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4. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 14. No/ember 1981, 20.00 Uhr Sonntag, den 15. November 1981, 20.00 Uhr Dirigent: Aldo Ceccato, Italien Antonin Dvorak 1841-1904 Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 13 Allegro Andante e molto cantabile Scherzo (Allegro feroce) Finale (Allegro con brio) PAUSE Peter Tschaikowski Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 1840-1893 Andante sostenuto — Moderato con anima Andantino in modo di canzona Scherzo (Allegro) Finale (Allegro con fuoco) ALDO CECCATO, 1934 in Mailand geboren, studierte am Mailänder Konservatorium, an der Musikhochschule in Westberlin (Dirigieren bei E. Lindemann, Komposi tion bei B. Blacher) sowie 1960/63 an der Accademia Chigiana in Siena bei S. Celibidache, den er auch als Assistent auf Reisen begleitete. Zunächst als Pianist hervortretend, debütierte er 1963 bzw. 1964 als Konzert- und Operndirigent in Mailand. Seitdem hat er eine große internationale Dirigentenkarriere angetreten mit ständigen Gastspielen bei den großen Orchestern Westeuropas und in den USA (z. B. in Westberlin, Wien, Madrid, Rom, Mailand, Paris, London, New York, Cleve land, Philadelphia, Boston, Chicago, San Francisco), ferner in Kanada, Japan, Israel und Südamerika so wie an führenden Opernhäusern Italiens, Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs, der CSSR und der USA und bei internationalen Festspielen in Edinburgh, Wien und Prag. 1973/77 war er Leiter des Detroit Sym- phony Orchestra, seit 1975 ist er als Nachfolger Wolf gang Sawallischs Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg und seit 1978 zugleich Pro fessor für Dirigieren an der Hamburger Musikhoch schule. Zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und Schallplat tenaufnahmen verbreiteten darüber hinaus den Ruf des Künstlers, der 1980 erstmalig in der DDR und zwar bei der Dresdner Philharmonie gastierte. ZUR EINFÜHRUNG Antonin Dvorak schrieb insgesamt neun Sinfonien, die mit ihrer sich von Werk zu Werk steigernden Schönheit des musika lischen Gehalts und der sich mehr und mehr ausprägenden nationalen und persönlichen Eigenart Dvorak zu einem der bedeutendsten Sinfoniker in der Musikgeschichte werden lie ßen. Es steht überdies außer Frage, daß Antonin Dvorak der eigentliche Begründer der tschechischen Sinfonik ist. Einige Verwirrung herrscht über die Nume rierung der Sinfonien Dvoraks: Die unrich tige Numerierung zu Lebzeiten des Kompo nisten hatte der Berliner Verleger Fritz Sim rock bewußt verschuldet. Die Sinfonie D-Dur op. 60, beim Erscheinen als erste bezeichnet, war in Wirklichkeit bereits die sechste Sinfo nie Dvoraks, die Sinfonie d-Moll op. 70, be zeichnet als zweite, war eigentlich die sie bente, die Sinfonie F-Dur, herausgegeben als dritte und op. 76, war als ursprüngliches op. 24 die fünfte, und ihre Entstehung ging den beiden eben genannten voraus. Viele andere Werke Dvoraks bekamen die endgül tigen Opuszahlen bzw. Numerierungen erst bei der Drucklegung, und zwar auf Wunsch des Verlegers und entgegen dem Willen des Komponisten. Mit der 1874 komponierten, jedoch erst 1892 uraufgeführten 4. Sinfonie d-Moll op. 1 3 endet die Reihe der sogenannten Frühsinfo nien Dvoraks. Auch diese teilte das Schicksal der drei vorangegangenen: sie wurde nicht zur Kenntnis genommen und somit auch nicht numeriert. Der Autor selbst hat sein Werk ge wissermaßen unterschätzt; denn in der glei chen Tonart schrieb er späi.er die 7. Sinfonie op. 70, was er bei zyklischen Kompositionen nur dann tat, wenn ihn die vorherige nicht befriedigt hatte. Wenn heute die Frühsinfo- nien des Meisters insgesamt mehr Aufmerk samkeit verdienen, so gebührt diese dem Opus 13 in besonderem Maße, da es einen weiteren großen Schritt nach vorn in Dvoraks Sinfonik darstellt. Am Verbild Smetanas wurde sich der Kom ponist bewußt, daß es notwendig war, einen eigenen, national ausgeprägten Ausdrucksstil zu schaffen. Man spürt deutlich, wie sich in der Sinfonie Dvoraks Stil von dem vorher star ken Einfluß der deutschen Neuromantik (haupt sächlich Wagners) frei macht. Dafür kommt mehr und mehr tschechischer Geist zur Gel tung. Dem ganzen Werk ist als Grundton eine unruhevoll bewegte, düster gefärbte Stim mung zu eigen. Diese Tönung ist jedoch nir gends in der Sinfonie endgültig, denn es wird von Anfang an gegen sie angekämpft. Der Charakter des ersten Satzes (Allegro) wird von drei zusammenhängenden Themen des Einleitungsteils bestimmt. Das Grund thema erwächst aus einem einfachen, rhyth misch knappen Motiv. Es hat zunächst den Ausdruck einer dumpfen Unruhe, hellt sich aber rasch auf und drückt bald energische Entschlossenheit aus. Das zweite Thema zeigt molcdisch und rhythmisch eine reiche Glie- dorung und besitzt leidenschaftlichen Charak- o.'. Die Entschlossenheit des ersten Themas) bekräftigend, schließt sich, fast wie ein Näch st) z, das dritte Thema an. Das musikalische Geschehen der Einleitung wird durch die Ein beziehung zweier weiterer Themen noch berei che,:. Die Durchführung arbeitet mit allen Angeführten Themen, stimmungsmäßig über wiegen die kämpferische Energie und leiden schaftliche Erregung. Die Reprise schließt un- mihzlbar an die Durchführung mit dem 3. Thoma an. Der energische, straffe Schluß bringt dann nur noch kurze Intermezzi. Cer zweite Satz dieser Sinfonie (Andante e molto cantabile) ist in Dvoraks Schaffen da durch von Bedeutung, daß er die ersten selb ständigen Variationen des Meisters enthält. Die ernste, tiefe Stimmung dieser Variatio nen wird durch den Charakter des choralarti gen Themas bestimmt. Alle fünf Variationen halten sich an die Grundstimmung, nur die vierte ist voller Unruhe. Das Scherzo (Allegro feroce) überrascht im Anfang durch stürmische und rhythmisch be schwingte Melodik. Der Mittelteil des Scher zos ist ein gemächlich-schwerfälliger Marsch, der allmählich dynamisch an Stärke zunimmt, wieder leiser wird und schließlich verstummt^ Der Schluß des Satzes ist düsterer in der Stimmung, vereinzelt tauchen Reminiszenzen an den ersten Satz auf. In der Coda erscheint nochmals das Marschmotiv. Der Schlußsatz (Allegro con brio) bringt nicht sogleich hellen Siegesjubel. Wie bereits das Hauptmotiv erkennen läßt, hat auch er zu- zunächst kämpferischen Charakter, der nicht einmal durch das im Ausdruck etwas gemä ßigtere Nebenthema beeinträchtigt wird. An die erregte Durchführung knüpfen die in leb hafter Bewegung fortschreitende Reprise und zum Schluß die in freudigen Jubel ausbre chende Coda an.