Volltext Seite (XML)
Bruckners teils breit dahinströmende, teils rhapsodische lyrisch-epische Grundhaltung, die so viele seiner langsamen Sätze kennzeichnet, wird auch zu Beginn der „Siebenten" spürbar. Das Hauptthema des ersten Satzes (Allegro moderato), das man schlechthin „das" Brucknerthema nennen kann, steigt ruhig auf aus Streicher-Tremolo, über zwei Oktaven hin. Cello und Horn stimmen es an, Bratschen und Celli führen es fort. Max Dehnert nannte dieses Thema treffend „die Geburt der Melodie aus dem Geiste der Harmonie". Das zweite Thema, das an Gesanglich- keit dem ersten kaum etwas nachsteht, wandert von den Holzbläsern, von Oboe und Klarinette, zu den Violinen. Das „Erlebnis des Ergriffenseins von überwältigender Schönheit und Erhabenheit" (G. Knepler) scheint sich in diesen Tönen auszudrücken. Die Feierlichkeit der Stimmung wird durch die aufsässig-tänzerischen Rhythmen des dritten Themas unter brochen, bis dann die Durchführung wieder mit dem feierlichen Haupt thema (Posaunen) beginnt. Nach kunstvollster kontrapunktischer Verar beitung der Themen leuchten sie in der Reprise alle nochmals großartig auf. Die Coda schließt mit dem klangprächtig gesteigerten Hauptthema. Am zweiten Satz, einem feierlichen und erhabenen Adagio, arbeitete Bruckner, als Richard Wagner, der von ihm so Verehrte, in Venedig krank darniederlag. Eine bange Ahnung hatte ihn befallen. Dem Dirigenten Felix Mottl schrieb er: „Einmal kam ich nach Hause und war sehr trau rig; ich dachte mir, lange kann der Meister unmöglich mehr leben, da fiel mir das cis-Moll-Adagio ein." Bruckner hatte den Satz bis zum Forte- fortissimo in C-Dur komponiert, als Wagner (am 13. Februar 1883) in Ve nedig starb. „Sehen Sie", erzählte er dem Musikkritiker Theodor Helm, „genau so weit war ich gekommen, als die Depesche aus Venedig ein traf — und da habe ich geweint, o wie geweint — und dann erst schrieb ich dem Meister die eigentliche Trauermusik". Es ist dies die Coda des Satzes — „zum Andenken an den heißgeliebten, unsterblichen Meister aller Meister". Die Darstellung tiefer Trauer ist der Inhalt des Satzes, doch fehlen auch nicht Züge des Trostes und gläubiger Hoffnung. Das ernste Hauptthema tragen „Wagner-Tuben" (aus dem „Ring des Nibe lungen" übernommene tiefe Blechblasinstrumente) „sehr feierlich" vor. Die trostvolle Streicherstelle entstammt Bruckners gleichzeitig entstan denem „Te deum". Lebenssprühend ist der Charakter des nach klassischem Muster gebauten Scherzosatzes, der auf das entrückte Adagio folgt. Ein fast kämpferisches, trotziges Trompetenthema gibt entscheidende Impulse. Idyllik und wal zerselige Beschaulichkeit herrschen im Trioteil. Nach einer spannenden Generalpause setzt wieder das hastende Scherzo ein. Das Hauptthema des Finales ist aus dem des ersten Satzes abgeleitet, wobei sich das feierliche Pathos jenes Gedanken nunmehr ganz ins Heldische, Kraftvoll-Stürmische gewandelt hat. Das punktierte Thema erscheint in den ersten Violinen zum Tremolo der zweiten Violinen und Bratschen und wird zunächst von den Bässen, dann von den Holzbläsern übernommen. In As-Dur stimmen die Violinen, über monotonem Pizzi- kato der tiefen Streicher, ein eindrucksvolles Choralthema an. Ein mar kanter dritter Gedanke löst kämpferische Auseinandersetzungen aus. Die ausgedehnte Durchführung beginnt wuchtig mit dem Hauptthema. Die großartige Steigerung der Coda, die in einem Orgelpunkt auf E ihren Höhepunkt findet, vermittelt das Bild eines Helden, der sich seiner eige nen Kraft bewußt geworden ist. Nicht grundlos nannte eine Kritik aus dem Jahre 1887 das Werk einen „vom Kopf bis zum Fuß geharnischten Riesen". Künstler- Agentur der DDR Tourneeleitung: Künstleragentur der DDR Redaktion: Dr. phil. habil. Dieter Hartwig Druck: Polydruck lll 913 900 Ag 507/225/78