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rieh Händels unüberhörbar. Namentlich der Schlußsatz dokumentiert den Prozeß des SJIwandels von der zentralen Aufklärungsepoche zur Frühklassik. Er impliziert einerseits noch Züge traditioneller Concertopraxis, weist aber andererseits durch die Rondoform, Periodenbildungen und Spielfiguren schon Merkmale der früh klassischen Zeit auf. Das im Januar 1776 in Salzburg komponierte Klavierkonzert B-Dur KV 238 ist Wolfgang Amadeus Mozarts zweites Werk dieser Gattung, die er vornehmlich später zu höchster Vollendung geführt hat. Das für sich selbst oder für die Schwester geschriebene Konzert, das stilistisch noch der Klangwelt des Cembalos verpflichtet ist und auf diesem Instrument über zeugend interpretiert werden kann, wie unsere Aufführung demonstrieren möch te, wirkt wesentlich reifer als das erste in D-Dur KV 175 vom Jahre 1773. Zwi schen beiden Konzerten lagen das Concertone für zwei Violinen KV 190 und fünf Violinkonzerte KV 207, 211, 216, 218 und 219. Der Geist dieser Komposi tionen wirkt im Konzert KV 238 spürbar nach, die dreisätzige Form mit ver gnüglichem Schlußrondo ist dieselbe wie bei den Violinkonzerten. Vor allem entspricht die Orchestrierung der Ecksätze (mit zwei Oboen, zwei Hörnern und Streichern) der der Violinkonzerte. In dem gefühlvollen Mittelsatz in Es-Dur, in dem die Violinen con sordino das Hauptthema anstimmen, schlägt Mozart den Weg ein, der zu den farbenreichen Konzerten der Jahre 1784 bis 1791 führen sollte: Er ersetzt die beiden Oboen durch Flöten und erreicht damit den selben koloristischen Effekt wie im Violinkonzert KV 216. Tatsächlich läßt der melo dische Reichtum des Mittelsatzes von KV 238 die Mittelsätze der späteren Konzerte vorausahnen. Hinzuweisen ist auch auf den teils phantastischen, teils leidenschaft lichen Charakter der Harmonik in diesem Konzert, die mit Vorliebe durch Moll tonarten dahingleitet. Mozart hat das Werk offenbar noch später geschätzt, nahm er es doch auf seine große Reise von 1777/78 mit. Die Namensbeilegung des 19. Jahrhunderts hat Joseph Haydns Sin fonie Nr. 55Es - D u r aus dem Jahre 1774 recht bekannt gemacht, wenn gleich ihr Titel „Der Schulmeister" nur auf Äußerlichem beruht und sich dahin ter jedoch keinesfalls, wie man lesen kann, die humorvolle Illustration einer Schulstunde verbirgt. Die beschauliche Gemütlichkeit und Ausgeglichenheit des Werkes soll an dem Titel schuld sein. Doch sei festgestellt, daß die program matische Erklärung hier ihren Sinn verfehlt. Auch die Deutung Heinrich Eduard Jacobs in seinem Haydn-Buch, wonach Haydn sich in der Sinfonie seines gut mütigen, kleinstädtisch-pedantischen „Vetter Schulmeisters" Johann Matthias Franck aus Hainburger Kindheitstagen erinnert hätte, ist eher Dichtung als Wahrheit. Jedenfalls ist für das reizvolle Werkchen die Tatsache bezeichnend, daß die Variation als Mittel inhaltlicher und formaler Konzentration hier eine solche Bedeutung erlangt hat, daß nicht nur der langsame Satz, sondern auch das Finale als Variationenfolge angelegt ist. Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1977/78 - Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Die Einführung in das Werk von G. A. Homilius schrieb Dr. sc. phil. Hans John, Dresden Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna — 111-25-12 0,9 T. ItG 009-33-78 EVP 0,25 M