DAS ZEITALTER DES LIBERALISMUS Die liberale Bewegung kam zuerst in Frankreich zum Siege, wo der Boden durch die Ideen der französischen Revolution am besten vorbereitet war. Durch die Julirevolution 1830 wurde der König verjagt und als Vertreter des Bürgertums Ludwig Philipp von Orleans zum König der Franzosen erhoben. Diese Erschütterungen wirkten sich über ganz Europa aus und weckten auch die nationalen Ideen. Belgien riß sich von den Niederlanden los. Die Polen erhoben sich gegen den russischen Zaren und konnten erst nach schweren Kämpfen unterworfen werden. In mehreren deutschen Staaten mußten freiere Verfassungen erlassen werden. Als sich aber der deutsche Freiheitsdrang 1832 in einem Fest auf dem Hambacher Schloß in der Pfalz und einer kleinen Revolte in Frankfurt Luft machte, begannen neue Verfolgungen. Noch immer herrschte Metternich in Wien. Nur durch Preußen ging seit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. 1840 ein frischerer Zug. Die Blicke begannen sich auf Preußen zu richten. Dieses gewann durch den von ihm 1834 geschaffenen Zollverein bedeutenden Ein fluß auf die deutschen Kleinstaaten. Der Anstoß zum Beginn der großen deutschen freiheitlichen und nationalen Bewegung kam wieder von Frank reich, wo im Februar 1848 die Republik ausgerufen wurde. Darauf erhob sich in Deutschland der Ruf nach Preßfreiheit, Schwurgerichten, Vereins recht, Volksheer und einem deutschen Parlament. Im März brachen in den deutschen Hauptstädten Unruhen aus. In Wien wurde Metternich ver jagt, in Berlin kapitulierte der König nach schweren Straßenkämpfen. Der Bundestag in Frankfurt gab die Zustimmung zur Berufung einer National versammlung, die am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche zusammen trat. Im Streit zwischen Großdeutschen und Kleindeutschen, den Anhängern einer Reichsbildung mit bezw. ohne Österreich, siegte die letzte Richtung. Man bot dem König von Preußen die erbliche Kaiserkrone an. Der aber wollte sie nur mit Zustimmung aller Regierungen annehmen und leimte daher ab. Während in Frankfurt eine provisorische Reichsgewalt ihr Leben fristete, hatten sich die Regierungen von ihrem Schrecken erholt und nahmen das Steuer wieder in ihre Hand. In Preußen wurde eine Verfassung von oben verliehen, die keineswegs den Forderungen genügte. Republika nische Aufstände in Baden wurden unterdrückt. Das Frankfurter Parla ment ging auseinander. Der preußische Minister Radowitz versuchte nun, die Einigung, die sein König eben erst vereitelt hatte, durch Zusammen schluß der Regierungen unter preußischer Leitung zu verwirklichen. In Norddeutschland fand er auch Gefolgschaft. Aber inzwischen hatte Öster reich alle seine aufständischen Nationalitäten, die Tschechen, Italiener und zuletzt mit russischer Hilfe die Ungarn unterworfen; jetzt begann cs seinen Einfluß in Deutschland wieder herzustellen. Es eröffnete den Bundestag von neuem und trat den preußischen Plänen drohend entgegen. Schon standen sieh die Truppen der Rivalen gegenüber, da gab Preußen unter dem Druck des Zaren Nikolaus I., der jetzt an Stelle Metternichs die bestehenden Verhältnisse schützte, nach. In den Olmützer Unterhandlungen nahm es alle österreichischen Forderungen an. Der Deutsche Bund trat wieder ins Leben. Schleswig-Holstein, das sich in der Hoffnung auf deutsche Reichs hilfe erhoben hatte und bald sehmählich enttäuscht worden war, wurde an Dänemark überlassen. Frankreich erstand aus den Stürmen des Jahres 1848 wieder als Monarchie. Aus Furcht vor dem Sozialismus wählten die Besitzenden, nachdem ein Arbeiteraufstand unter furchtbarem Blutvergießen unterdrückt worden war, Ludwig Napoleon, den Neffen Napoleons I. zum Präsidenten. Durch einen Staatsstreich machte sich dieser 1851 zum Alleinherrscher und ein Jahr später zum Kaiser. Napoleon III. folgte in allem dem Vorbild seines großen Oheims. Wie diesem gelang es auch ihm, bei Volksabstimmungen für sich glänzende Ergebnisse zu erzielen. Er wurde von den Mächten bald aner kannt. Napoleon sparte nicht mit friedlichen Versicherungen. Aber schon bald empfand er das Bedürfnis nach .einem großen außenpolitischen Erfolg. Er trat dem auf seine Macht pochenden russischen Zaren im Orient ent gegen und verhinderte durch den Krimkrieg, daß die Türkei von Rußland abhängig wurde. Er fand hierbei auch die Hilfe der Engländer, die ganz gegen ihre Gewohnheit diesmal ihre Geschäfte auf dem Festland nicht nur durch einen andern besorgen ließen. In diesem Kriege zeigte sich die Hohl heit der Macht Rußlands. Völlig geschlagen und erschöpft, mußte es sich große Rüstungsbeschränkungen am Schwarzen Meer gefallen lassen. Niko laus I. war mitten im Krieg gestorben. Er hatte noch den Zusammenbruch seines Lebenswerkes gesehen. Seine Stellung in Europa nahm jetzt Napo leon III. ein. Dieser aber machte sich zum Anwalt der unterdrückten Na tionalitäten und suchte auf diese Weise seine Macht zu erweitern. Er be siegte Österreich und verhalf Italien zur Einigung.