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FRIEDRICH DER GROSSE Preußen war auch nach seiner Rangerhöhung zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch keineswegs unter die Großmächte zu zählen. Der Staat bestand aus vielen einzelnen Ländern, die nur vom gemeinsamen Herrscher zusammen gehalten wurden. Der erste König verstand wohl zu ernten, was sein größe rer Vater, der Große Kurfürst, gesät hatte; aber in seiner neuen Stellung erschöpfte er sieh in Äußerlichkeiten. Der Staat verkam zusehends. Sein ihm sehr unähnlicher Sohn Friedrich Wilhelm I. fuhr mit eisernem Besen in die Mißwirtschaft hinein. Er war einfach, nüchtern, derb und hausväter lich, und so war auch seine Regierung. Er kannte nur Arbeit, und als Erholung sein Tabakskollegium, seine Soldaten. Ganz anders war sein Sohn geartet. Aber er zeigte sich, als er 1740 als Friedrich II. den Thron bestieg, seiner Aufgabe voll gewachsen. Er übernahm vom Vater einen gefüllten Staatsschatz, eine geschulte Beamtenschaft, ein schlagfertiges Heer. Zugleich mit ihm hatte in Österreich, Böhmen, Ungarn und deren Nebenländern Maria Theresia die Herrschaft angetreten. König Friedrich machte sofort alte Ansprüche auf Schlesien geltend und besetzte das Land. Die Verstimmung dreier Generationen gegen Wien, das schon den Großen Kurfürsten oft getäuscht hatte, machte sich jetzt Luft. Maria Theresia war von allen Seiten angegriffen und konnte den Verlust Schlesiens nicht verhindern. Verschmerzt hat sie ihn nie. Die beiden größten Herrscher- Persönlichkeiten Deutschlands im 18. Jahrhundert haben ihr Leben lang einander in Abneigung gegenüber gestanden und noch manchen blutigen Kampf um die strittige Provinz ausgefoehten. Damals nahm das deutsche Schicksal, der Dualismus Österreich-Preußen, seinen Anfang. Nach den ersten Erfolgen Friedrichs II. im Felde stand Preußen als die erste Macht im Reiche neben Österreich da. Es war in die Reihe der europäischen Groß mächte eingetreten, viel umworben und noch mehr mit Mißgunst betrach tet. Friedrich der Große, wie man ihn jetzt bewundernd nannte, hatte seine Ruhmsucht gesättigt und die Stellung, die er als preußischer König be anspruchte, erhalten; nun wandte er sich ganz der Regierung seiner Staaten zu. Seine erste Sorge galt der Verbesserung der Justiz. Unter ihm wurde das Allgemeine Landrecht, das dann bis 1899 in Preußen gegolten hat, zusammengestellt. In der Wirtschaft folgte er den Lehren des Merkantilis mus: er förderte vor allem das Gewerbe, machte neue Industrien im Lande heimisch, hob durch Einwanderung die Bevölkerungszahl. Wie der Große Kurfürst die französischen Protestanten, wie sein Vater die Salzburger auf genommen hatte, so zog er Kolonisten aus aller Welt ins Land und siedelte sie an, vor allem in den jetzt urbar gemachten Brüchen der Oder, Warthe und Netze. Die Wasserstraßen wurden ausgebaut. Alle diese Arbeiten wur den noch einmal jäh unterbrochen, als Friedrich der Große sieh im Sieben jährigen Krieg gegen die gewaltige Übermacht seiner Nachbarn zu ver teidigen hatte, die nichts weniger als die Beschränkung seines Staates anf die Mark Brandenburg beabsichtigten. Er kam ihnen mit blitzschnellem Angriff zuvor und bewährte sich in dem verzweifelten Ringen als der ge nialste Feldherr seines Jahrhunderts. Die Erschöpfung Österreichs und ein Regierungswechsel in Rußland verschafften ihm schließlich einen Frieden, in dem alles beim Alten blieb. Aber das Land hatte entsetzlich gelitten. Noch dreiundzwanzig Jahre lang - er starb 1786 - war es dem König vergönnt, die Friedensarbeit fortzusetzen, das Zerstörte aufzubauen und Neues zu schaffen. In der ersten Teilung Polens gewann er Westpreußen und damit die Landverbindung zwischen den zwei Hauptteilen seines Staates. Fortan konnte er sich König „von“ Preußen nennen. Aus dem übermütigen jungen König, der den ersten Schlesischen Krieg vom Zaun brach und sich in seinem Sanssouci mit Philosophen und Künstlern umgab, war inzwischen ein leidgestählter, verbitterter Greis geworden, der nichts mehr wünschte, als seinem Lande den Frieden zu erhalten. Der „Alte Fritz“, zu dem ganz Deutschland bewundernd aufsah, vergrub sich in Arbeit und Einsamkeit. Auch er war noch ein absoluter Fürst wie der erste König. Aber hatte Ludwig XIV. gesagt: „der Staat bin ich“, so hieß es jetzt: „der König ist der erste Diener seines Staates“. Das Landesvaterideal trat in den Vorder grund. Die hervorragendsten Vertreter dieses „aufgeklärten Absolutismus“ sind außer Friedrich dem Großen: in Österreich Kaiser Joseph II., in Ruß land Katharina II., die das Werk Peters des Großen weiterführte und Ruß land zum mächtigsten Staat des europäischen Festlandes machte. Von den Herrschaften der deutschen Kleinstaaten aber darf Herzog Karl August von Sachsen-Weimar nicht ungenannt bleiben, der mit seinem Minister Goethe im Kleinen versuchte, was die andern im Großen unternahmen. Er führt uns schon in eine neue Zeit hinüber.