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Schlichtheit von Dvoraks Gläubigkeit wie euch seiner Sehnsucht noch der Hei mat. Die „Biblischen Lieder" gehören zweifellos zu den vokalen Hauptwerken des tschechischen Meisters, der den ersten fünf Gesängen im Januar 1895 noch eine sparsame, dennoch farbenprächtige Orchesterfassung gab, während er die In strumentation der weiteren fünf Lieder nicht mehr ausführte. In unserer Auf führung erklingen die fünf ersten Lieder in originaler Dvoräkscher Orchester fassung, dazu die Gesänge Nr. 6, 8 und 10 in der Instrumentation von Jarmil Burghauser und Jan Hanus. Erst im Alter von dreiundvierzig Jahren, 1876, vollendete Johannes Brahms seine 1. Sinfonie c-Moll op. 68 und schuf bereits neun Jahre später seine 4. und letzte Sinfonie. Sein sinfonisches Schaffen umspannt also zeitlich gerade ein Jahrzehnt. Aber welch eine Fülle herrlichster Musik, welch eine einzigartige Weite und Wärme musikalischen Ausdrucks verbirgt sich hinter dieser nüchternen Feststellung. Brahms fiel die Auseinandersetzung mit der großen zyklischen Form des 19. Jahrhunderts nicht leicht (allein sein schmerzvolles Ringen um die 1. Sinfonie bestätigt dies: lag der erste Satz be reits 1862 vor, so konnte doch das gesamte Werk erst vierzehn Jahre später vollendet werden). Mit seiner „Ersten" lieferte der Komponist ein hervorragen des Beispiel schöpferischer Aneignung der sinfonischen Tradition eines Beetho ven (dessen „Fünfter" sie an Tiefe des Ausdrucks und Größe der Problemstel lung verwandt ist), Schubert und Schumann. Von dem berühmten Dirigenten Hans von Bülow stammt das bekannte Bonmot, daß Brahmsens „Erste" Beet hovens „Zehnte“ genannt werden könne. Damit ist die musikgeschichtliche Stel lung dieser Sinfonie als bedeutendster sinfonischer Beitrag des 19. Jahrhun derts seit Beethoven klar umrissen. Und nichts anderes stellte auch der gefürch tete Wiener Kritiker Eduard Hanslick fest, als er nach der ersten Wiener Auf führung schrieb: „Mit den Worten, daß kein Komponist dem Stil des späteren Beethoven so nahegekommen sei wie Brahms in dem Finale der ersten Sinfo nie, glaube ich keine paradoxe Behauptung, sondern eine einfache Tatsache zu bezeichnen.“ Die am 4. November 1876 in Karlsruhe unter Max Desoff uraufgeführte Sinfo nie beginnt mit einer langsamen Einleitung (Un poco sostenuto) von sieben unddreißig Takten, die den thematischen Kern in sich trägt, aus dem der erste Satz hervorwächst: ein chromatisch eindrucksvolles Motiv, zu dem in de.n Bäs sen ein unerbittlich hämmernder Orgelpunkt ertönt. Quälende Unruhe, Gefahr, schmerzliches Leid drückt die Einleitung aus. Das anschließende Allegro begehrt trotzig gegen diese Stimmung auf. Aber das chromatische Motiv, dem auch das zweite Thema (in der Oboe) unterliegt, löst ein leidenschaftliches Ringen aus, das in der Durchführung seine Höhepunkte erfährt. Mit dem Kopfmotiv der Einleitung kündigt sich die Coda an. Die verzweifelte Spannung löst sich trost voll in C-Dur. Eine zwingende, einheitliche thematische Gestaltung besitzt der zweite Satz (Andante sostenuto) mit seinem trostvoll-innigen Hauptthema, das die Violi nen, von den Fagotten unterstützt, anstimmen. Mehr elegischen, klagenden Charakter hat das cis-Moll-Nebenthema der Holzbläser. Im Mittelteil wechseln sich Oboe, Klarinette, Celli und Kontrabässe konzertant in der Führung ab. In der Reprise greift die Solovioline den zweiten Teil des Hauptthemas auf. Die verhaltene Heiterkeit des dritten Satzes (Un poco allegretto e grazioso) läßt Hoffnung schöpfen, daß die düsteren Kräfte und Gedanken überwunden werden können. Holzbläser führen die Motive dieses Satzes ein (die Klarinet ten das wiegende, herzliche Hauptthema). Humorvoll musizieren Bläser und Streicher im H-Dur-Trio gegeneinander. Mit Recht hat man das Finale dieser Sinfonie als den gewaltigsten Sinfonie satz seit Beethoven bezeichnet. Drei tempomäßig unterschiedliche Teile geben die äußere Gliederung. Der Satz beginnt mit einer Adagio-Einleitung, die der des ersten Satzes ähnlich ist. Zunächst erklingt ein chromatisch-schmerzliches Motiv, das in eine drohende, unheilvolle Stimmung hinübergeführt wird (syn kopische Pizzicato-Steigerungen, verzweifelte Bläserrufe, erregte Streicherfigu ren). Da ertönt plötzlich — nach einem Paukenwirbel - ein seelen- und fried volles Hornthema (Piü Andante), das an Webers Freischütz-Ouvertüre und Schuberts große C-Dur-Sinfonie erinnert. Danach beginnt der dritte Teil des Finales (Allegro non troppo, ma con brio) mit seinem weitläufigen, jubelnden Marschthema in vollem Streicherklang, das teilweise an den Freudenhymnus von Beethovens 9. Sinfonie gemahnt Nun erfolgt der Durchbruch zu optimisti scher Haltung; die dunklen Kräfte werden bezwungen. Neben dem innigen zweiten G-Dur-Thema und dem aktiv-drängenden dritten Thema kehren auch die anderen thematischen Gestaltungen des Satzes wieder und beteiligen sich an der stürmischen Durchführung. Den hymnischen Ausklang dieser einzigarti gen Sinfonie bringt das Piü Allegro. Dr. Dieter Härtwig Anton in Dvorak — Biblische Lieder o p. 99 Wolken und Finsternis hüllen sein Antlitz, * seines Gerichtes Spruch ist des Thrones Stütze. Feuer kündet sein Nahn, sät überall Verderb der Heerscharen der Feinde. Sieh, seiner Blitze Flammenmeere zucken über die Erde; angesichts dessen zittert sie. Berge wie das Wachs zergehen vor dem Antlitz des Herren, unseres Gottes, aller Erde Weltherrscher. Und alle Völker werden sehn seinen Ruhm und Ehre. Zuflucht Du, Du bist mir ein Schirm und ein Schild, ich folge stets Deinen Worten. Weichet von hinnen, ihr falschen Verräter, ich will einhalten, was mein Gott mir hat geboten. Gib mir die Kraft, daß ich genese, und was Du forderst von mir, daß ich treu erfülle. Denn vor dem Zorne zittert mein armer Leib, und ich fürchte sehr, o Gott, den Richterspruch. Gott, o höre, hör' auf mein Gebet, verschließ Dein Ohr nicht vor meinem Flehn. Neige Dich und höre mich, denn mein bittres Los dauert mich sehr; ich klage zu Dir. Angsterfüllt schlägt das Herz mir und Todesangst krampft das Herz zusammen; mich faßt ein Todesgrauen an. Ich sprach zu mir: Oh, wenn ich Flügel wie die Taube hätte, flog' ich weit, um mich endlich auszuruhn. Sieh, endlose Fernen locken und weilen will ich in Wüsten. Mit schnellem Flug würde ich fliehen vor dem Sturm und Unwetter. Gott, der Herr, ist Hirte mir, ich werde niemals Mangel leiden. Auf der Flur, so da grünt,stärkt er mich, und er führt mich zu stillen Seen.