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2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Donnerstag, den 26. November 1981, 20.00 Uhr Freitag, den 27. November 1981, 20.00 Uhr Hilharrr^omikon Dirigent: -Herbert Kegel Johannes Winkler Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Sergej Rachmaninow Rhapsodie über ein Thema von Paganini 1873—1943 für Klavier und Orchester a-Moll op. 43 PAUSE Anton Bruckner 1824-1896 Sinfonie Nr. 4 Es-Dur (Romantische) Bewegt, nicht zu schnell Andante, quasi Allegretto Scherzo (Bewegt) Finale (Bewegt, doch nicht zu schnell) ANNEROSE SCHMIDT studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musik hochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staatsexamen mit besonderer Aus zeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin des Pia nistenwettbewerbes Leipzig 1955, an dem sich Piani sten aus beiden deutschen Staaten beteiligten, und 1. Preisträgerin im Internationalen Schumann-Wettbe ¬ werb 1956. 1961 erhielt die Pianstin den Kunstpreis der DDR sowie 1965 den Nationalpreis unserer Repu blik. Konzertreisen führten Annerose Schmidt in sämt liche Musikzentren Europas, des Nahen Ostens sowie Japans. Bei der Dresdner Philharmonie ist die pro minente Künstlerin ständiger Gast. Unter Kurt Masur spielte sie mit der Dresdner Philharmonie sämtliche Klavierkonzerte Mozarts für ETERNA ein, unter Prof. Herbert Kegel das 2. Klavierkonzert von Brahms. ZUR EINFÜHRUNG Sergej Rachmaninow gehört zu den vielseitigsten Persönlichkeiten der Musikge schichte. Die Zeitgenossen verehrten in ihm ei nen großartigen, international geschätzten Pia nisten und Dirigenten. Er selber sagte einmal: „Ich habe nie feststellen können, wozu ich in Wahrheit berufen bin, zum Komponisten, zum Pianisten oder zum Dirigenten." Heute wahrt man das Andenken an seine großen nachschöp ferischen Leistungen. Das kompositorische Erbe ist geblieben; hervorgehoben sei vor allem das elegant-elegische Klavierschaffen (vier Konzerte und mehrere Sonaten), dem Rachmaninow wohl seine schönsten musikalischen Einfälle anver traut hat. Aber auch die Orchesterwerke, na mentlich die drei Sinfonien, sind bedeutende Arbeiten. Der unruhevolle Lebensweg Rachma ninows, der ihn nach Deutschland (wo er übri gens von 1906—1908 in Dresden lebte), Frank reich und zuletzt nach Amerika führte, hatte zur Folge, daß er die gesellschaftlich-kulturelle Ent wicklung in seiner russischen Heimat nur aus der Ferne, aber doch mit größter Anteilnahme verfolgen konnte. Im Gouvernement Nowgorod geboren, be suchte er das Petersburger und das Moskauer Konservatorium als Schüler der konservativen Musiker Tanejew, Arenski und Siloti. Früh wurde bei ihm der Grund gelegt zu einer tiefen Liebe zur russischen Volksmusik, deren nationale Tra ditionen er später in seinem Schaffen, in der elegischen Thematik, in der Neigung zur Epik, niemals verleugnete, obwohl Rachmaninow nicht zur national-russischen Schule des „Mäch tigen Häufleins", vertreten u. a. durch Mus- sorgski und Rimski-Korsakow, gehörte. Sein Stil besitzt die Farbigkeit der Spätroman tik. Er ist gekennzeichnet durch Ausdruckstiefe, balladeske, dunkle Pathetik, schwärmerisch pastorale Lyrik und eine Neigung zu Moll-Stim mungen. Rachmaninows Musik ist immer ver ständlich. Eine gewisse weltmännische Eleganz ist ihr eigen, auch dann, wenn die lyrisch-ele gische Melancholie sich zu kraftvollem, manch mal etwas wild lärmendem Pathos steigert. Das wert- und wirkungsvollste seiner Klavier werke ist die RhapsodieübereinThe- ma von Paganini für Klavier und Orchesterop. 43 aus dem Jahre 1934 (ein Thema übrigens, das schon Liszt und Brahms zu Klaviervariationen und 1947 Boris Blacher zu Orchestervariationen angeregt hat). Die Be zeichnung Rhapsodie — eine locker gefügte Fantasieform — umfaßt hier einen Zyklus von 24 Variationen, die in ununterbrochener Folge das kurze, rhythmisch-tänzerische Paganini-Thema, das am Anfang vorgestellt wird, verändern, ab wandeln, umspielen, es zu etwas Eigenem, völ lig Neuem „umfunktionieren''. Die Stimmungen wechseln, Leidenschaft und Melancholie, virtuo se Vehemenz und träumerische Besinnlichkeit. Klar ist das Soloinstrument geführt (die tech nisch-physischen Anforderungen an den Pia nisten sind enorm!). Das Werk gilt als das „mo dernste" unter Rachmaninows Kompositionen. In der Tat sind Harmonik und Rhythmik recht „gewürzt". Der kluge Aufbau, die rasanten Steigerungen, die lyrischen Einschübe machen das Stück zu einem fesselnden, virtuosen Kon ¬ zertwerk, das gleichermaßen dankbar (wea auch anspruchsvoll) ist für Solisten, Orches!| und Hörer. Dem Kenner des Rachmaninowschen Stiles fällt es auf, daß die Rhapsodie in der Thematik wie in der Harmonik den sonst bevorzugten üppigen Klängen aus dem Weg geht, daß mit wenigen Ausnahmen, die an andere Werke des Meisters erinnern, hier eine mehr linienhaft-klare Figu ration vorherrscht. Bezeichnend für den Charak ter des Werkes ist es, daß in zwei Variationen (besonders deutlich in der siebten — akkordisch im Soloklavier, kontrapunktiert vom Thema in den Celli, den Kontrabässen und den Fagotten) und in der Coda (hier im vollen Glanz der Blechbläser und der Streicher, denen die ande ren Instrumente, einschließlich Soloklavier, Harfe und Glöckchen mit dem Thema sekundie ren) das Thema des „Dies irae" („Der Tag des Zornes" aus dem gregorianischen Requiem) er scheint. Trotz einer gewissen Kargheit des Aus drucks wirkt das Werk jedoch keineswegs mo noton, dazu ist die Sprache des Orchesters zu farbig, sind die Variationen in sich zu abwechs lungsreich. Die am 22. November 1874 vollendete erste Ci stalt der Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, der„R mantischen Sinfonie", wie Anton Bruck ¬ ner sie nannte, wurde bald vom Komponisten verworfen, der sich erst nach mehreren Umar beitungen zufriedengab. Verhältnismäßig spät, im Februar 1881, gelangte das Werk durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter zur Uraufführung. Heute gilt die „Vierte" als die populärste unter den Brucknerschen Sinfonien. Sie erklingt in unserer Aufführung selbstver ständlich in der Originalfassung, befreit von den empfindlichen Eingriffen der verschiedenen Überarbeitungen, die der teils überkritische, teils ängstliche Bruckner, aber auch andere Be arbeiter vornahmen. Man hat das Werk nicht zu