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Im Kerker der Sante Man zog mich völlig aus und schloß mich in den Kerker ein. Das Schicksal blieb vor meiner Tür. Im Dunkel ich allein. Wo seid ihr, Freunde, euer Sang, ihr Mädchenlippen rot. Hier wölbt sich über mir das Grab, hier wartet nur der Tod. Nein, ich bin nicht der, als der ich einst geboren, hier bin ich Nummer Fünfzehn — für alle Welt verloren. In einem Graben wie ein Bär geh ich im Kreis, im Kreise umher. Der Himmel lastet schwer, ich seh ihn nimmermehr. In einem Graben wie ein Bär geh ich im Kreis umher. Warum, o mein Gott? Du kennst meinen Schmerz, denn du hast ihn mir gegeben. Erbarm dich, erbarm dich! Erbarm dich meiner Leiden, sieh, mein Antlitz fast ohne Leben! Erbarm dich all der armen Herzen, die hier im Dunkel des Kerkers schlagen. Nimm von mir den Kranz, mit Dornen besät und laß meinen Geist nicht verzagen. Der Abend naht lautlos und plötzlich über mir Licht, das die Dunkelheit bannt. Apo 11 ii in Koliken. Im Stillen — hier ganz allein in der Zelle: Ich und mein klarer Verstand. Du verfaulter Kadaver von Saloniken, blutiger Traum ohne Sinn, deine Augen, zerstochen von Piken: deine Mutter, die Erzbuhlerin, sie gebar dich stinkend Antwort der Saporoger Kosaken an den Sultan von Konstantinopel Der du schlimmer als Barrabas bist und gehörnt wie ein Höllendrachen, Beelzebub ist dein Freund, und du frißt nichts als Unflat und Dreck in den Rachen; abscheulich dein Sabbath uns ist. Henkersknecht von Podolien, du träumst von Pein, Schorf und Wunden, Eitergeschwüren. Arsch der Stute, Schnauze vom Schwein! Alle Arznei soll nur schüren Pest und Aussatz in deinem Gebein. Apollinaire An Delwig O Freund, mein Freund! Was ist der Lohn für meine Taten, für mein Dichten? Wo bleibt der Trost für die Begabung, zwischen Verbrecherpack und Wichten? Doch wenn die Geißel des Gerechten die Schurken weist in ihre Schranken, erbleichen sie, und die Gewalt der Tyrannei beginnt zu wanken. Der Tod des Dichters Er lag. Sein aufgestelltes Antlitz war bleich und verweigernd in den steilen Kissen, seitdem die Welt und dieses von — ihr — Wissen von seinen Sinnen abgerissen, zurückfiel an das teilnahmslose Jahr. O Freund, mein Freund! Was zählt Verfolgung? Unsterblichkeit ist doch der Lohn erhabener und kühner Taten, der Preis für des Gesanges süßen Ton. Denn unvergänglich ist der Geist, das freie, freudig-stolze Wesen, das Bündnis, das die Menschen eint, die von den Musen auserlesen. Wilhelm Küchelbecker (1797—1846) Die, so ihn leben sahen, wußten nicht, wie sehr er eines war mit allem diesen; denn Dieses: diese Tiefen, diese Wiesen und diese Wasser waren sein Gesicht. Und sein Gesicht war diese ganze Weite, die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt; und seine Maske, die nun bang verstirbt, ist zart und offen wie die Innenseite von einer Frucht, die an der Luft verdirbt. Rainer Maria Rilke (1875—1926) Schlußstück Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns. Rainer Maria Rilke Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Spielzeit 1981/82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 JtG 009-6-82 EVP 0,25 M