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nien bedachte Tonsprache, die das Laute, das Grelle und die Klangschwelgerei bewußt vermeidet. Seine antiromantische „Kunst der Aussparung" verbindet strenges Formbewußtsein, lineare Stimmführung, herben Klangcharakter mit in nerer Gespanntheit des Ausdrucks. Die klassizistische Orchestermusik mit Klavier schrieb der Komponist 1935, im Jahr der erfolgreichen, von Karl Böhm geleiteten Dresdner Uraufführung des „Günstling", die seinen Namen schlagartig bekannt werden ließ. Die Dresdner Staatskapelle — wiederum unter Karl Böhm — hob auch dieses beifällig aufge nommene Werk — 1936 — aus der Taufe, wobei der Komponist selbst den Solo part spielte. Es ist geistig in der Nähe des „Günstling" und des Ballettes „Der zerbrochene Krug“ angesiedelt. Die herzhaft zupackenden, stilisiert volksliedhaft-schlichten wie die spielerisch vergnügten Partien des Stückes, die Motorik wie die fein nervigen (auch poly-) rhythmischen Impulse, sein disziplinierter, polyphon durch gesetzter Kammerstil erweisen es als eine wertvolle Bereicherung der zeitge nössischen Klavierkonzertliteratur. Leichtverständlichkeit ist nicht der geringste Vorzug der dreisätzigen Komposition, die das Orchester der Wiener Klassik ein setzt. „Heftig, gehämmert" ist der erste Satz überschrieben, der starke rhythmisch motorische Kräfte freisetzt. Er hat regelrechte Sonatenform. Ein markant ge meißeltes, akkordisches Klavierthema, das erste Thema des Satzes, eröffnet das Werk. Es wird sofort vom Orchester aufgegriffen und im Wechsel mit dem Solo instrument in „hämmernden" Rhythmen und Klangbildern verarbeitet. Verhält nismäßig spät und die ausgedehnte Exposition beendend, tritt, wiederum im Klavier, das ebenfalls rhythmisch betonte zweite Thema hinzu, dessen Anlage dem Komponisten erlaubt, es gleichzeitig im Orchester zu variieren. Während die Durchführung nur mit dem zweiten Thema arbeitet, beginnt die Reprise mit dem Hauptthema, das nun allerdings im Orchester aufklingt. Auf Klangschönheit ist im Gegensatz zur kraftvollen Geste des Eingangssatzes der langsame zweite Satz (Einfach, zart) bedacht. Das wie ein altes Volkslied wirkende Hauptthema, das vom Solisten anfangs unbegleitet angestimmt wird, prägt den innigen Charakter dieses Satzes, der in erweiterter Liedform ange legt ist. Den dritten Satz (Freimütig, frisch — Anmutig bewegt) gestaltete Wagner-Re geny zweiteilig, indem er dem eigentlichen Finalsatz ein freches kleines Scherzo wie einen Prolog vorausschickt. Stark kontrapunktisch ist die Faktur des anmutig bewegten Finales. Zu Beginn spielen die Streicher ein vierstimmiges Fugato. Dann erklingt im Klavier das eigentliche Hauptthema, legato, fast im Haydn- Stil. Am Schluß dieses äußerst differenzierten, eigenartigen Rondos steht eine Stretta des Hauptthemas. „Ich war auf keinem Instrument ein Hexenmeister, aber ich kannte 1 die 1 Kraft und die Wirkung aller; ich war kein schlechter Klavierspieler und Sänger und konnte auch ein Konzert auf der Violine vortragen“, bekannte Joseph Haydn' ein mal, dessen Konzertwerke für verschiedenste Instrumente heute 1 , obwohl siei nicht im Mittelpunkt seiner schöpferischen Arbeit gestanden haben, in zunehmendem Maße in den Blickpunkt unseres Musiklebens rücken. Gewiß lagen Haydn vir tuose Brillanz und solistischer Glanz, wie wir sie gewöhnlich mit einem Solo konzert verbinden, fern. So ist beispielsweise der Klaviersatz in seinen Klavier konzerten — zehn (z. T. für Cembalo bzw. Orgel) werden nach dem heutigen Stand der Forschung als authentisch anerkannt — vorwiegend zweistimmig ge faßt, die linke Hand geht mit dem Baß des Orchesterparts, während die rechte eine selbständige Melodie vorträgt. Das altklassische Wurzeln im Violinkonzert ist noch erkennbar. Doch zeigen seine 1 Klavierkonzerte von allem Anfang an eine klare Ausbildung der Form. In den beiden reifsten, in den 70er und 80er Jahren geschaffenen Klavierkonzerten G-Dur und D-Dur treten deutlich spezifische Kla vierelemente in der Struktur wie im Klang zutage, wird dem konzertanten Prinzip durch vollgriffige Technik, größeren Schwung der Passagen, Dreiklangs- oder Skalenzerlegungen sowie nachschlagende Oktavgänge sichtlich entsprochen. Das Klavierkonzert G-Dur (Hob. XVIII: 4) wurde vor 1782 komponiert, wahr scheinlich schon in der 1. Hälftei der 70er Jahre. Haydn scheint die ältere Fas sung eigens für die Pariser Reise der blinden Wiener Pianistin Maria Theresia Paradis 1784 nochmals überarbeitet zu haben, um mit dem von Mozart für die gleiche Reise komponierten B-Dur-Konzert KV 456 konkurrieren zu können. Die Orchesterbesetzung weist neben Streichern noch Oboen und Hörner auf. Im er sten Satz (Allegro moderato) fesselt der Ausdruck heroischen Trotzes, der für die Entstehung des Werkes in den frühen 70er Jahren spricht. Das Klaviersolo bringt — nach der Wiederholung des Hauptthemas — ein eigenes zweites Thema, das dann in der Reprise nicht wieder erscheint. Das Andante cantabile wird von der Oboe eröffnet. Das der Vivaldischen Konzertform angenäherte Rondo finale (Presto), das die Tuttieinsätze auf verschiedenen Stufen der Tonleiter bringt, überrascht ebensosehr durch kühne Modulationen wie durch die uner schöpfliche Fantasie, welche der Rückleitung zum Hauptgedanken stets neue Züge abzugewinnen weiß. In Detmold, wo Johannes Brahms 1857/60 als Klavierlehrer der Prinzessin Frie derike, als Leiter des Hochchores wirkte und in den Hofkonzerten als Pianist auf trat, entstanden 1858 und 1859 zwei Orchesterserenaden, ungemein charakte ristische Schöpfungen ihres Meisters, die zu den schönsten Werken ihrer Gattung gehören und als direkte Vorstudien zu seinen vier Sinfonien angesehen werden können, deren erste erst 1876 fertiggestellt war. Die Serenade Nr. 1. D-Dur op. 11, komponiert 1857/58, verrät das eifrige Studium klassischer Partituren (Sin fonien, Serenaden, Divertimenti), das der junge Künstler am Detmolder Für stenhofe betrieb. Einzelne Themen könnten von Haydn, Mozart oder dem jun-