837 zurück. Immer wie der von Krankheit heimgesucht, arbeitete Bruckner viele Jahre an dem Werk. „Ich habe", sagte er einmal, „auf Erden meine Schuldigkeit getan; ich tat, was ich konnte, und nur eines möchte ich mir noch wünschen: wäre mir doch ver gönnt, meine 9. Sinfonie zu vollenden! Drei Sätze sind nahezu fertig, das Adagio ist fast zu Ende komponiert, bleibt nur mehr der vierte Satz übrig. Der Tod wird mir hoffenlich die Feder nicht früher aus der Hand nehmen". Das Werk sollte, wie die h-Moll-Sinfonie Franz Schuberts, unvollendet bleiben. Am 11. Oktober 1896 saß er morgens noch am Klavier über den Skizzen zum Finale. Am Nachmittag war sein Leben ausgelöscht. Biieb uns also die 9. Sinfonie Anton Bruckners als gewaltiger Torso. In ihrem ersten Satz scheint er noch einmal alle Kämpfe seines Lebens zusammenzu fassen. Zugleich aber gibt er die Zusammenfassung seines musikalischen Rin gens, seines Ringens um die neue Form der Sinfonie, seiner Sinfonie. Dieser erste Teil seines Testaments zeigt die Maße der Architektur, die den oft ge brauchten Vergleich Bruckners mit Michelangelo, dem großen Baumeister und Bildhauer, rechtfertigen. Und man wird an das Wort Goethes erinnert: „Ich