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DAS ZEITALTER LUDWIGS XIV. Unter Heinrich IV., der die Religionskriege beendete, wurden in Frank reich Verwaltung und Finanzen geordnet. Der König bemühte sich um den Wohlstand des Landes und wurde so der volkstümlichste französische König. Von ihm wird der Ausspruch überliefert, jeder Franzose solle Sonn tags sein Huhn im Topf haben. Eine zielbewußte Außenpolitik wurde auf genommen. Im 17. Jahrhundert stieg Frankreich im Kampf mit den Habs- bürgern in Österreich und Spanien zur ersten Macht Europas auf. Diese Entwicklung ist mit den Namen der beiden großen Minister, der Kardinale Richelieu und Mazarin unzertrennlich verknüpft. Seit 1661 setzte König Ludwig XIV. das Werk dieser beiden Staatsmänner im Innern und nach außen fort. Alle Widerstände gegen die wachsende Königsmacht, vor allem von Seiten des Hochadels, waren gebrochen. Reichsstände wurden nicht einberufen. Der König regierte völlig nach persönlicher Willkür durch seine Minister. In sieh sah er die Verkörperung des Staates, seine Wünsche kannten kerne Hindernisse und keine Rücksichten. Der Ruhm einer sicht bar blühenden Wirtschaft und glänzender außenpolitischer, vor allem kriegerischer Erfolge gehörte ihm, dem unumschränkten Herrscher. Die Steigerung der fürstlichen Gewalt ist eine damals allgemein europäische Erscheinung. So typisch ist dieses absolute Königtum für die Zeit, daß man sie auch das Zeitalter des Absolutismus nennt. In der ersten Regierungs hälfte Ludwigs XIV. erlebte Frankreich einen raschen Aufschwung in Handel und Gewerbe. Dies brachte das Wirtschaftssystem der Zeit mit sich, der sogenannte Merkantilismus. Man sah im Edelmetallvorrat den Reich tum des Staates. Um das Gold ins Land zu bekommen, wurde die Ausfuhr mit allen Mitteln gesteigert, die Einfuhr durch Zölle und Versuche, alles selbst zu erzeugen, gedrückt. Der Staat bevormundete die Privatwirtschaft. Was man nicht im Lande hatte, bezog man aus eigenen Kolonien. So wid mete der Staat der Flotte und den überseeischen Besitzungen die größte Fürsorge. Die Franzosen breiteten sich in Nordamerika, Westafrika und Indien aus. Die Finanzen wurden geordnet und neue Geldquellen durch unerhörtes Anziehen der Steuerschraube erschlossen. Das Stiefkind des Wirtschaftssystems und die Hauptsteuerzahler waren die Bauern. Der Hof des Königs, die gewaltigen Bauten, vor allem das Schloß von Versailles, verschlangen Unsummen. Ludwig XIV. hatte das Bedürfnis, seine könig liche Majestät in Prunk und Pracht aller Welt vor Augen zu führen. Der Hof des „Sonnenkönigs“ blendete ganz Europa. Überall wurde das Bei spiel Frankreichs nachgeahmt, je kleiner der Hof war, desto genauer und lächerlicher. Neugierige und Bewunderer aus allen Ländern eilten nach Versailles. Auch die Blüte von Kunst und Wissenschaft sollte den Ruhm des Königs verkünden. Künstler aller Art wurden daher unterstützt. Die Zeit Ludwigs XIV. wurde das klassische Zeitalter der französischen Literatur. Neben dem Hof benötigte das Heer Geld in stets wachsendem Maße. Die Regierung des Sonnenkönigs ist eine Reihe von Eroberungskriegen gegen die schwachen Nachbarn Frankreichs. Aus Ruhmsucht und Ländergier des Königs unternommen, wuchsen sie fast jedesmal zu einem allgemein europäischen Kriege aus, da sieh die Mächte gegen den unruhigen, über mütigen Angreifer zusammentaten. Immer deutlicher wurde das Drängen Frankreichs an den Rhein, das schon im Dreißigjährigen Krieg begonnen hatte. Stüek auf Stüek wurde von dem machtlosen Körper des Deutschen Reichs losgerissen. Die Seele des Kampfes gegen Ludwig XIV. war Wilhelm von Oranien. Dem Kaiser lagen nämlich seine habsburgischen Interessen näher. Im Kampf mit den Türken dehnte er seine Besitzungen immer wei ter nach Südosten aus und verschob den Schwerpunkt seiner Macht aus Deutschland fort. Erst als es um die spanische Erbschaft ging, nahm er den Kampf mit Frankreich energisch auf und erreichte auch im Bunde mit England, daß wenigstens die Niederlande und die italienischen Besitzungen Spaniens nicht an die Bourbonen kamen. - Als zweite deutsche Ostmaeht erhob sich in der Zeit Ludwigs XIV. Brandenburg. Auch dieser Staat war mit sich beschäftigt. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm erschien zwar mit seinem ncugeschaffenen stehenden Heer am Rhein. Hauptsächlich aber widmete er sich dem inneren Ausbau seines Staates und dessen Siche rung gegen Osten. Überdies schickte ihm Frankreich die Schweden ins Land, wie es gegen den Kaiser die Türken aufhetzte. Vor allem bemühte sich der Große Kurfürst um die Hebung der Landeskultur, zog Holländer ins Land und nahm die französischen Protestanten auf, die nach der Auf hebung der Religionsfreiheit 1685 aus Frankreich flohen. So entstanden in den Städten, vor allem in Berlin, französische Gemeinden.