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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 17. März 1979, 20.00 Uhr Sonntag, den 18. März 1979, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 7, ZYKLUS-KONZERT und 7. KONZERT IM ANRECHT C FRANZ-SCHUBERT-ZYKLUS Dirigent: Antoni Wit, VR Polen Solist: Heinrich Schiff, Österreich, Violoncello ANTONI WIT wurde 1944 in Krakow geboren. Er studierte 1963—1967 an der Musikhochschule seiner Heimat stadt bei Henryk Czyz (Dirigieren) und bei Krzysztof Penderecki (Kompo sition). Seine Ausbildung vertiefte er im Weimarer Musikseminar 1966 bei Arvid Jansons sowie 1967—1968 bei Nadia Boulanger und Pierre Dervaux in Paris. Neben seinen musikalischen Studien absolvierte er noch 1969 ein Jura-Studium an der Universität Kra kow. Nach Assistenzjahren bei Witold Rowicki an der Nationalphilharmonie Warschau, an der Philharmonie Po znan und am Warschauer Opernhaus wirkt er seit 1970 als Dirigent der Philharmonie Poznan und des War schauer Opernhauses. 1970 teilte er sich den 2. Preis des Karajan-Wettbe werbes in Westberlin mit dem jungen sowjetischen Dirigenten Maris Jansons. Konzertreisen führten ihn u. a. nach Frankreich, in die DDR, BRD, UdSSR, nach Österreich, Italien, in die SR Rumänien. Franz Schubert 1797-1828 Edward Elgar 1857-1934 Sergej Prokofjew 1891-1953 Sinfonie Nr. 6 C-Dur Adagio — Allegro Andante Scherzo (Presto) Allegro moderato Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 Adagio/Moderato — Allegro molto Adagio Allegro Erstaufführung PAUSE Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100 Andante Allegro marcato Adagio Allegro giocoso ZUR EINFÜHRUNG HEINRICH SCHIFF wurde 1951 in Gmunden (Österreich) geboren. Er entstammt einer traditionsreichen Mu sikerfamilie, Vater und Mutter waren Pianisten, sein Urgroßvater war der bedeutende Musikgelehrte Hugo Rie mann. Seine Celloausbildung erhielt er zunächst in Linz, seit 1967 dann an der Wiener Musikhochschule bei Tobias Kühne und später bei Andre Navarra in Paris. Nach seinem er folgreichen Debüt 1972 bei der Wie ner Konzerthausgesellschaft hat die internationale Konzerttätigkeit des her vorragenden jungen Künstlers einen großen Umfang angenommen. Er ga stierte u. a. in der SR Rumänien. CSSR, Ungarischen VR, VR Polen (für die Interpretation des Cellokonzertes von Lutoslawski erhielt er den Or pheus-Preis des „Warschauer Herb stes ), SFR Jugoslawien, DDR, in Großbritannien, der Schweiz, der BRD, in den Niederlanden, in Griechen land, Italien, Norwegen, Frankreich, Portugal, im Nahen Osten. Franz Schuberts 6. Sinfonie C-Dur, deren erster Satz im Okto ber 1817, die drei übrigen vier Monate später entstanden, ist die letzte Ju gendsinfonie des Meisters. Sie atmet jugendlichen Überschwang und Taten drang, gibt sich energischer als die vorangehenden Sinfonien. Haydn, Mozart, Rossini und vor allem Beethoven sind die Vorbilder. Nach einer Adagioeinlei tung erklingt in den Flöten und Oboen das Hauptthema, das an Haydns Mi litärsinfonie gemahnt. Den heiteren Grundton setzt auch das zweite Thema fort, das um der inneren Einheitlichkeit willen zuerst in den Flöten und Klarinetten erscheint, bewußt nicht als Kontrast angelegt. Sichere Beherrschung der klassi schen Durchführungstechnik zeichnet diesen lebensvollen Satz aus. Wienerische Gemütlichkeit bringt das Andante, dessen Mittelteil durch unvermutete Harmo niewechsel überrascht. Beethovensche Einflüsse läßt der dritte Satz, ein sprü hend-schalkhaftes Scherzo, mit seinem plötzlichen Übergang zum Trio und sei nen ausgehaltenen Holzbläsertönen deutlich erkennen. Mit dem Finale der „Sechsten" gelang Schubert seine bis dahin stärkste sinfonische Leistung. Ty pisch wienerische Töne, Praterstimmung, Leierkasten- und Karussellmusik, Wal zerklänge prägen — unter Rossinis Enfluß, der damals ganz Wien bezauberte — dieses (wie es Harry Goldschmidt einmal treffend nannte) „realistische instru mentale Volksstück''. Wie ein lockeres Divertissement aufgebaut, sind in diesem Satz Haupt- und Nebenthemen fast einander gleichwertig, werden sie doch gleichermaßen zu sich ablösenden Episoden ausgebaut. Das ausgelassene Volkstreiben, das dieser Satz fast bildhaft deutlich schildert, besticht durch seine Unverfälschtheit, durch seine Laune. Obwohl Edward Elgar unbestritten zu den profiliertesten Erscheinungen der englischen Musik aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Anbruch unseres Jahrhundert zählt, hat sich sein Werk bei uns kaum entspre chend seinem Wert durchgesetzt. Als Sohn eines Musikers 1857 bei Worcester geboren — also ein etwas älterer Zeitgenosse von Gustav Mahler und Richard Strauss —, war er zuerst als Violinist und Organist tätig, bevor er als freischaf fender Komponist wirkte. Als solcher war er weitgehend Autodidakt und mußte sich Anerkennung und Erfolg zäh erringen. Die ihm zuerkannten Ehrungen (Eh rendoktorwürde mehrerer Universitäten, Erhebung in den Adelsstand, Veran staltung von Elgar-Musikfesten, Ruf an die Universität Birmingham, Ernennung zum Master of the King’s Musik) machten aber dann deutlich, daß mit Edward Elgar, nach eigentlich jahrhundertelangem Schweigen, wieder ein schaffender Musiker von Format die englische Musik im europäischen Konzert vertreten konnte. Und kein Geringerer als Richard Strauss setzte sich für seinen Kompo nistenkollegen ein. Aus seinem reichhaltigen und weitverzweigten Schaffen treten nur gelegentlich einige wenige Beispiele auf: die Enigma-Variationen für Orchester, Introduktion und Allegro für Streichquartett und Streichorchester, das Violinkonzert, das Cel lokonzert. Die Sinfonien, die Kammermusik, aber auch sein Oratorium „Der Traum des Gerontius", das Elgar mit zum Durchbruch verhalf, erleben nur in Schallplattenproduktionen der jüngsten Zeit wieder Aufmerksamkeit. Wenn es auch nicht immer ganz passen will, werden die Werke Edward Elgars beim Stichwort „Spätromantik" eingereiht. Dabei hat er durchaus seine Eigenart ge prägt, die sich in interessanter Harmonik, mit brillanter Orchestrierungskunst und starkem Formsinn kundgibt.