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OBERITALIENISCHE KRIEGE Kaum hatte Frankreich nach seinen Kriegen mit England und Burgund Ruhe im Innern gefunden, da beschritt es auch schon den Weg der Er oberungen. Fadenscheinige Erbansprüche mußten dazu herhaltcn, um die Könige in Italien Fuß fassen zu lassen. Wie ein Gewitter brach der Fran zoseneinfall des Jahres 1494, der sieh gegen Neapel richtete, über das blühende, ruhige Italien herein. In kürzester Zeit ging im Lande aMes drunter und drüber. Nach dem Erscheinen der Franzosen ließen auch die Spanier nicht auf sich warten, und mancher italienische Fürst, vor allem der Papst Alexander VI., suchte dabei im Trüben zu fischen. Sein Sohn Cäsar Borgia brachte sich durch Mord und Krieg einen mittelitalienischen Staat zusammen. Papst Julius II. verjagte ihn aber und setzte sich dann die Vertreibung der Fremden aus Italien zum Ziel, das er gegen die Fran zosen auch erreichte. Die Spanier aber behielten Unteritalien. Das ganze Land hatte schwer gelitten, unersetzliche Kunstschätze waren verloren ge gangen. Für Rom wenigstens suchte der Papst eine neue Blüte heraufzu führen; er schmückte die Stadt mit großartigen Bauten und zog die be deutendsten Künstler des Landes an seinen Hof. Sein Nachfolger Leo X., aus der Florentiner Familie der Medici, setzte diese Bestrebungen fort. Die Befreiung Italiens war aber nur von kurzer Dauer. Nach kaum einem Jahr standen die Franzosen wieder in Oberitalien, und diesmal konnten auch die sonst stets unbesiegten Schweizer nichts gegen sie ausriehten. Nach einer schweren Niederlage gingen diese zu ihnen über. Die Schweizer Lands knechte, die in allen Heeren zu finden waren, galten als die hervorragend sten Soldaten ihrer Zeit. Dazu waren die friedlichen Bewohner der Alpen im Abwehrkampf gegen die Habsburger in Österreich, die sie unterwerfen wollten, geworden. Die Schweizer wollten reichsfrei sein und keinen frem den Vögten gehorchen. Die Wilhelm Teil-Sage, die Schiller zu einem Schau spiel verarbeitet hat, erzählt vom Freiheitskampf dieser Söhne der Berge. Um die drei Urkantone am Vierwaldstätter See erwuchs allmählich die Schweizer Eidgenossenschaft zum heutigen Umfang. Noch zuletzt hatte sie sich gegen die Burgunder behauptet. Die junge Mannschaft, die in den kargen Bergländern nicht genug Nahrung fand, trug den Ruhm des Schwei zer Namens aueh nach Italien und verblutete auf den Schlachtfeldern dieses Landes. In jener Zeit änderte sich das Gesicht Europas entscheidend. Im Westen erreichte die Ausbildung der drei Nationalstaaten England, Frankreich und Spanien einen Abschluß. Diese waren jetzt fähig zu großen weitreichenden Unternehmungen. Kaiser und Papst trieben Familien politik, die Hausmacht des Kaisers und der Kirchenstaat waren auch nur noch Einzelstaaten und bestimmten die Politik ihrer Besitzer. Der Kampf um Italien wuchs zum allgemeinen europäischen Ringen aus, als König Franz I. von Frankreich in Kaiser Karl V. einen ebenbürtigen Gegner fand. Der junge Karl war aueh König von Spanien und Neapel, besaß als Habs burger Österreich und die Niederlande und konnte so Frankreich von allen Seiten angreifen. Trotzdem machte ihm der zähe Franzose über zwanzig Jahre zu schaffen. Spanische Reiter und deutsche Landsknechte gaben den Heeren Karls eine furchtbare Schlagkraft, der die Schweizer im Solde Frankreichs nicht widerstehen konnten; so wurde Franz I. sogar einmal in der Schlacht gefangen genommen. Kaum auf freien Fuß gesetzt, fing er aber von neuem an. Der Weltgegcnsatz zwischen den Habsburgern und Frankreich hielt Europa bis ins 18. Jahrhundert in Atem. Der Hauptleid tragende war zunächst Italien, das stets Kriegsschauplatz blieb. Der Papst erfreute sieh in Deutschland geringer Beliebtheit, vor allem, weil immer das in sieh schwache Deutschland das Geld für den Riesenbedarf der Päpste hergeben mußte. So verfuhren die deutschen Landsknechte nicht gerade milde mit dem päpstlichen Gebiet. Als sie einmal ohne Sold blieben, erstürmten sie kurzerhand Rom und plünderten es aus. Wieder wurden große Kunstschätze vernichtet. Das Ergebnis des blutigen Ringens war am Ende der Regierung Kaiser Karls V., daß er Mailand, Neapel und die Niederlande, Frankreich aber Burgund behielt. Das Reich Karls V. war ein Machtkoloß, den die geschickte Heiratspolitik der Habsburger zusammen gebracht hatte und zu dem noch die reichen amerikanischen Besitzungen Spaniens hinzukamen. Kaiser Karls Bruder und Nachfolger in Deutsch land Ferdinand erheiratete auch noch Ungarn und Böhmen. Nur die deutschen Fürsten ließen sieh ihre Freiheiten nicht nehmen. In Deutschland mußte sich der Kaiser nach vergeblichen Versuchen, sie zu unterwerfen, mit einer bloßen Oberherrschaft begnügen.