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DURCH 40 JAH RE OLYMPIA URSPRUNG UND SCHÖPFUNG VON L. C. MAY • HAMBURG WIGEN Sternen gleich funkeln am Himmel der Menschheit die Ideen ihrer großen Geister. Leuchtend strahlt ihr Licht über Jahrhunderte 'und Jahrtausende, unerschöpflich und unversieg bar in seiner göttlichen Kraft. Rätselhaft in Ursprung und Anfang, ungreifbar in die Zukunft gestellt, unlösbar ver ankert im Gesetz des Alls. Kein Stein verkündet den Namen des Genies, der dem Urmenschen Gewalt über das Feuer gab. In Sage gebannt ruhen die gewaltigen Taten der Ahnen. Bis in die ferne Zeit ungeschriebener Geschichte reicht die Kunde von den Olympischen Spielen der Vergangenheit. Die be schwingte Phantasie des arischen Griechentums geizt nicht mit der Fülle reizender Erzählungen, deren impo santeste Auslegung Allvater Zeus als den Gründer der Kämpfe kündet, als er seinen Vater, den gewaltigen Kronos, auf die Knie zwang. Zeus bleibt das schützende Symbol, als sich auf seiner Kultstätte in Olympia im Laufe der Jahrhunderte die festliche Zusammenkunft des griechischen Volkes zu einer machtvollen Kulturgemeinschaft entwickelt. Heili ger Gottesfriede umschließt für diese Tage wie in einem Brennpunkt das in verzweifelter politischer Zerrissenheit gespaltene Griechenvolk. 776 v. Chr. gräbt der Griffel in den weißen Marmor den Namen des ersten olympischen Siegers, Koroibus von Elis, und 393 n. Chr. verbietet ein Machtspruch des christlichen Kaisers Theodosius auf gelbem Pergament die weitere Abhaltung der Kämpfe. 1000 Jahre olympischer Geschichte spiegeln sich in kärg lichen Bruchstücken und Namen, deren geheimnisvoller Schleier nie gelüftet werden wird. Und nur ein Funke des Geistes jener Zeiten glimmt auf, wenn die Chronik von einem Siege noch im Tode zu berichten weiß. Der Marmortempel des Zeus wird zerstört, Schutt häuft sich über das aus Elfenbein und Gold gemeißelte Bildnis, und bald wuchern über der Trümmerstätte die dunkelgrünen Zweige der wilden Olive. Neue Völker wachsen aus dem Schoß der Erde, entfalten ihre Fähigkeiten und ringen in ewigen Kämpfen um Preis und Sieg. Langsam knospet am Baum des friedlichen Wettkampfes eine andere Blüte herauf, als der Sport zu einem bewußten Kulturinhalt des Lebens wird. Das Zeitalter der Maschine und des Motors prägt den Menschen in eine neue Gestalt. Die wahrhafte Herr lichkeit des Leibes wird als ein Wunder der Natur entdeckt und ebenbürtig neben das Reich des Geistes gestellt. In einem triumphalen Zuge kehrt die Natürlichkeit im Handeln und Denken der Völker zurück. Noch dämmert erst diese Zeit, als die klassischen Stätten des Altertums behutsam von deutscher Gelehrtenhand in das Licht der Sonne und Empfindung gerückt werden. Die stummen Steine lösen in der Seele des jungen fran zösischen Barons Pierre de Coubertin eine weltweite Vision aus. Er sieht endlich die andere Seite der griechi schen Kultur, die Harmonie und Gleichheit von Körper und Geist. Vor seinem Auge entsteht der Zug der edlen Jünglinge, die singend zum friedlichen Wettstreit ziehen, um sich mit dem schlichten Lorbeer als Sieger zu bekrän zen. Der Edelstein des olympischen Gedankens blitzt auf und zuckt wie ein Feuerstrahl über den Erdkreis. Aus der beschränkten Mittelmeerwelt aber hat sich der Mensch die Weite des Erdballes untertan gemacht. Olympia begreift nicht mehr den Klang der nationalen Kultur eines Volkes, er steigt empor zur dröhnenden Glocke, die zur Jugend der Welt ihre eherne Stimme erhebt. Reich und fruchtbar auf verschiedenen Wissens gebieten ist das Leben Coubertins bis dahin gewesen, nun hat es ein übermenschliches, ideales Werk als wunderbare Aufgabe erhalten. Am 24. Juni 1894 formt sich in Paris die olympische Idee zur Wirklichkeit. Coubertins flammende Begeiste rung treibt den internationalen Kongreß zur Entschei dung: Die Olympischen Spiele sollen 1896 in Athen ihre Wiedergeburt feiern. Wohl türmen sich Schwierigkeiten und Bedrängnisse vor der kleinen Schar und der Dämon Geld scheint alle Anstrengungen zunichte zu machen. Aber lächelnd winkt das Schicksal Gewähr. Die Großartigkeit des Gedankens entzündet in dem griechischen Millionär Averof den Geist antiker Opferwilligkeit: mit einem Federstrich schenkt er der Stadt Athen eine Kampfstätte von monumentaler Größe und Schönheit: Die Spiele können beginnen ! Zum ersten Male glüht nach Jahr hunderten die olympische Flamme gen Himmel, unter königlicher Huld entfaltet sich ein glänzendes Bild rau schender Feste, in deren Mittelpunkt die Jugend der alten und neuen Welt steht. 12 Nationen schickten damals ihre Besten in die Wett kämpfe, 50 Nationen werden in Berlin sich den Sieg der Siege streitig machen. Mit einem würdigen Auftakt hat in dem Marmorstadion von Athen die lebendige Ge schichte der modernen Olympischen Spiele eingesetzt. Der Wahlspruch der Kämpfer fortius, altius, citius gestal tet sich in der Organisation und Ausführung zu einem Dreiklang, der wohl in den Worten „schöner, gewaltiger, erhabener“ gipfeln mag. Vier Jahrzehnte sind über die Erde gegangen. In allen Nationen des Erdkreises ist die unendliche Mannigfaltig keit des Sportgeschehens erblüht. Ueberall strebt eine kraftvolle, selbstbewußte Jugend zum ehrlichen Wett kampf. Kein höheres Ziel und sehnlicherer Wunsch wohnt in der Brust des Olympia-Kämpfers als für die Ehre der Nation im Ringen der Völker den Sieg für die Farben des Vaterlandes zu erringen. Die Olympischen Spiele sind die Etappen an dem großen Strom, zu dem sich die Jugend aller Völker im friedlichen Kampfe vereinigt hat. Athen und Paris, London und Stockholm, Amsterdam und Los Angeles, jeder Name ein neuer, größerer Sieg der Idee. Das geeinte Deutschland des Dritten Reiches wird den XL Olympischen Spielen in Berlin 1936 eine Aus stattung verleihen, die in dem Echo der Welt in einem einzigen Laut der Bewunderung widerhallen wird: Deutschland hat das Höchste geleistet, Deutschland war der beste Gastgeberl