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DAS RÖMISCHE REICH Die Geschichte Europas im Altertum ist die Geschichte des Mittelländischen Meeres. Die großen Reiche des Ostens, Ägypten, Assyrien und Babylonien, von deren hoher Kulturblüte noch so viele Reste erzählen, waren nach jahrhundertelangem Bestehen zerfallen, ohne auf die europäischen Nach barn nachhaltigen Einfluß geübt zu haben. Erst nach ihrem Ende im 6. Jahrh. v. Chr. trat die griechische Welt in das helle Licht der Geschichte. Die Griechen brachten es jedoch zu keiner großen Staatenbildung. Philo sophie und Dichtkunst, Bau- und Bildhauerkunst sind es, die ihren Namen unsterblich gemacht haben. Diese kulturellen Leistungen allein haben in der Geschichte fortgewirkt. Der Schwerpunkt des politischen Lebens ver schob sich noch einmal nach dem Osten, als im 4. Jahrh. v. Chr. Alexander der Große von Makedonien das Perserreich zerstörte und seine Herrschaft bis an die Grenzen von Indien ausdehnte. Griechische Kultur eroberte das ganze Gebiet und erreichte hier eine späte Blüte. Aber gleichzeitig bildete sich eine neue Macht auf der italienischen Halbinsel. Die Stadt Rom, erst eine Stadtrepublik wie viele andere, unterwarf sich nach und nach ganz Italien. In diesem Staat trat der Künstler und Philosoph vor dem Soldaten und dem Beamten zurück. Es sind Geschichtsschreiber, Redner, Juristen, denen wir den charakteristischsten Teil der römischen Literatur verdanken. Hier entstand ein festgefügter Einheitsstaat, in dem man über den inneren Parteikämpfen zwischen Patriziern und Plebejern nicht das zielbewußte Handeln nach außen vergaß. Das Übergreifen nach Sizilien führte zum Zusammenstoß mit den seefahrenden Puniern, die von ihrer im heutigen Tunis gelegenen Stadt Karthago aus das ganze Mittelmeer beherrschten. In zwei schweren Kriegen, in deren Verlauf der Karthager Hannibal sogar vor Rom erschien, wurde der Gegner bezwungen. Das Ergebnis dieser Zeit um 200 v. Chr. war die Angliederung der Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika sowie Oberitaliens. Im siegreichen Rom hielt jetzt griechische Bil dung und Kunst ihren Einzug, während die Römer sich nach Osten wandten und die griechische Welt unterwarfen. In den letzten Jahren der Republik umfaßte das Römische Reich alle Länder um das Mittelländische Meer. Es war in Provinzen geteilt, die streng zentralistisch von Rom aus verwaltet wurden. Hier lag die Regierungsgewalt in der Hand des Senats und zweier Konsuln mit einjähriger Amtszeit, die auch die Befehlshaber des Heeres wa ren. In Zeiten der Not übertrug man die höchste Gewalt einem Diktator. Daneben kam auch vor, daß ein Einzelner die Herrschaft eigenmächtig für einige Zeit an sich riß. So konnte sich Julius Cäsar, gestützt auf seinen Ruhm als Eroberer Galliens, sogar zum ständigen Alleinherrscher machen. Er ordnete das ganze Staatswesen neu, wurde aber von Unzufriedenen ermor det. Der von ihm eingeführte verbesserte Kalender wird nach ihm der Julianische genannt, und der Monat Juli trägt seinen Namen. Sein Bei name Cäsar wurde zum Begriff: der Kaiser. Von einem Kaiserreich spre chen wir aber erst vom Jahre 31 v. Chr. an, nachdem Augustus Allein herrscher geworden war. Doch änderte er die Verfassung nur wenig. Die Kaiser vergrößerten das Reich weiter. Am folgenreichsten war die Aus dehnung der römischen Herrschaft bis zum Rhein, die Cäsar angebahnt hatte. Im römischen Germanien entstanden Römerstädte und Römer straßen; der Limes d. h. Grenzwall schloß cs gegen die freien Germanen ab und bezog auch das heutige Hessen, Baden, Württemberg und Ober bayern in den römischen Herrschaftsbereich ein. Kriegszüge wurden bis zur Weser unternommen. Auf einem solchen vernichtete der Cherusker Arminius im Teutoburger Walde ein römisches Heer unter Varus. Die Kaiser wurden vom Senat oder von den Prätorianer-Garden erhoben und oft auch gestürzt und ermordet. Erst um 300 n. Chr. wurde ihre Macht unbeschränkt; zu gleicher Zeit hörte Rom auf Residenz zu sein und wurde das Reich zu Verwaltungszwecken in eine westliche und eine östliche Hälfte unter je einem Herrscher geteilt. Unterdessen hatte sich das Christentum allmählich ausgebreitet. Keine Verfolgungen konnten seinen Siegeszug hem men. Im Jahre 315 gewährte ihm Konstantin der Große Duldung, kurz darauf wurde es Staatsreligion. Der Schwerpunkt des Reichs hatte sieh nach Osten verschoben, wo Byzanz, nach dem Kaiser Konstantinopel ge nannt, bald die wichtigste Stadt wurde. Zur Ruhe kam das Reich nicht mehr. Schon seit langem konnten die Grenzen nur mit Mühe gegen den Ansturm der Perser im Osten, der Germanen im Norden behauptet werden. Die Zweiteilung, die 395 vollständig und endgültig wurde, trug nicht dazu bei, das Reich für den beginnenden Sturm zu stärken.