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REFORMATION UND GEGENREFORMATION Das Papsttum hatte durch seinen Sieg über das Kaisertum im 13. Jahr- hundert die Höhe der weltlichen Macht erstiegen und darüber seine geist liche Aufgabe zu vernachlässigen begonnen. Im 14. Jahrhundert war es eine Geldmacht geworden, im 15. schien die Renaissance in Italien ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen. In den Einheitsstaaten des Westens, England, Frankreich und Spanien, drängte die starke königliche Gewalt über die Kirche die päpstliche zurück. Die Päpste suchten Ersatz an der Stelle des geringsten Widerstandes, im zersplitterten Deutschland. Hier, wo ein Drittel des Landes geistlicher Besitz war, eröffneten sie sich eine gute Geldquelle. Die italienischen Wirren und der Bau der Peterskirche in Rom steigerten den Bedarf ins Ungeheure. Warnende Vorzeichen wurden überhört und die Ansprüche überspannt. Im ganzen späteren Mittelalter hat es religiöse Bewegungen gegen Rom gegeben. Der Ruf nach Reform ist früh erhoben worden. So verschieden die Meinungen über die weltliche Stellung des Papstes waren, einig war man in dem Wunsch, die Kirche wieder innerlich zu beleben. Die unbe friedigten religiösen Bedürfnisse trieben schließlich in Deutschland zu offe ner Auflehnung gegen die Kirche. Der freiere Geist der Zeit lehnte die Abhängigkeit von Rom ab, als von dort keine Reform kam. Martin Luther, ein Augustinermönch und Professor in Wittenberg, erhob 1517 seine Stim me gegen die Mißbräuche und lehnte bald die ganze kirchliche Form der christlichen Glaubenslehre ab. Er ging auf die Bibel, die er aus dem La teinischen übersetzte, zurück, vereinfachte und verinnerlichte das religiöse Leben. Er entfachte eine geistige Volksbewegung in Deutschland, der sich Kaiser Karl V. vergebens entgegenstellte; weder päpstlicher Bann noch kaiserliche Acht wirkten noch. Die Anhänger Luthers unter den deutschen Fürsten protestierten gegen die Maßregeln des Kaisers; danach erhielten sie den Namen Protestanten. In wenigen Jahren waren neun Zehntel von Deutschland der neuen Lehre zugefallen, ferner Schweden und Dänemark. In Westeuropa fand die Reformation in der Form des Kalvinismus Ein gang, der von Zwingli in Zürich begründet, vom Franzosen Kalvin in Genf ausgebildet wurde. Diese Richtung verbreitete sich als „reformierte Kirche“ hauptsächlich in Frankreich, den Niederlanden und Schott land. Während in Deutschland die protestantischen Fürsten die Unter- drüekungsversuche des Kaisers vereitelten, konnte dieser in seinem eigenen Lande, den Niederlanden, die Verfolgung der neuen Lehre ungehindert durchführen. Auch in Frankreich hatte das starke Königtum alle Macht mittel gegen die Kalvinisten in der Hand. Aber seine Maßregeln konnten das Umsichgreifen des neuen Glaubens hier nicht hindern. In Spanien war an dessen Festsetzung gar nicht zu denken. Von hier ging der Gegenstoß der alten Kirche aus; die spanische Reformrichtung gewann das Papsttum; Spanien stellte der Kirche in dem 1534 gegründeten Jesuitenorden eine her vorragende Kampftruppe. Kirchliche Mißbräuche wurden abgeschafft, die Glaubenssätze festgestellt; der Papst faßte die katholisch gebliebene Welt fest zusammen. Alsbald begann überall das große Ringen. In Deutschland mißlang ein letzter Versuch Karls V., das Land der katholischen Kirche wiederzugewinnen. Man mußte mit einer langsamen, zähen Rückeroberung beginnen. Ebenso ging die katholische Kirche in Polen und Südosteuropa vor. In Frankreich und in den Niederlanden aber brach infolge der starken, katholischen Zentralgewalt der offene Kampf los. Als in Frankreich nach vorübergehender Duldung der Kalvinisten oder Hugenotten die Bedrückung wieder begann, griffen diese zu den Waffen und wehrten sich. Die religiösen Leidenschaften gaben dem Krieg einen be sonders grausamen Charakter. Vertragsbruch, Meuchelmord, Niedermetze- lung Andersgläubiger waren an der Tagesordnung. Beide Gegner suchten und fanden Hilfe im Ausland, die Hugenotten in Deutschland, die katho lische „Liga“, der der eigene König zu lau war, beim Landesfeind Spa nien. Nach der Ermordung Heinrichs III. durch einen Fanatiker war der Protestant Heinrich von Navarra, aus der Linie Bourbon des französischen Königshauses, Thronerbe. Und wenn er auch katholisch werden mußte, um sich durehzusetzen, - er fand, Paris sei eine Messe wert, - so ver dankten ihm die Protestanten doeh das Edikt von Nantes, das ihnen freie Religionsübung in bestimmten Landesteilen und Städten sicherte, gleiche bürgerliche Rechte mit den Katholiken gewährte und Sicherheitsplätze überließ. Damit waren sie als ein Staat im Staate anerkannt. König Hein rich IV. stellte so Ruhe und Einigkeit im Lande wieder her.