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MANFRED SCHERZER wurde in Dresden geboren. Er studierte bei seinem Vater und bei Gustav Havemann in Berlin. Bereits 1950 wurde er an die Dresdner Staatskapelle verpflichtet. 1954 bis 1973 wirkte er als 1. Konzertmeister an der Komi schen Oper Berlin und war von 1973 bis 1975 Solist und 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig. Seitdem widmet sich der Künstler ausschließlich seinen umfangreichen solistischen Verpflichtungen (in fast allen europäischen Ländern, in den USA, in Südamerika, Japan und China), seiner Lehrtätigkeit als Professor für Violinspiel an der Hoch schule für Musik „Carl Maria von Weber" Dresden (seit 1976) und als Leiter des von ihm gegründeten Dresdner Kammerorchesters. Besondere internationale Erfolge errang er in New York, Washington, London, Wien, Salzburg sowie beim Dubrovnik-Festival, Flandern-Festival, Maggio Mu sicale Fiorentino, bei den Budapester Festwochen, bei den Dresdner Musikfestspielen und beim Festival in Lyon. 1969 erhielt der Künstler den Preis der Musikkritik in Berlin, 1964 den Kunstpreis und 1972 den National preis der DDR. LUDWIG VAN BEETHOVEN SINFONIE NR. 8 F-DUR OP.93 Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie F-Dur op. 93 entstand während eines Kuiaufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde in Linz, wo der Meister nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beethovens am 27. Februar 1814 in Wien statt, zusammen mit der „Siebenten" und der Frogammsinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria". Bei den Zeitgenossen fand die „Achte" zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore", hieß es in einer kriti schen Stimme nach der Uraufführung. Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genaugenommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Ge- schwisterwerke) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Wer kes. Im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfun gen neue Steigerungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurückwendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendung von sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durch aus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, beschauliche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und ausgelassene Freude charakterisieren das Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Haupt thema beginnende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalk hafter Einfälle und kontrapunktischer Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultarischen Kämpfen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise auf klingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tänzerischen Anfangsthemas. Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezaubernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satz ein Kanon zugrunde, den der Meister in hei terer Laune dem Erfinder des Metronoms, Johann Nepomuk Mälzel, ge widmet hatte; die Sechzehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleich sam das Ticken des mechanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des scherzhaften Satzes. Der 3. Satz (Tempo die Menuetto) erinnert an einen derbkräftigen Volks tanz, im Trio erklingt über Stakkato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klarinetten eine einschmeichelnde, ländleiartige Melodie. Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform ge halten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. übermütige Laune, „grimmiger" Humor äußern sich hier in mancherlei drastischen Einfällen, — so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten tcnartfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissimo im schnellsten Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur- Rcndothema, das dann im Fortissimo-Tufti gebracht wird. Das kontra stierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontrapunktischer Meisterschaft und bewundernswerter Erfindungs gabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, ge staltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abgeschlossen. ALBAN BERG KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER Der österreichische Komponist Alban Beg, in den Jahren 1904 bis 1910 Schüler von Arnold Schönberg, dessen spätere Kompositionsmethode „mit 12 nur aufeinander bezogenen Tönen" in persönlicher Modifizierung Grundlage seines Schaffens wurde, 1930 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannt und 1933 von den Faschisten verfemt und verbeten, schuf mit seiner 1925 von Erich Kleiber an der Berliner Staats oper uraufgeführten Oper „Wozzeck" ein Hauptwerk des musikalischen Expressionismus. Das Violinkonzert vollendete Berg vier Monate vor seinem Tode am Weihnachtsabend 1935 in Wien. Es ist „dem Andenken eines Engels" gewidmet, der 18jährig an Kinderlähmung verstorbenen Manon, Tochter der Witwe des Komponisten Gustav Mahlers aus zweiter Ehe mit dem Bauhausarchitekten Gropius. Der erste Satz des Werkes zeigt das lebensfrohe Kind, der zweite sein Sterben und die „Befreiung vom Tod". Ein tragisches Schiksal wollte es, daß dieses in künstlerischer und menschlicher Einsamkeit geschaffene Opus der „Schwanengesang" des Kom ponisten werden sollte. Die Schatten eines nahen Todes geistern über dem ergreifenden musikalischen Geschehen, in dem sich Programmatisches und Absolutes, Expressives und Konstruktives zu symbolischem Ausdruck verdichten. Bei ernstem, elegischem Grundcharakter, nur episodenhaft kcnzeitant-virtuos aufgelockert, besitzt das Violinkonzert zwei Haupt teile, die in sich nochmals zweigeteilt sind: I. Andante-Allegro, II Allegro- Adagio. Am ehesten vielleicht dringt man in das Wesen des Werkes, in seine Organik ein, wenn man mit der ungewohnten Satzfolge (langsam, lebhaft, schnell, sehr langsam) bildhafte Verstellungen verknüpft: der erste Satz gibt die Anmut und Reinheit, die ungebrochene Laune und Heiterkeit des Kindes wieder, das schon auf seinem Schmerzenslager liegt (Andante), irr Allegro scheint es zu träumen. Im zweiten Satz gestal tet der Komponist die Sterbeszene mit visionärer Eindringlichkeit. Das schmerzhaft zerrissene Allegro schildert das Aufbäumen des kranken Mäd chens gegen den Tod, das Adagio sein Sterben, seine ergreifende „Ver klärung". Für den musikalischen Aufbau des Werkes entscheidend wird das am Beginn und Schluß des Andante erscheinende Quintenmoiiv, das im Allegretto wieder auftaucht, zu Anfang des Allegro von den Streichern und Bläsern „verzerrt" wird und im Schlußakkord des Adagio im gedämpf ten Streicherklang „erlischt". Zu diesem Motiv stehen in engster Be ziehung die Hauptgedanken der einzelnen Sätze, die aus einer zwölf- tönigen Terzenreihe entwickelt werden. Im Allegretto begegnen walzer und ländlerhafte Anklänge, ein Kärntner Volkslied scheint Berg inspiriert zu haben. Der Todeskampf im zweiten Satz (Allegro) wird durch eine erregte Kadenz des Soloinstruments mit Orchesterbegleitung dargestellt. Als eine der großartigsten Stellen empfinden wir - ähnlich dem Ein satz des BACH-Themas in der „Kunst der Fuge" — gegen Ende des zwei ten Satzes, im Adagio, den Eintritt des Bachschen Sterbechorales „Es ist genug" (aus der Kantate „O Ewigkeit, du Donnerwort"), der dann völlig organisch in die Zwölftonstruktur eingefügt wird. Der Gefühlsausdruck dieser Stelle ist einzigartig und weist mit Entschiedenheit auf die Neu artigkeit der Bergschen Tonsprache hin, die, „eine Verschmelzung von Klangfarbe und Harmonik", in „Vergeistigung die musikalischen Elemente neu zusammenfaßt" (Wörner). Der Bach-Choral setzt zuerst in der Solo violine ein (Berg unterlegte ihm die Worte: „Es ist genug, Herr, wenn es dir gefällt, so spann mich doch aus"). Darauf erscheint er — in der originalen Bachschen Harmonisierung! — in den Holzbläsern. Diesem Gesang zwi schen Violine und Holzbläsern folgt eine hymnische Steigerung, die in einem erschütternden, leidenschaftlichen Orchesterausbruch gipfelt. Der Satzausklang — kontrastierend zu dieser Erregung — wirkt verklärt.