Volltext Seite (XML)
DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION Frankreich befand sieh seit dem Ende Ludwigs XIV. auf dem Abstieg von seiner äußeren Machthöhe. Im Innern litt es an völlig zerrütteten Finanzen, der Folge von Ludwigs Kriegen und Bauten, der Verschwendung seines Nachfolgers Ludwig XV. und von dessen Teilnahme am Siebenjährigen Krieg gegen Preußen und England. Das Eingreifen in den amerikanischen Befreiungskrieg hatte bei äußerem Erfolge leere Kassen hinterlassen. Dabei befand sieh der einst so glänzend organisierte Staat dank unfähigen Re gierungen und veralteten Zuständen in vollem Verfall. Die Willkür der Regierung und die Vorrechte der oberen Stände, des Adels und der Geist lichkeit, lasteten auf den Bürgern und vor allem den Bauern. Diese beiden hatten fast alle Steuern aufzubringen. Die Bauern waren dazu von Fron diensten geplagt. Dabei hatte der Bürgerstand, der sogenannte „dritte Stand“, die größte Bedeutung im Wirtschaftsleben des Landes. Dieses Mißverhältnis zwischen den Ständen, zwischen Rechten und Pflichten wurde von vielen Schriftstellern aufgezeigt und bekämpft. Die Gebildeten begrüßten die geistreichen Äußerungen der Schriftsteller mit Entzücken, ohne aber daraus die praktischen Folgerungen zu ziehen. Zaghafte Ver suche unter der Regierung des redlichen, aber schwachen Ludwig XVI. wurden vor der Opposition der Bevorrechteten aufgegeben. Erst als es sich wegen des Fehlbetrags im Staatshaushalt als unmöglich erwies weiterzuregieren, setzte der Minister Necker die Berufung der Ge neralstände durch. Zum erstenmal seit 1614 traten diese 1789 zusammen. Sofort zeigte sich das Übergewicht des Dritten Standes, der sieh als National- versammlung erklärte und nach Gewinnung der beiden oberen Stände die Beratung einer Verfassung begann. Der König war machtlos. Es kam zu Zusammenstößen in Paris, zu Zerstörung von Schlössern und Klöstern auf dem Lande. Die Brüder des Königs und viele Adlige verließen Frank reich. Die Vertreter des Adels in der Versammlung aber verzichteten, ehe es zu spät sein konnte, auf ihre Vorrechte, worauf nach amerikanischem Muster die Menschenrechte erklärt wurden: das Recht auf Freiheit, Eigen tum, Sicherheit, Widerstand gegen Unterdrückung. Die Verfassung des Jahres 1790 stellte nach dem Prinzip der Gewaltenteilung dem König ein gesetzgebendes Parlament zur Seite. Geschworenengerichte und Zivilehe wurden eingeführt, der Adel abgesehafft. Das Volk beruhigte sich aber nicht mit diesen Errungenschaften. Man mißtraute dem König, der auf Hilfe von außen hoffte. In der Volksvertretung und im ganzen Lande war eine Radi kalisierung zu spüren. Als Österreich und Preußen, von den Emigranten angestachelt, sich gegen die Revolution in Frankreich erklärten, zwangen die Minister den französischen König zur Kriegserklärung. Als die Armee der Verbündeten 1792 bis in die Champagne vorstieß, erhoben sich die Massen gegen den König, den sie des Landesverrats bezichtigten. LudwigXVI. wurde abgesetzt und später hingerichtet. Frankreich wurde Republik. Als bald begann in Paris und im ganzen Lande eine Schreckensherrschaft der radikalen „Jakobiner“, so genannt nach ihrem Klublokal, einem alten Ja kobinerkloster. Das Fallbeil, die Guillotine, unter der der König geblutet hatte, arbeitete rastlos. Endlich aber gelang es den Gemäßigten, den Dik tator Robespierre zu stürzen, Aufstände der Massen von Paris zu unterdrük- ken und das Land in ruhigere Bahnen zu lenken. Den entscheidenden Sieg in den Straßen von Paris erfocht 1795 General Napoleon Bonaparte. Auf die Nachricht von der Hinrichtung des Königs hatte sich halb Eu ropa zu einer Koalition gegen Frankreich vereinigt. England begann den Vernichtungskrieg gegen Frankreich auf See und in den Kolonien. Nachdem die französische Armee auf der Verfolgung der abziehenden Angreifer 1792 schon bis Mainz und Frankfurt gekommen war, wurde Frankreich im nächsten Jahr noch einmal mit Vernichtung bedroht. In dieser Gefahr wurde das Volk bewaffnet. Der geniale Carnot stampfte ein Heer nach dem andern aus dem Boden. Unaufhaltsam überfluteten sie als Befreier die Nachbarländer, die Niederlande, das Rheinland. Preußen zog sieh 1795 aus dem Kampf zurück, um bei der dritten Teilung Po lens mitwirken zu können. Norddeutschland wurde neutralisiert. Die ganze Wucht des französischen Angriffs richtete sich gegen Österreich. Es wurde, in Süddeutschland zwar siegreich, dennoch durch den glänzenden Siegeszug Bonapartes durch Oberitalien zum Frieden gezwungen, wo bei es im geheimen der Abtretung des linken Rheinufers zustimmte. Der Sieger Bonaparte versuchte England mit einer Expedition nach Ägyp ten zu treffen. Als eine neue europäische Koalition Frankreich erfolgreich angriff, eilte er nach Paris zurück, stürzte die Regierung und ließ sieh zum „ersten Konsul“ Frankreichs machen. Dann wandte er sich gegen die Österreicher und besiegte sie in Italien völlig. Im Frieden von Lun- ville 1801 behielt Frankreich tatsächlich das linke Rheinufer.