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DIE GRÜNDUNG DER VEREINIGTEN STAATEN Die ersten dauernden Siedlungen im englischen Interessengebiet an der Ostküste Nordamerikas stammen aus den ersten Jahren des 17. Jahrhun derts. Sie wurden durch eine Handelsgesellschaft angelegt und blühten rasch auf, als sie im Tabaksanbau eine lohnende Erwerbsquelle fanden. Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts wirkte jede Erschütterung im Mut terlande auf das Wachstum der Kolonien zurück. Die gerade Verfolgten, mochten es nun Mitglieder religiöser Sekten oder der politischen Opposi tion sein, wanderten aus und gründeten jedesmal eine neue, unabhängige Ansiedlung. Die reinen Kalvinisten oder Puritaner gründeten Boston an der Massachusetts-Bai; es folgten Quäker, Mcnnoniten, schottische An hänger der Stuarts, bedrückte irische Katholiken. Selbständige Niederlas sungen der Holländer wurden unterworfen, aus ihrem Neu-Amsterdam wurde New York. Die meisten Kolonien wollten von der englischen Re- gierung nichts wissen; Massachusetts trotzte offen dem König. Der Staat wiederum kümmerte sich nicht viel um die jungen Siedlungen. Erst im 18. Jahrhundert, nachdem England den Franzosen die Küsten von Kanada abgenommen hatte, begann die wirtschaftliche Erfassung der Kolonien durch das Mutterland. Sie sollten nur Rohprodukte liefern und alle Fertig waren von England und niemand anderem beziehen. Jeder Handel mit anderen Staaten war verboten. Das sind die allgemein angenommenen Grundsätze der Wirtschaftspolitik des 17. und 18. Jahrhunderts, des Mer kantilismus. Aber sie waren gegenüber den an große Freiheit gewöhnten Neuengland-Kolonien schwer durchzuführen. Die Kaufleute und Reeder der Städte fühlten sieh von der Politik der Regierung in London besonders betroffen. Infolge äußerer Verwicklungen verschärfte sich die Lage noch mehr. Die Franzosen hatten nördlich und südlich der englischen Kolonien Fuß gefaßt; am unteren Mississippi war Louisiana entstanden, genannt nach Ludwig XIV., mit der Stadt Neu-Orleans; im Norden zogen sie am St. Lorenzstrom aufwärts an die großen Seen. Der starke Rückhalt am Mutterland, die zielbewußte französische Politik gestatteten eine schnelle Ausdehnung. Die Pelzjäger Kanadas drangen viel schneller ins Innere als die englischen Ackerbauer; so überflügelten die Franzosen von Norden und von Süden die englischen Besitzungen und reichten sieh in deren Rücken, im Ohio-Tal, die Hand. Gegen diese Abschnürung vom Inneren eröffneten die englischen Kolonisten 1755 den Kampf, wodurch England bewogen wurde, sieh in Europa mit Friedrich dem Großen zu verbünden und am Siebenjährigen Krieg teilzunehmen. Im Frieden mußte Frankreich seine ganzen nordamerikanisehen Besitzungen an England abtreten. Dieses be gann jetzt, die Kolonien zur Deckung der Kosten heranzuziehen, die ihre Verwaltung und Verteidigung verursachten. Die Indianer waren von den Franzosen aufgehetzt worden und bildeten eine ständige Bedrohung der Siedlungen, die sich bisher ihrer allein erwehrt und ihnen mit List und mit Branntwein ein Stück Land nach dem andern abgenommen hatten. Das Parlament in London legte also Amerika Steuern und Zölle auf, ohne die Kolonien zu fragen und erbitterte die Kolonisten hierdurch und durch die handelspolitische Bevormundung dermaßen, daß sie den Boykott über das Mutterland verhängten und sieh 1775 bewaffnet erhoben. Ausgangs punkt war Boston und Massachusetts, das stets der Herd der Opposition gewesen war. Dem König wurde wegen tyrannischer Übergriffe der Ge horsam aufgesagt. Als unveräußerliche Menschenrechte wurden Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit erklärt; das Recht wurde beansprucht, eine schädliche Regierungsform zu ändern; denn die recht liche Macht jeder Regierung hänge von der Zustimmung der Regierten ab. Diese berühmte Erklärung der Menschenrechte leitete die Unabhängig- keitserklärung vom 4. Juli 177G ein. George Washington trat an die Spitze des Heeres, das ihm der preußische Major Steuben organisieren half. Frankreich, das nur auf die Gelegenheit zur Rache wartete, ließ sich infolge der amerikanischen Erfolge von Benjamin Franklin zur Hilfe leistung gewinnen. So gelang es den aufständischen dreizehn Kolonien, schließlich Sieg und Anerkennung der Selbständigkeit zu erreichen. Schon vor der Erhebung waren mehrfach Abwehrmaßnahmen gegen Übergriffe der Regierung gemeinsam auf Kolonialkongressen beraten worden. Wäh rend des Krieges schlossen sich die dreizehn Staaten 1775 zu einer „ewigen Union“ zusammen. Aber sie blieben ein loser Staatenbund, der nur durch die Notwendigkeit gemeinsamen Kampfes zusammengehalten wurde. Erst die Verfassung von 1787 begründete den heutigen Bundesstaat, indem sie im Präsidenten und im Kongreß eine starke Zentralgewalt schuf. George Washington wurde der erste Präsident.